Überblick über die Geschichte der Kulturstiftung
Dem Handeln der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen für Wissenschaft und Forschung, so ihr vollständiger Name, lag in ihrer Geschichte stets der europäische Verständigungsgedanke im Geiste der Charta der deutschen Heimatvertriebenen zugrunde. Die Bewahrung des kulturellen Erbes der Deutschen im Osten Europas stellte für sie stets zwei Seiten der gleichen Medaille dar. Ausstellungen, Symposien, Fachtagungen, Publikationen: damit lässt sich die Arbeit der Kulturstiftung umschreiben. Seit 2020 kamen „Dienstleistungen“ für Einrichtungen der eigenständigen Kulturarbeit hinzu.
Die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen ist in seiner wissenschaftlichen Arbeit geografisch nicht begrenzt. Dadurch eröffnen sich im Gegensatz zu anderen wissenschaftlichen Einrichtungen und darüber hinaus zu ihrer, den partizipativen Ansatz gleichermaßen verfolgenden deutschen Minderheiten und Verbänden/Einrichtungen der Heimatverbliebenen grenzüberschreitende wissenschaftliche Forschungsansätze, die die Gesamtheit des deutschen kulturellen Erbes im Osten Europas und eine geografisch Regionen übergreifende Verflechtungsgeschichte im Blick haben.
Als überregionale Kultureinrichtung aller Vertriebenen hat sich die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen seit der Gründung im Jahre 1974 der wichtigen Aufgabe angenommen, im Sinne des Kulturparagraphen § 96 des Bundesvertriebenengesetzes das vielfältige Kulturgut der Vertreibungsgebiete im Bewusstsein der Deutschen und des Auslands lebendig zu erhalten und das in seiner Tradition stehende kulturelle Schaffen zu fördern.
Die Gründung der Kulturstiftung geht auf eine Initiative des damaligen BdV-Präsidenten, Dr. Herbert Czaja, zurück, der bis in die 90er Jahre den Vorsitz des Kuratoriums innehatte.
Die Gründung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen im Jahre 1974 fiel in eine deutschlandpolitisch bewegte Zeit. Mit dem „Prager Vertrag“ war im Dezember 1973 der letzte der sogenannten „Ostverträge“ unterschrieben und ratifiziert worden. Noch bedeutender war, dass mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1973 – der Freistaat Bayern hatte eine Überprüfung des Grundlagenvertrages mit der DDR beantragt – der völkerrechtliche Fortbestand Deutschlands als Ganzes klar festgehalten war und die Deutsche Frage daher offenblieb.
In dieser bewegten Zeit waren die Bemühungen des Präsidiums des Bundes der Vertriebenen für die Gründung einer Stiftung für ostdeutsche Kulturarbeit nicht zuletzt auch dadurch motiviert, dass seine Kulturarbeit aus den emotionalen Auseinandersetzungen um die „Ostverträge“ herausgehalten werden sollte. Vielmehr sollten über eine attraktive und moderne wissenschaftliche Kulturarbeit Angebote für weiteste Teile der deutschen Öffentlichkeit geschaffen werden.
Am 12. Juni 1974 wurde die Satzung der Stiftung errichtet. Die Genehmigung durch die Bezirksregierung Stuttgart erfolgte am 27. Juni 1974 nach der Zusage des Vereins zur Förderung der Ziele des Bundes der Vertriebenen e.V., mittels jährlicher Zuschüsse den Betrieb einer Geschäftsstelle in Bonn zu ermöglichen.
Aufbaujahre der Kulturstiftung 1975 bis 1989
Die Arbeit der ersten Jahre der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen hatte mit Dokumentationen und Veranstaltungen zum staats- und völkerrechtlichen Status der DDR und der Ostgebiete einen sehr deutlichen Schwerpunkt.
Gleichwohl drängte der damalige BdV-Präsident Dr. Czaja stets darauf, den Kontakt zu Historikern und Vertretern anderer Geisteswissenschaften stärker auszubauen. Es galt, die Arbeit künftig auch auf die Bereiche der Geschichte, der Literaturgeschichte und der Kunstgeschichte ausweiten.
Durch diese Erweiterung des eigenen Betätigungsfeldes öffnete sich die Kulturstiftung noch mehr als früher auch den Teilen der deutschen Bevölkerung, die von Flucht und Vertreibung nicht unmittelbar betroffen waren. Von Anfang an war die öffentlich geförderte Vertriebenenkulturarbeit an alle Deutschen adressiert.
