Biographie

Hensel, Walther

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Musikpädagoge, Germanist
* 8. September 1887 in Mährisch-Trübau
† 5. September 1956 in München

Volksliedforschung, Jugendmusikbewegung und Finkensteiner Singwochen, bei diesen drei Stichworten wird sicher der Name Walther Hensels in den Sinn kommen, der– neben Fritz Jode – einer der wichtigsten Anreger und Mitgestalter der Jugendmusikbewegung war und dessen Geburtstag sich 1987 zum 100. Male jährt. Während sein Werk in den zahlreichen Weisen und Sätzen von Volksliedern noch heute lebendig ist, ist der Lebenslauf des Musikpädagogen und Volksliedforschers Mensel eher unbekannt. Walther Hensel (eigentlicher Name: Julius Janiczek) wurde am 8.9.1887 in Mährisch-Trübau geboren. Er stammt aus einer deutsch-mährischen Familie: Sein Vater, von Beruf Seidenweber, betätigte sich auch als Musiker. Seine volksliedkundige Mutter brachte ihm früh die Musik nahe. Die Anregung zum Sammeln von Volksliedern erhielt Walther Hensel durch seinen Gymnasiallehrer Prof. Spina.

Zum Studium der Alt- und Neuphilologie und des Tonsatzes ging Hensel nach Wien, Freiburg (Schweiz) und Prag. Er promovierte zum Dr. phil. mit der Arbeit:„Der Vokalismus der Mundarten inder Schönhengster Sprachinsel“ (Freiburg/Schweiz 1911) und wurde Assistent von P. Lessiak am Germanistischen Seminar der Deutschen Universität in Prag. Im selben Jahr war er Mitbegründer des deutsch-böhmischen, mährisch-schlesischen „Wandervogels“. 1912 arbeitete er an Volksliedaufzeichnungen in Karaten. Nach seinem Lehramtsexamen wirkte er sieben Jahre als Lehrer an der Prager deutschen Handels-Akademie; in dieser Zeit legte er zusätzlich die Lehramtsprüfung in Gesang ab. Er wurde musischer Betreuer der Volksbildungswochen im ganzen Land, nachdem er als Gauwart des deutsch-böhmischen „Wandervogels“ zwischen 1916 und 1918 Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt hatte. 1923 führte er, zusammen mit seiner Frau, der Sängerin Olga Pokorny, die erste Singwoche in der Schönhengster Waldsiedlung Finkenstein durch. Sie wurde das Vorbild für eine Singbewegung (institutionalisiert im „Finkensteiner Bund“), die sich von Mähren und Schlesien über ganz Deutschland bis ins Ausland hinein ausbreitete.

1925 wurde Hensel Jugendmusikpfleger und Leiter der Jugendmusikschule am Städtischen Konservatorium in Dortmund; außerdem Mitglied des Volkslied-Ausschusses für das deutsche Volkslied in der Tschechoslowakei. Mit dem staatlichen Auftrag zur Erforschung des deutsch-slawischen Volksliedes im böhmisch-mährischen Raum kehrte er 1938 in seine Heimat zurück. 1941 verlieh ihm die Deutsche Universität in Prag den Eichendorff-Preis. Nach dem 2. Weltkrieg verschlug es ihn nach Bayern, wo er in München eine Stelle als wissenschaftlicher Berater des Volkslied-Archivs der städtischen Musikbücherei annahm. Kurz vor seinem Tode ehrte ihn die Sudetendeutsche Landsmannschaft mit ihrem Kulturpreis. Am 5. September 1956 starb Walther Hensel im Alter von 68 Jahren.

In einer Gegenbewegung zu dem seit Ende des 19. Jahrhunderts herrschenden„Musikbetrieb“ forderte die Jugendmusikbewegung eine Erneuerung aus dem Singen als der ursprünglichen Form des Laienmusizierens. So galt auch Walther Hensels erfolgreiches Bemühen der Förderung des Gesanges und des Musizierens, die wieder allgemeines Kulturgut werden sollten.

In vierfacher Hinsicht kann die Bedeutung Walther Hensels beschrieben werden: Die Sammlung von Volksliedern, die er schon während seiner Schulzeit begann, bildete die Grundlage für seine spätere Tätigkeit, bei der er das übernommene oder wiederentdeckte Liedgut musikpädagogisch einsetzte. Seine musikalischen und germanistischen Studien machten ihn zu einem kritischen Vermittler des Volksliedes im Gegensatz zu Fritz Jode. Die Finkensteiner Singwochen, bei denen er Hunderte junger Musiker um sich sammelte und zu begeistern verstand, wurden in der Folgezeit zum Vorbild der musikalischen Jugend- und Erwachsenenbildung. Hensel regte während seiner Schulungswochen zur Gestaltung neuer Liedsätze nach dem Vorbild alter Mehrstimmigkeit an und veröffentlichte viele eigene Sätze in seinen Liedblättern und Chorbüchern. Durch den „Finkensteiner Bund“ war ein Rahmen für die umfangreiche Veröffentlichungsarbeit Hensels und seiner Mitarbeiter gegeben (zahlreiche Liederbücher und Zeitschriften, in denen auch Artikel zu volkskundlichen und musikerzieherischen Fragen erschienen). Der Bärenreiter-Verlag ist aus dieser Arbeit hervorgegangen. Walther Hensel hat durch diese vielfältigen Anregungen einen entscheidenden Einfluß auf die Bedeutung der Jugendmusikbewegung und auf die von ihr ausgehenden Wirkungen auf das deutsche Musikleben insgesamt ausgeübt.

Lit.: Die Dtsche. Jugendmusikbewegung, In Dokumenten ihrer Zeit von den Anfängen bis 1933, hrsg. vom Archiv der Jugendmusikbewegung e.V. Hamburg, Wolfenbüttel 1980; Musik in Gesch. u. Gegenwart, Allgem. Enzykl. der Musik, hrsg. von Friedrich Blume, Bd. 6, Kassel/Basel/London 1957, Sp. 166-168; Riemann Musiklexikon, hrsg. v. W. Gurlitt, Bd. l, 12. völlig neu bearb. Aufl. in 3 Bänden, Mainz 1959, S. 770.