Ereignis vom 1. Januar 1697

Schlacht bei Zenta und Eroberung Sarajevos

Schlacht bei Zenta

Die Schlacht bei Zenta im Jahre 1697 gegen das zahlenmäßig weit überlegene Osmanenheer begründete den dauerhaften Feldherrnruhm des Prinzen Eugen von Savoyen. Der Vernichtungssieg ebnete zugleich den Weg zum Frieden von Karlowitz, der zwei Jahre später von Kaiser Leopold I. und Sultan Mustapha II. unterzeichnet wurde. Der unter Vermittlung der Seemächte geschlossene Friede, der den nahezu 16 Jahre dauern-den Türkenkrieg beendete, sicherte dem Haus Habsburg den Besitz von Siebenbürgen, Ungarn (mit Ausnahme des Temesvarer Banats), Slawonien (mit Ausnahme des südöstlichen Teils von Syrmien) und Kroatien.

Der 1663 in Paris geborene Eugen von Savoyen, der sich erst-mals im Heer des Herzogs Karl von Lothringen an der siegreichen Entsatzschlacht für Wien am Kahlenberg 1683 bewährt hatte, nahm im kaiserlichen Heer durch spanische Protektion und die Unterstützung seines Vetters Markgraf Ludwig Wil-helm von Baden einen raschen und nahezu reibungslosen Auf-stieg. Das Vertrauen, das man in Wien in die militärische Fähigkeit und Loyalität des landfremden Prinzen setzte, brachte ihm nach dem unglücklichen Verlauf des Feldzugs von 1696 gegen die Osmanen auf Empfehlung des Hofkriegsratspräsidenten Ernst Rüdiger Graf Starhemberg den Oberbefehl im Türken-krieg ein. Starhemberg hatte den jungen Savoyer empfohlen, da von allen Generalen keiner ”mehr Verstand, Erfahrung, Applikation und Eifer” besitze. Diese Fähigkeiten hatte Eugen freilich auch genutzt, um die Kandidatur des sächsischen Kurfürsten und bisherigen Oberbefehlshabers Friedrich August von Sachsen für den polnischen Thron zu fördern, um ihn auf diese Weise als Konkurrent vom türkischen Kriegsschauplatz entfernen zu können.

Als Prinz Eugen im Sommer 1697 das Kommando übernahm, sah er seine vorrangige Aufgabe zunächst in der Reorganisierung der nur mangelhaft mit Munition und Verpflegung ausgestatteten Truppen. Gerade wegen dieser Defizite und des Versagens der bisherigen Heeresleitung hatte sich die militärische Lage in Ungarn seit der Rückeroberung Belgrads durch die Pforte für Wien sehr ungünstig gestaltet. Ein offensiver Kriegsplan schien angesichts der erst spät erreichten Marsch-bereitschaft des kaiserlichen Heeres nahezu aussichtslos. Die letzte zusammenfassende Instruktion des Kaisers, die Eugen vor seinem Aufbruch am 7. Juli erhielt, riet daher zu entsprechender Zurückhaltung. Da vom Gelingen oder Misslingen des Feldzuges ”das totum dependiert”, solle er nichts ”hazardieren” und sich mit dem Feind nur bei ”fast sicherer Hoffnung zu einem glücklichen Resultat” in eine Schlacht einlassen. Auf der anderen Seite gaben die im niederländischen Rijswijk Anfang Mai 1697 einsetzenden Friedensverhandlungen zwischen Ludwig XIV. von Frankreich und seinen Gegnern dem Kaiser die Gelegenheit, endlich die militärischen Kräfte auf dem ungarischen Kriegsschauplatz zu verstärken.

