Sein Vater war Soldat (Schütze) im Liechtensteinschen Regiment. Vermutlich kam Biber Mitte der sechziger Jahre in die Kremsierer Hofkapelle des Fürstbischofs Carl Liechtenstein-Kastelkorn. Herbst 1670 schied er aus dieser (ohne Erlaubnis) aus und erhielt eine Stelle in der Salzburger Hofkapelle, zunächst als Streicher (er spielte neben der Violine auch Viola da Gamba und Violoncello) ab 1679 als Vicekapellmeister und wurde 1684 Kapellmeister.Vom Kaiser, der Biber selbst als Geiger gehört hatte, wurde ihm 1690 der Adelstitel verliehen. Sein Sohn Carl Heinrich (1681 – 1749) wurde in der Salzburger bischöflichen Kapelle erst Violinist, 1714 Vice- und 1743 Hofkapellmeister; er durchlief also eine ähnliche Laufbahn wie sein Vater.
Heinrich (Ignaz Franz) Biber durch seine eigenen Kompositionen als hervorragender Geigenvirtuose ausgewiesen und erweist sich als begnadeter Nachfolger Johann Heinrich Schmelzen. Er beherrschte souverän die Verwendung der Scordatur, bei der ein bis vier Saiten [g d‘ a‘ e“] der Geige, aber auch anderer Streichinstrumente umgestimmt werden. Die Noten werden dabei so geschrieben, daß die Finger wie in der Normalstellung zu greifen haben, aber ein anderer Ton als gewohnt erklingt. Die Notation ist eine Griffschrift, die nicht den dazu gehörenden Klang wiedergibt. Mit der Scordatur wird das drei- und vierstimmige Spiel erleichtert. In Bibers berühmten „Rosenkranz“-Sonaten, bei denen am Anfang des 1. Satzes einer jeden Sonate in einer Vignette (Bild) die jeweilige Szene der Rosenkranzsituation dargestellt wird, ist die Scordatur besonders reich gefordert. Die „Rosenkranz“-Sonaten liegen komplett in Schallplattenaufnahmen vor (Goebel mit seiner musica antiqua Köln).
Während Biber lange Zeit vornehmlich als ein führender Violinist und frühbarocker Instrumentalkomponist berühmt war, der auch tonmalerischen Absichten zur realistischen Wiedergabe etwa einer bekannten Battaglia nachging, ist er in jüngerer Zeit als Kirchenmusik- und Opernkomponist stärker berücksichtigt worden. Seine Requiems sind mehrfach für Untersuchungen herangezogen worden (Jaksch und Hintermaier). Sein Requiem à 15 hat manche Ähnlichkeit mit der vielfach zitierten 53stimmigen, mehrchörigen Messe, die bisher dem Salzburger Hofkapellmeisterl Horatio Benevoli zugeschrieben wurde. Hintermaier meint auch auf Grund von Quellenuntersuchungen, daß diese berühmte Messe möglicherweise von H. I. F. Biber komponiert sein könnte, Bibers MARIEN-Vesper ist 1986 in der Schallplattenreihe Anthologie ostdeutscher Musik, Bereich Böhmen und Mähren des Instituts ostdeutsche Musik erschienen. Das Werk Bibers wird seit einigen Jahren insgesamt viel breiter geschätzt als früher; Kompositionen von ihm sind im Konzert und im Rundfunk zu hören. Ferner steht ein Großteil seiner Instrumentalkompositionen (Sonaten und Partien in mehrstimmigen Besetzungen sowie Kammermusik im modernen Sinne, nämlich in solistischer Besetzung), darunter vor allem seine tonmalerischen, „charakteristischen“ oder „charakterisierenden“ Werke, von seiner Kirchenmusik ein Requiem, Scti Henrici und seine bereits genannte Marienvesper in Schallplattenaufnahmen zur Verfügung. Ob Aufführungen seiner einzigen erhaltenen Oper Arminius (1981 in Berlin und 1987 in Wien gegeben) auch in der Zukunft gelegentlich geboten werden, bleibt abzuwarten.