In dieser Hinsicht war die Herausgabe des bereits 1965 unter der Ägide des Bundes der Vertriebenen gegründeten Periodikums „Ostdeutsche Gedenktage“, welches ab 1982 redaktionell von der Kulturstiftung verantwortet wurde, ein erster und bezeichnender Meilenstein. Die „Ostdeutschen Gedenktage“, in welchen über Jahrestage bedeutender Personen und historischer Ereignisse berichtet wird, etablierten sich sehr schnell als „Aushängeschild“ für die Arbeit der Kulturstiftung. Sie boten und bieten Kurzbiographien, Werk- und Literaturverzeichnisse von Persönlichkeiten, die aus den historischen deutschen Ost- und Siedlungsgebieten stammten oder dort ihre Wirkungsstätte hatten und deren Namen Bestandteil ostdeutscher Geschichte geworden sind. Sie werden viel und gern genutzt, etwa von Redaktionen nicht nur der Vertriebenenpresse und für die landsmannschaftliche Gruppenarbeit .
Die Geschäftsstelle in Bonn wies 1982 bereits einen wissenschaftlichen Leiter, einen germanistisch-historischen Mitarbeiter sowie einen Sachbearbeiter und eine Sekretärin auf, ebenso eine Kraft für die Buchhaltung.
Anerkanntes wissenschaftliches Institut: 1990 – 1998
Den Aufbaujahren folgte eine als Blütezeit zu bezeichnende Phase von rund einem Jahrzehnt. In dieser Zeit wurden staatlicherseits durch die Bundesregierung, Bundesländer (Bayern und Baden-Württemberg) und „vertriebeneneigene“ Institutionen namhafte Summen jährlich institutionell sowie als Projektmittel zur Verfügung gestellt. Seitens des Bundes war die erhöhte Kulturförderung gewiss auch als Geste des Ausgleichs gegenüber den Vertriebenen angesichts der mit den östlichen Nachbarn vereinbarten Grenzbestätigung zu verstehen. Dass die Mittel der Kulturstiftung zugewandt wurden, sprach für ein solides Vertrauen in die bis dahin seit 15 Jahren geleistete Arbeit.
Die personelle Ausstattung der Geschäftsstelle konnte um je einen Referenten für Zeitgeschichte und Politische Wissenschaften, für Öffentlichkeitsarbeit und Kunstgeschichte, für Lektorat und Periodika erweitert werden. Damit konnte die Kulturstiftung als veritables Institut mit sechs hauptamtlichen wissenschaftlichen Mitarbeitern sowie einem Stab von acht Mitarbeitern im Verwaltungsbereich und im Innendienst gelten.
Für die institutionelle Förderung gab es gute Gründe. Nach 1990 galt es, die eben abgeschlossenen Verträge der Freundschaft und guten Nachbarschaft mit Leben zu erfüllen. Es galt, den jetzt in den historischen deutschen Gebieten lebenden Polen, Tschechen und anderen Bewohnern, aber auch den in der Heimat verbliebenen Deutschen den Teil der Geschichte und Kultur dieser Länder nahezubringen, der ihnen bislang immer vorenthalten wurde. Und hier konnte die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen einen Kompetenz-, Wissens- und Erfahrungsschatz einbringen, den 1990 kaum ein anderes wissenschaftliches Institut vorweisen konnte.
Die Kulturstiftung zog nicht mit großem Propagandaaufwand aufdringlich in die Heimatgebiete der deutschen Vertriebenen, vielmehr waren es zunächst die Menschen von dort, die Wissenschaftler, die Studenten und andere Interessierte, die zur Kulturstiftung nach Stuttgart und Bonn sowie zu ihren Veranstaltungen in die Bundesrepublik Deutschland kamen. Etwas später führte man dann darüber hinaus mit Selbstorganisationen der deutschen Minderheit in der Republik Polen partnerschaftlich gemeinsame Maßnahmen durch. Die seit 1974 geleistete Aufbauarbeit der Kulturstiftung trug nun reiche Frucht!
Die bisherigen wissenschaftlichen Aktivitäten der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen auf dem Feld des Minderheitenrechts kamen genau richtig zur europäischen Zeitenwende 1989/90. Neben wissenschaftlichen Grundlagenwerken zum Minderheitenrecht allgemein erschienen in der Reihe „Der Minderheitenschutz im östlichen Europa“ aktuelle Untersuchungen zur Lage des Minderheitenschutzes in den einzelnen Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropa und schufen in dieser zum Teil sehr spannungsgeladenen Thematik eine Grundlage für einen breiten wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Dialog über minderheitenrechtliche Fragen.
