Biographie

Laserstein, Lotte

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Malerin
* 28. November 1898 in Preußisch Holland
† 21. Januar 1993 in Kalmar/ Schweden

Vom 07.11.2003 bis 01.02.2004 hatte DAS VERBORGENE MUSEUM Berlin in den Räumen des Ephraim Palais, Berlin, als erste eigenständige Ausstellung in Deutschland nach dem Krieg die Ausstellung ‚Lotte Laserstein – Meine einzige Wirklichkeit‘ gezeigt. Das war schon eine kleine Sensation.

Dann fand 2018/2019 im Städel-Museum, Frankfurt/ Main, die Ausstellung statt ‚Lotte Laserstein – Von Angesicht zu Angesicht‘. Die Ausstellung wurde dann im Frühling/ Sommer 2019 unter demselben Titel und mit Porträts, Landschaftsbildern, Spätwerken und Bildern aus ihrem künstlerischen Umfeld der 1920/30er Jahre erweitert auch in der Berlinischen Galerie, Berlin, sowie zum Jahreswechsel 2019/2020 in der Kunsthalle Kiel gezeigt.

Auch wenn diesen Ausstellungen kleinere internationale Präsentationen vorangegangen waren, wurde nunmehr klar, jahrzehntelang wurde nach dem Krieg eine große Berliner Malerin der Zwanziger einfach vergessen. Das war mit vielen Künstlern geschehen, die von den Nazis unter dem Verdikt „Entartete Kunst“ entsorgt worden waren. Aber die männlichen Künstler wurden dann nach dem Ende des Terrorregime doch schon wieder schneller der Vergessenheit entrissen, wenn es auch z.B. mit den Brücke-Künstlern etwa 10 Jahre dauerte, bis sie dann auf der ersten Dokumenta 1955 in Kassel gezeigt wurden.

In der Liste der 148 teilnehmenden Künstler wurden unter den wenigen Frauen Paula Modersohn-Becker und Gabriele Münter genannt, noch nicht mal Käthe Kollwitz, auch nicht Lotte Laserstein. Sie gilt mittlerweile als bedeutendste Vertreterin der Gegenständlichen Malerei der Weimarer Republik, der sogenannten „Neuen Sachlichkeit“.

Lotte Laserstein wurde am  28. November 1898 in Preußisch Holland im ostpreußischen Oberland geboren. Sie war die Tochter des Apothekers Hugo Laserstein und dessen Frau Meta. Nach dem frühen Tod des Vaters zog Meta Laserstein mit ihren beiden Töchtern zu ihrer Mutter Ida und deren alleinstehenden Schwester Elisabeth Birnbaum nach Danzig.

Birnbaum betrieb eine private Malschule, so dass Lotte Laserstein früh im Fach Malerei unterrichtet wurde. 1912 zog die Familie von Danzig nach Berlin. Lotte Laserstein absolvierte ihr Abitur an der Chamisso-Schule in Berlin-Schöneberg, einer höheren Mädchenschule, wo die Möglichkeit bestand, die Hoch­schulreife zu erwerben. Frauen hatten in Deutschland erst ab 1919 die Erlaubnis erhalten, an einer Akademie zu studieren.

Als Meisterschülerin von Erich Wolfsfeld spezialisierte sie sich auf die Porträtmalerei. Als eine der ersten Absolventinnen der Hochschule für die Bildenden Künste schloss sie ihr Studium der Malerei im Zeitraum von 1921 bis 1927 mit Auszeichnungen ab. Ihre – meist – Portraitbilder zählen zur Neuen Sachlichkeit, dem wesentlichen Malstil der zwanziger Jahre, zeitkritisch wie George Grosz oder Otto Dix.