Es waren etwa 30.000 Mann, die Eugen bei der Hauptarmee Anfang August nordöstlich von Neusatz zur Deckung von Peterwardein und zur Abwehr eines türkischen Vorstoßes nach Ungarn zur Verfügung standen. Hatte der Padischah zunächst beabsichtigt, die Kaiserlichen von der Donaulinie abzudrängen, so änderte er kurzentschlossen seine Pläne und wandte sich rechts der Theiß nach Norden gegen Szegedin, das eine Schlüsselposition auf dem Weg entlang der Maros nach Siebenbürgen besaß. Von der neuen Stoßrichtung des osmanischen Heeres erfuhr der Savoyer erst in der Nacht vom 6. auf den 7. September durch einen Überläufer. In Gewaltmärschen folgte Eugen, dessen Truppen sich bis Ende des Monats auf etwa 50.000 Mann verstärkt hatten, dem Osmanenheer nach Norden. Da das türkische Heer auf die Nachricht vom Heranrücken der kaiserlichen Truppen abermals seine Pläne geändert und nun den Flussübergang bereits bei Zenta südlich von Szegedin befohlen hatte, gewann der Savoyer Zeit zur Verfolgung. Am Morgen des 11. September gelang es ihm, den Kommandanten einer gegneri¬schen Aufklärungsabteilung gefangenzunehmen. Persönlich nahm er das Verhör des Paschas vor, ”mit Bedrohung”, wie Eugen selbst vermerkte, ”auf der stöhl geköpfft zu werden, wann er die wahrheit nit sagete”. Auf diese Weise erfuhr er, daß der Sultan zusammen mit Teilen der Kavallerie und der gesamten Artillerie bereits das gegenüberliegende Ufer erreicht habe, wäh¬rend die Masse des Fußvolkes noch an der westlichen Brückenrampe lagerte. Es lag auf der Hand, daß damit an ernste Operationen auf dem rechten Theiß-Ufer nicht mehr gedacht wurde.

Dem kaiserlichen Feldherrn bot sich die unerwartete Gelegenheit, bei raschem Handeln mitten in die noch nicht sehr weit gediehene Übersetzbewegung der türkischen Truppen hineinzustoßen. Trotz des zehnstündigen Eilmarsches und der anbrechenden Abenddämmerung beschloss Eugen, noch aus der Bewegung heraus die am Brückenkopf festsitzenden Türken anzugreifen. Auf engstem Raum zusammengedrängt und ohne Hoffnung auf Entsatz durch die Reiterei, wurde die türkische Infanterie in einem einzigen Schwächemoment durch die halbkreisförmig in Gefechtsordnung angetretenen kaiserlichen Regimenter buchstäblich zermalmt. Den rechten Flügel im Süden bildete dabei Graf Sigbert Heister mit 14 Bataillonen und 53 Schwadronen, das Zentrum Prinz Karl von Lothringen-Commercy mit 21 Bataillonen und den linken Flügel Graf Guido Starhemberg mit 16 Bataillonen und 59 Schwadronen. Zusätz-lich nahm die kaiserliche Artillerie den Brückenkopf unter Beschuß. Starhemberg gelang es, mit seiner Truppe die Verschanzungen zu umgehen und von Norden her in den Brückenkopf einzudringen, indem er nicht verschanzte Sandbänke in der Theiß nutzte. Zwischen zwei Feuer geraten, suchte das türkische Fußvolk verzweifelt nach einem Fluchtweg. Nachdem die völlig überladene Brücke zusammengebrochen war, brach vollends eine Panik aus. Viele Türken stürzten sich in den Fluß, nur etwa 2.000 sollen das linke Theiß-Ufer erreicht haben. Schon bald bot sich den Kaiserlichen nach den Worten Eugens ”ein gräuliches Blutbad, sowohl in dem Tranchement als auf der Brücke und in dem Wasser”.

In dem blutigen Gemetzel wurde die türkische Infanterie nahezu vollständig aufgerieben. Die Zahl der Toten, die noch höher war als in der Schlacht bei Slankamen im Jahre 1691, wird mit 25.000 bis 30.000 osmanischen Offizieren und Soldaten beziffert. Darunter befanden sich neben dem Großwesir Elmas Mohammed Pascha auch die Wesire von Adana, Anatolien und Bosnien sowie 13 Beis. Von dem Aderlass vermochten sich die Janitscharen auf Jahrzehnte hin nicht mehr zu erholen. Die Kaiserlichen dagegen hatten lediglich den Verlust von 28 Offizieren und rund 400 Mann sowie knapp 1600 Verwundete zu beklagen. Unter der immensen Beute an Geschützen, Waffen, Fahnen und Ausrüstungsmaterial war auch das Siegel des Großwesirs, das Prinz Eugen Kaiser Leopold I. in Wien persönlich überreichte.