Einen weiteren Schwerpunkt der Kulturstiftung bildete die Beschäftigung mit dem Recht nationaler Minderheiten in Bezug auf die in der angestammten Heimat verbliebenen Landsleute. Angesichts der Tatsache, dass dieses damals noch absolutes rechtswissenschaftliches Neuland war, kann man hier mit Fug und Recht von einer Pionierleistung sprechen! Die heute gültigen Übereinkommen des Europarates – das sind das „Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten“ sowie die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ – wurden erst in den 1990er Jahren erarbeitet.
Durch die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen wurden so bedeutende Vorarbeiten für ein europäisches Minderheitenrecht geleistet .
Besondere Beachtung verdienen neben den juristisch bzw. politisch ausgerichteten Fachtagungen der Studiengruppe für Politik- und Völkerrecht auch die historischen und literarischen Fachtagungen.
Neben den meist aus ihnen und eigenen Forschungsprojekten resultierenden Bänden der Reihe „Historische Forschungen und der Reihe „Kunsthistorische Arbeiten“ setzte insbesondere die Reihe „Literarische Landschaften“, deren erster Teil 1996 Ostpreußen und der zweite Teil 1997 Schlesien gewidmet war, Maßstäbe, die in Besprechungen der Presse und in wissenschaftlichen Zeitschriften oftmals sehr positiv hervorgehoben wurden.
Die Publikationen und Aktivitäten der Kulturstiftung wurde nicht allein im Rahmen der landsmannschaftlichen Treffen, sondern auch regelmäßig auf der Frankfurter und Leipziger Buchmesse vorgestellt.
Krisenjahre der Stiftung: 1998 – 2000
Im Rahmen eines Forschungskolloquiums diskutierten 1998 die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung sowie eine Reihe weiterer Experten „Aktualität und Perspektive wissenschaftlicher Forschung im Rahmen des § 96 BVFG“, sowohl für den geistes- wie den rechts-wissenschaftlichen Bereich, und zeigten dabei zahlreiche Forschungsdesiderate bzw. Aufgabenstellungen für die Kulturstiftung auf. Diese Tagung stand indes bereits unter dem Zeichen von Mittelkürzungen seitens des Bundes, sank doch der Etat der Stiftung im Haushaltsjahr 1998 von knapp 2 Millionen DM um 25 Prozent auf 1,5 Millionen DM. Schien es zunächst, dass diese Einschnitte durch vermehrten Arbeitseinsatz der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der Kulturstiftung aufgefangen werden könnten, so war der Schock umso größer, als trotz der Fürsprache zahlreicher Politiker, international angesehener Wissenschaftler und auch vieler Presseorgane, die nicht den Vertriebenen zugerechnet werden konnten, die neugewählte Bundesregierung 1999 ankündigte, ihre institutionelle Förderung zur Gänze einzustellen und die projektbezogene Unterstützung erheblich zu reduzieren.
Hintergrund war eine zum Zweck der Modernisierung, Professionalisierung und verstärkten grenzübergreifenden Verständigung entwickelte Neukonzeption der Kulturförderung des Bundes auf der Grundlage § 96 BVFG, in der es für die Kulturstiftung ebenso wie u.a. für die Stiftung Ostdeutscher Kulturrat keinen Platz mehr zu geben schien.
Durch Verhandlungen des Bundes der Vertriebenen konnte immerhin noch eine weitere institutionelle Förderung bis zur Jahresmitte 2000 ausgehandelt werden.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt jedoch war die Kündigung sämtlicher 15 Mitarbeiter unumgänglich. Tragisch waren die unverschuldeten finanziellen Schwierigkeiten vor dem Hintergrund des 25-jährigen Jubiläums der Gründung der Kulturstiftung, das im Sommer 1999 mit einem Festakt begangen wurde, und besonders deswegen, da dieses Jahr 1999 als eines der erfolgreichsten in der Geschichte der Einrichtung gewertet werden kann. Es spricht für den intern vorherrschenden Geist der Kulturstiftung, dass ausgerechnet in diesem „annus horribilis“ so viele Fachtagungen und Symposien durchgeführt worden sind wie nie zuvor.