1927 bezieht Laserstein ihr erstes eigenes Atelier in der Friedrichsruher Str. 33a, Berlin‑Schmargendorf, in dem sie auch eine private Malschule einrichtet. Dann 1930 Umzug in die Nachodstr. 15 in Berlin‑Wilmersdorf. Um diese Zeit findet ein Stilwechsel statt. Laserstein gibt den konturbetont flächigen Stil zugunsten eines locker gelösten Duktus auf. 1925 hatte sie ihre langjährige Freundin Traute Rose kennengelernt, die sie in zahlreichen Bildern porträtierte. Darunter waren auch weibliche Akte, was Laserstein zu einer der ersten Malerinnen macht, die sich dieses Sujets annahmen, da bis zur Weimarer Republik den Frauen verboten war, Akte zu malen. Käthe Kollwitz konnte dem privat entgehen, indem sie aus der Arztpraxis ihres Mannes manchmal Akte „entlieh“.

Als die Nazis an die Macht kommen, muss Laserstein 1935 ihre private Malschule schließen, sie wurde zur „Dreivierteljüdin“ erklärt, da ihre Mutter Meta Jüdin war. Sie hatte diese Schule betrieben, um Kunststudentinnen auf das Akademiestudium vorzubereiten. Sie nimmt eine Tätigkeit als Kunstlehrerin an der jüdischen Privatschule von Helene Zickel an. Umzug in die Jenaer Straße 3, nahe Prager Platz. Hier ist seit kurzem eine KPM-Gedenktafel angebracht, nach wie vor eine der wenigen, die weiblichen Persönlichkeiten gedenkt.

Schätzungsweise 10.000 Arbeiten umfasst das Gesamtwerk Lotte Lasersteins. Darunter sind für die Berliner Jahre etwa 300 Gemälde und 100 Zeichnungen nachgewiesen.

Verbunden mit einer Ausstellung ihrer Werke in der Stockholmer Galerie Moderne nutzte sie die Gelegenheit, Deutschland mit dem Großteil ihrer Bilder zu verlassen. Im Dezember 1937 emigrierte Laserstein nach Schweden. Um die schwedische Staatsbürgerschaft zu erhalten, ging sie 1938 eine Scheinehe ein. Die getaufte und assimilierte Jüdin lebte seitdem überwiegend von Auftragsporträts. Sie malte bis zu ihrem Tod Porträts und Landschaften.

Während des Zweiten Weltkriegs bemühte Laserstein sich vergeblich, auch ihre Mutter sowie ihre Schwester Käthe und deren Lebensgefährtin Rose Ollendorf nach Schweden zu retten. Die Mutter wurde 1943 im KZ Ravensbrück ermordet. Der Schwester gelang es im August 1946 zu ihr nach Schweden zu kommen.

Den Durchbruch zur allmählichen internationalen künstlerischen Anerkennung hatte erst eine Reihe von Ausstellungen, die in der Royal Academy of Arts (London) unter dem Titel ‚German Art in the 20th Century‘ im Herbst 1985 begann. Die Schau war dann im Frühling 1986 auch in der Staatsgalerie Stuttgart zu sehen.

Eine Wanderausstellung über deutsche emigrierte Künstler wurde 1986 unter anderem in London und Berlin gezeigt. Die Londoner Hayward Gallery zeigte im gleichen Jahr unter dem Titel ‚Dreams of a Summer Night‘ Künstler aus Skandinavien, bevor 1987 eine Einzelausstellung zu Lasersteins Werken von den beiden Londoner Galerien Agnews und The Belgrave gemeinsam gezeigt wurde, bei der die betagte Malerin mit Traute Rose, die sie immer wieder portraitiert hatte, zugegen war.

Diese Ausstellung erst leitete die allmähliche „Wiederentdeckung“ Lotte Lasersteins ein. Noch mit 92 Jahren war Lotte Laserstein künstlerisch tätig. Sie starb 1993 im schwedischen Kalmar kurz vor ihrem fünfundneunzigsten Geburtstag.

Bild: Lotte Laserstein bei der Arbeit an ihrem Gemälde „Abend über Potsdam“. Fotografie von Wanda von Debschitz-Kunowski, um 1930, gemeinfrei.

Jenny Schon