Angesichts der fortgeschrittenen Jahreszeit und der zunehmenden Verpflegungs- und Trans¬portschwierigkeiten konnte es Prinz Eugen nach der siegreichen Schlacht bei Zenta nicht mehr wagen, Belgrad oder Temesvar anzugreifen. Es sei zu bedauern, schrieb er dem Kaiser in einer ersten Relation über die Schlacht bei Zenta am 15. September, dass ”in solchen coniuncturen nicht alles in Beraithschafft stehe, unnd nun auch die Saison schon so weith avancirt ist, für heuer noch wenigist die Palanka von Temesvar nehmen und die Magazins Verbrennen zu khönnen”. Um der Autorität der Osmanen dennoch einen weiteren Stoß zu versetzen und die erdrückende Übermacht der kaiserlichen Waffen zu demonstrieren, stimmte ein am 4. Oktober berufener Kriegsrat einem Streifzug nach Bosnien zu. Am 10./11. Oktober überschritt die kleine Truppe von 4.000 gut berittenen Kürassieren und Dragonern sowie 2.500 ausgewählten Füsilieren und Grenadieren bei Brod die Save und nahm in den folgenden Tagen im Tal der Bosna erfolgreich einen türkischen Stützpunkt nach dem anderen. In einem in französischer Sprache verfaßten Kriegstagebuch ”Journal de la marche en Bosnie”, der längsten eigenhändigen Aufzeichnung des Feldherrn, hielt Eugen die Ereignisse vom 13. Oktober bis zum 8. November 1697 fest. Am 23. Oktober wurde Sarajevo (türkisch Bosna Serai), eines der wichtigsten Zentren auf dem Balkan und Residenzstadt des Paschas von Bosnien, erreicht und niedergebrannt. ”On a bruslé la ville entierement et tous les environs”, notierte Eugen in seinem Tagebuch. ”La confusion est terrible parmi les Turcs et pour peu qu’il y eut de dispositions faites tout le royaume se pouroit occuper et garder”. Da der Wintereinbruch sich jedoch schon an¬kündigte, ließ Eugen nicht einmal mehr das Schloß stürmen, sondern trat bereits am folgenden Tag den Rückmarsch an. Am 17. November hielt der Savoyer, dessen Kühnheit, Souveränität und Ent¬schlußkraft in den vergangenen Monaten seinen Ruhm als Feldherrn begründet hatten, feierli¬chen Einzug in Wien.

Die vernichtende Niederlage bei Zenta 1697 und der an¬schlie-ßende Streifzug nach Bosnien sowie der im selben Jahr in Rijs-wijk geschlossene Kompromißfriede zwischen dem Kaiser und Frankreich raubten Sultan Mustapha II. endgültig alle Hoff-nun¬gen, die seit 1683 währenden Kämpfe in Ungarn erfolgreich abzu¬schließen. Die Einwilligung in einen Friedensvertrag, der schließlich am 26. Januar 1699 in Karlowitz (Sremski Karlovci) unterzeichnet wurde, war nur noch eine Frage der Zeit.

Quellen: Feldzüge gegen die Türken 1697-1698 und der Karlowitzer Friede 1699. Bearb. v. M. Edlen von An¬geli, Wien 1876. – Kausler, F. von: Das Leben des Prinzen Eugen von Savoyen, hauptsächlich aus dem mili¬tärischen Gesichtspunkte, Bde. 1-3, Freiburg im Breisgau 1838-1839. – Militärische Korrespondenz des Prin¬zen Eugen von Savoyen, Bde. 1-2. Hg. v. F. Heller, Wien 1848.

Lit.: Böhm, B.: Bibliographie zur Geschichte des Prinzen Eugen von Savoyen und seiner Zeit, Wien 1943. – Braubach, M.: Prinz Eugen von Savoyen, Bde. 1-5, Wien 1963-1965. – Broucek, P. [u.a.]: Prinz Eugen. Feld¬züge und Heerwesen, Wien 1986. – Mraz, G.: Prinz Eugen. Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit, Wien/München 1985. – Prinz Eugen von Savoyen und seine Zeit. Hg. v. J. Kunisch, Freiburg im Breis-gau/Würzburg 1986. – Österreich und die Osmanen. Hg. v. E. Zöllner [u.a.], Wien 1988. – Prinz Eugen und das barocke Österreich. Hg. v. K. Gutkas, Salzburg/Wien 1985. – Prinz Eugen von Savoyen 1663-1736 (Ausstellungskatalog), Wien 1963. – Szakály, F.: Hungaria eliberata, Budapest 1986.

Bild: Schlacht bei Zenta, darüber die Madonna von Pötsch, deren Fürsprache der Sieg zugeschrieben wurde.[5] (HGM Wien) / Quelle: Von zeitgenössischer Maler, um 1698 – Wikipedia-Datei https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Schlacht_bei_Zenta_1697.jpg, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=39823131

Joachim Bahlcke