Konsolidierung und Neuanfang: 2001- 2018
Dass die Kulturstiftung ihre Arbeit wenn auch mit denkbar kleiner Mannschaft von Geschäftsführer bzw. wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Ernst Gierlich, einer Projektkraft und einem Verwaltungsmitarbeiter fortzuführen vermochte, war neben herausragendem ehrenamtlichem Engagement dies aus finanzieller Sicht in besonderer Weise der zwischenzeitlichen Aufstockung der institutionellen Förderung durch die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern zu verdanken. Auch der Bund der Vertriebenen, die Landsmannschaft Ostpreußen, die Landesverbände des BdV Nordrhein-Westfalen und Thüringen trugen im Jahr 2000 mehrere zehntausend DM zum Etat der Stiftung bei. Später konnte auch das Land Hessen für eine institutionelle Förderung gewonnen werden. Hinzu kamen Projektförderungen der Länder sowie des Bundesministeriums des Innern und später des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Wer geglaubt hatte, mit der Beendigung der institutionellen Förderung durch die Bundesregierung würde die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen ihre Aktivitäten einstellen, musste dieses sehr bald als Irrtum erkennen. Zwar ging nach der Jahrtausendwende die Anzahl der Fachtagungen und Buchveröffentlichungen zunächst stark zurück, doch führte die Kulturstiftung insgesamt zahlreiche, vielbeachtete wissenschaftliche Tagungen durch, deren Ergebnisse durch solide redigierte Publikationen einen breiten Adressatenkreis erreichten. Hinzu kamen Präsentationen und Vorträge für eine breite Öffentlichkeit. Dass dabei auch Partnerorganisationen aus dem östlichen Europa einbezogen werden sollten, war für die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen stets eine Selbstverständlichkeit.
Zieht man in Betracht, dass binnen dreier Jahre der Etat der Kulturstiftung um fast 90 Prozent abgesenkt werden musste, überwiegt die damit immer noch erbrachte Leistung bei weitem das Gefühl des Niedergangs. Fachtagungen zum Staats- und Völkerrecht, die 2002 den fortwährend wichtigen Aspekt „Minderheitenschutz und Demokratie“ behandelten, und international besetzte zeithistorische, literarische und kunsthistorische Seminare zeugen von der Vitalität der Kulturstiftung und dem Interesse an den behandelten Themenfeldern. Die internationale Zusammenarbeit dokumentieren drei Bände zum Thema „Kulturtransfer Polen-Deutschland. Wechselbeziehungen in Sprache, Kultur und Gesellschaft“, an denen Wissenschaftler aus beiden Ländern mitwirkten.
Mit der 2012 in Betrieb genommen Internetplattform „Kulturportal West-Ost“ erschloss sich die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen neue Interessentenkreise, die ansonsten wohl unerreichbar geblieben wären. Die Wichtigkeit eines derartigen Angebots kann gar nicht überschätzt werden. Hat heute ein Schüler ein mündliches Referat oder eine schriftliche Hausarbeit zu erstellen, verbringt er keine oder nur noch sehr wenig Zeit in einer klassischen Bibliothek mit Büchern und Zeitschriften. Für ihn heißt es nur allzu oft: Was nicht im Internet ist, ist auch nicht in der Welt. Auf dem neuen „Kulturportal West-Ost“ bekam er fortan solide ermittelte und aufbereitete Informationen, etwa Kurzbiographien deutscher Persönlichkeiten im östlichen Europa.