Neudrucke in den repräsentativen Denkmäler der Tonkunst in Österreich:
11. Bd. Acht Violinsonaten von 1681, (l898 und 1959), hrg. von Guido Adler
25. Bd. Sechzehn Violinsonaten (vor 1776?), (1905 und1959), hrg. von Guido Adler
im 49. Bd. Missa Scti Henrici 1701, (1918 und 1960), hrg. von Guido Adler
im 50. Bd. Passacaglia für Laute, (1918 und 1960), hrg. von Adolf Koczirz
im 59. Bd. Requiem (à 7), (1923 und 1960), hrg. von Guido Adler
92. Bd. Harmonia artificiosa-ariosa diversimode accordata (Partia I-VII), (1956), hrg. von Paul Nettl und Friedrich Reidinger
96. Bd. Mensa sonora seu musica instrumentalis (Die Klingende Taffel oder Instrumentalische Taffel-Music), (Pars I-VI), 1680 (1960), hrg. von Erich Schenk
97. Bd. Fidicinum sacro-profanum, (1683), (1960), hrg. von Erich Schenk
106./107. Bd. Sonatae tam aris quam aulis servientes, 1676(1963), hrg. von Erich Schenk
127. Bd. Instrumentalwerke handschriftlicher Überlieferung, (1976), hrg. von Jiří Sehnal
Von seinem Sohn Carl Heinrich:
im 80. Bd. Missa breves sanctorum septem dolorum B.V.M.1731, (1936 und 1960), hrg. von Karl August Rosenthal und Constantin Schneider
Es gibt auch einige Einzelausgaben von Kompositionen H. I. F. Bibers in verschiedenen Musikverlagen, die in dem Artikel Biber der Enzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart sowie im Riemann-Musiklexikon angeführt werden.
Lit.: Musiklexika seit J. G. Walther 1732 und Johann Mattheson: Grundlagen einer Ehren-Pforte 1740. -Theophil Antonicek: Biber-Aufführung der Grazer Hochschule in: Österreichische Musikzeitschrift 42. Bd. 1987, S. 187 f. – Claus-Henning Bachmann: Bibers „Arminius“ nach 300 Jahren wiederbelebt, in: Österreichische Musikzeitschrift 36. Bd., 1981, S. 171 – 173. – Eric Thomas Chafe: The Church Music of Heinrich Biber, U-M-1 Research Press Ann Arbor, Michigan (1987), (Studies in Musicology No. 95), mit Werkverzeichnis. – Sibylle Dahms: Salzburger Barockoper an der Komischen Oper Berlin, in: Österreichische Musikzeitschrift, 36. Bd., 1981, S. 29f. -Ernst Hintermaier: „Missa Salisburgensis“. Neue Erkenntnisse über Entstehung, Autor und Zweckbestimmung, in: Musicologica austriaca 1. Bd. 1977, S. 154 – 196. -Werner Jaksch: H. I. F. Biber, Requiem à 15. Untersuchungen zur höfischen, liturgischen und musikalischen Topik einer barocken Totenmesse, Emil Katzbichler München-Salzburg 1977. – Ders.: Missa Alleluia. Quellenlage und Einordnung einer mehrchörigen Messe des Salzburger Domkapellmeisters H. I. Fr. Biber (1644 -1704), in: Kirchenmusikalisches Jahrbuch 70. Bd. 1986, S. 45 – 49. – Paul Nettl: Zur Geschichte der Musikkapelle des Fürstbischofs Karl Liechtenstein-Kastelkorn von Olmütz, in: Zeitschrift für Musikwissenschaft 4. Jg. 1921/22, S. 485 – 496. – Ders.: (Art. l Biber), in: Sudetendeutsche Lebensbilder, hrg. von Erich Gierach 1. Bd. Gebr. Stiepel Reichenberg 1926. – Ders.: Heinrich Franz Biber von Bibern, in: Studien zur Musikwissenschaft 24. Bd. 1960, S. 61 – 86. – Erich Schenk: Ein „Singfundament“ von Heinrich Ignaz Franz Biber, in: Speculum musicae artis. Festgabe für Heinrich Husmann zum 60. Geburtstag am 16. Dezember 1968, hrg. von Heinz Becker und Reinhard Gerlach, Wilhelm Fink München 1970, S. 277 – 283. – Constantin Schneider: Franz Heinrich von Biber als Opernkomponist, in: Archiv für Musikwissenschaft 8. Jg. 1926, S. 281 – 347. – Ders.: Geschichte der Musik in Salzburg von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart, R. Kiesel Salzburg 1935, S. 82 – 94. – Hubert Unverricht: Tonmalerische Werke für Streicher. Bemerkungen zum Verhältnis von Nachahmungstheorie und kompositorischer Praxis von 1600 bis 1750, in: Jakob Stainer und seine Zeit. Tagungsbericht hrg. von Walter Salmen, Helbling Innsbruck (1984, Innsbrucker Beiträge zur Musikwissenschaft 10. Bd.), S. 155 – 162. – Peter Wollny: Heinrich Ignaz Franz Bibers „Harmonia Arteficiosa-Ariosa“: Zur Druckgeschichte und Werkgestalt, in: Schütz-Jahrbuch 1988, S. 126 – 132.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Ignaz_Franz_Biber
Hubert Unverricht