Wendepunkt 2016
Vereinbarung des Koalitionsvertrages bezüglich § 96 BVFG
In ihrem Koalitionsvertrag vom April 2018 bekannte sich die derzeitige Bundesregierung zu ihrer „besonderen Verpflichtung gegenüber den Deutschen in Mittelosteuropa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die als Aussiedler und Spätaussiedler zu uns kamen oder als deutsche Minderheiten in den Herkunftsgebieten leben. Wir wollen die nationalen Minderheiten in Deutschland und die deutschen Minderheiten in Dänemark, in Mittelost- und Südosteuropa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion weiter fördern. Wir wollen die Maßnahmen zum Erhalt des kulturellen Erbes der Heimatvertriebenen, der Aussiedler und der deutschen Minderheiten unter ihrer Einbeziehung – gegebenenfalls auch strukturell – weiterentwickeln. … Das kulturelle Erbe der Deutschen in Mittel- und Osteuropa und das Kulturgut der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler sind wichtige Bestandteile der kulturellen Identität Deutschlands. Wir wollen die im Sinne des § 96 des Bundesvertriebenengesetzes tätigen Einrichtungen gemeinsam mit den Heimatvertriebenen, Aussiedlern und deutschen Minderheiten als Träger dieses Erbes sowie im Sinne der europäischen Verständigung für die Zukunft ertüchtigen und die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen stärken.“
Die Bundesregierung stellte sich damit ausdrücklich hinter die Ziele, die im Jahre 2016 unter den Stichworten „Erinnerung bewahren – Brücken bauen – Zukunft gestalten“ in der Weiterentwicklung der Konzeption zur Erforschung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa nach § 96 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) festgelegt wurden. Dort erfolgte eine Würdigung der „über Jahrzehnte und bis heute erfolgreiche(n) Arbeit der Landsmannschaften und Vertriebenenverbände, die das kulturelle Erbe sowie das Gedenken und die Erinnerung an Flucht und Vertreibung aufrechterhalten und immer wieder durch bürgerschaftliches Engagement Brücken in ihre Herkunftsregionen bauen – Aufgaben, die zunehmend von der nachwachsenden Generation übernommen werden und damit in die Zukunft gerichtet sind.“
Zur Umsetzung der Vereinbarung des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD betrieb die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen im Jahr 2019, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Projekt: „Durchführung eines Arbeitsprogramms der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen im Jahre 2019 mit dem Ziel der Entwicklung eines Förderkonzepts mit dem Schwerpunkt der eigenständigen Kulturarbeit der deutschen Heimatvertriebenen“
Um das genannte Ziel zu erreichen, richtete die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, inhaltlich im Vorfeld mit der BKM abgestimmt, im Jahr 2019 unter der Leitung von Thomas Konhäuser insgesamt sechs Veranstaltungen aus und ein Abschlussbericht wurde der BKM und politischen Entscheidungsträgern zugeleitet.
Abschlussbericht und Tagungsberichte der Veranstaltungen sind auf dem Internetportal der Kulturstiftung abrufbar.
Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages stellte im November 2019 für das Jahr 2020 finanzielle Fördermittel mit Verpflichtungserklärung bis einschließlich 2024 für die Kulturstiftung zur Stärkung der Kulturarbeit der deutschen Vertriebenen bereit.
Zur Umsetzung setzte die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen verschiedene inhaltliche Schwerpunkte– einhergehend mit einer strukturellen Neuausrichtung, die mit einem Zuwachs an Personal verbunden ist.
Bereits im Vorfeld des Beschlusses des Deutschen Bundestages bestand mit der BKM Einigkeit über mögliche Schwerpunkte der Arbeit der Kulturstiftung, die nicht zu Doppelungen mit anderen Förderungen der BKM führen werden.
Strukturelle und inhaltliche Neuausrichtung der Kulturstiftung
Der strukturellen und inhaltlichen Neuausrichtung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen liegt insgesamt der Gedanke zugrunde, eine Plattform zur Stärkung des Informationsaustausches und der gegenseitigen Vernetzung der wissenschaftlichen Forschung und der Einrichtungen der eigenständigen Kulturarbeit nach § 96 BVFG untereinander, aber auch mit den deutschen Minderheiten und wissenschaftlichen Einrichtungen im östlichen Europa zu bieten und damit das Bewusstsein des deutschen Kulturerbes im östlichen Europa insgesamt, insbesondere auch bei der jungen Generation, zu befördern.
Im Zentrum der strukturellen und inhaltlichen Neuausrichtung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen und damit einhergehend der Stärkung der Kulturarbeit der deutschen Vertriebenen steht zum einen die Intensivierung von deren wissenschaftlicher Arbeit in den Themenfeldern Staats- und Völkerrecht/ Geschichte/ Zeitgeschichte, daneben Kunstgeschichte und Literaturgeschichte sowie der grenzüberschreitende Austausch und die Vernetzung mit wissenschaftlichen Einrichtungen im östlichen Europa und dabei insbesondere zur Kultur- und Wissenschaftsszene der deutschen Minderheiten. Weiterhin zielt sie auf eine wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit, auf die Beförderung der Projektarbeit anderer Einrichtungen der eigenständigen Kulturarbeit der Heimatvertriebenen, die fachliche Beratung bei der Themenfindung für eigene Maßnahmen, Assistenz und Beratung bei Förderanträgen sowie auf die Unterstützung der vielfach bedrohten Heimatsammlungen der Vertriebenen.
Trotz Corona-Pandemie ist es im Jahr 2020 gelungen, die Neuausrichtung entscheidend voranzubringen. So konnte für sieben neu zu besetzende Stellen hoch qualifiziertes Personal gefunden werden, Begegnungstagungen, Workshops und wiss. Fachtagungen in Präsenz, Online oder als Hybridveranstaltung durchgeführt, Ausstellungen gezeigt, ein Newsletter erarbeitet, und Publikationen herausgegeben werden. Zudem verfügt die Kulturstiftung seit Juni 2020 neben der Geschäftsstelle in Bonn, ein Büro in der Bundeshauptstadt Berlin. Ebenfalls konnte ein Netzwerk für junge Nachwuchswissenschaftler und ein gemeinsames Netzwerk der Jugendorganisationen der Landmannschaften und der Jugendorganisationen der deutschen Minderheiten auf den Weg gebracht werden.
Auch wurde der Digitalisierung Rechnung getragen, um eine breite Öffentlichkeit anzusprechen. So verfügt die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen seit Ende 2020 über eine rundum erneuerte, zeitgemäß gestaltete Internetseite und teil Inhalte über Facebook, Instagram, Twitter und YouTube.
Ebenfalls ist seit Ende 2020 die Internetseite zum vom Land NRW geförderten Projekt „Virtuelle Heimatsammlungen“ freigeschalten. Hierbei geht es um die digitale Erfassung und die virtuelle Präsentation der Exponate, also der sächlichen Objekte ausgewählter Heimatsammlungen. Die Exponate werden hierzu fotografisch aufgenommen und sind dann samt einer Beschreibung und weiteren Informationen im Internet in Form eben einer „virtuellen Heimatsammlung“ verfügbar.
Im Jahr 2021 wurde analog das Projekt „Virtuelle Heimatsammlungen in Hessen“ begonnen und wird 2022 fortgeführt.
Ausblick
Seit 2020 liegt der strukturellen und inhaltlichen Neuausrichtung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen der Gedanke zugrunde, eine lebendige Plattform zur Stärkung des Informationsaustauschs und der gegenseitigen Vernetzung der Einrichtungen der eigenständigen Kulturarbeit nach § 96 BVFG untereinander sowie und mit allen weiteren in diesem Bereich tätigen Akteuren und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, aber auch mit den deutschen Minderheiten und wissenschaftlichen Einrichtungen im östlichen Europa, zu bieten. Weiterhin zielt sie in den kommenden Jahren auf die Beförderung einer wirkungsvollen Öffentlichkeitsarbeit in der Kulturarbeit, der Projektarbeit, der fachlichen Beratung bei der Themenfindung für eigene Maßnahmen und der Assistenz und Beratung bei Förderanträgen der Einrichtungen der eigenständigen Kulturarbeit sowie auf die Unterstützung der vielfach bedrohten Heimatsammlungen der deutschen Vertriebenen. Damit will die Kulturstiftung als überregionale Kulturstiftung der Heimatvertriebenen ihren Beitrag dazu leisten, die eigenständige Kulturarbeit zu ertüchtigen und das Bewusstsein des deutschen Kulturerbes im östlichen Europa insgesamt, insbesondere auch bei der jungen Generation, zu befördern.
Das historische ostdeutsche Kulturerbe zu pflegen, sich dieses Erbes als eines wesentlichen Bestandteils der eigenen kulturellen Identität zu vergewissern, kann auch als wesentliche Voraussetzung für ein Gelingen des Dialogs der Deutschen mit den europäischen Nachbarn gelten. Nicht zuletzt hierin besteht die besondere Bedeutung der Arbeit der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen. Mit finanzieller Förderung, insbesondere durch Bund und Länder, kann diese Arbeit in der Gegenwart effektiv gestaltet und für die Zukunft gesichert werden.
Die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen dankt in diesem Zusammenhang dem entgegengebrachten Vertrauen des Deutschen Bundestages, der für die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Stärkung der Kulturstiftung finanzielle Fördermittel bis 2024 bereitgestellt hat und der BKM als ausführende Behörde für die gute Zusammenarbeit, den Förderländern Baden-Württemberg, Hessen und Bayern, allen weiteren Ländern für projektbezogene Förderungen, dem Kreis der „Freunde und Förderer der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen“ sowie allen weiteren Unterstützern und Kooperationspartnern im In- und Ausland.
Eine Broschüre zum 40.ten Jahrestag der Kulturstiftung finden Sie hier.