Biographie

Moscheles, Ignaz

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Pianist, Komponist, Dirigent
* 30. Mai 1794 in Prag
† 10. März 1870 in Leipzig

Moscheles war in seiner Zeit ein weithin berühmter und geschätzterVirtuose, ein technisch wie musikalisch hervorragender Pianist und als Interpret der klassischen Musikliteratur zugleich erfolgreicher Vermittler seiner eigenen Kompositionen. Er kam, als er 1816 seine Reisetätigkeit begann, aus der Wiener Schule, nachdem er am Prager Konservatorium seine Grundausbildung erhalten und schon als 14jähriger sein erstes öffentliches Konzert absolviert hatte. Mit einer eigenen Komposition, dem Alexandermarsch (op. 32), einer „stürmischen Variationsreihe, die alle seine pianistischen Tricks zur Geltung brachte“ (Schonberg), erregte er eine Sensation und brachte sich im Jahrzehnt 1820/1830 neben Hummel und Kalker in die erste Reihe hochgeschätzter und bewunderter Künstler. Dabei ist es noch lange geblieben, auch als mit Liszt und Chopin eine neue Generation hervortrat, die in Paris, dem Treffpunkt aller Klaviervirtuosen, das Musikleben revolutionierte. Der Beethoven- und Mozartverehrer Moscheles begegnete dieser Bewegung, auch in technischer Selbstbescheidung, zurückhaltend.

Seit 1821 hatte Moscheles seinen Wohnsitz in London, von wo aus er seine ausgedehnten Konzertreisen unternahm, zahlreiche Schüler unterrichtete und als Professor der Royal Academy of Music und Dirigent der Royal Philharmonie Society tätig war. Mit seiner anerkannten Autorität hat er dazu beigetragen, deutsche Kunst undKünstler in England heimisch zu machen. Er hat Weber und Mendelssohn die Wege geebnet, er war der Initiator einer Hilfsaktion, die Beethoven in seiner letzten Lebenszeit erreichte. Für Beethoven, der ihm in seinen Wiener Jahren noch selbst die Bearbeitung des Klavierauszuges des Fidelio anvertraut hatte, hat er sich immer wieder eingesetzt, 1832 mit der ersten englischen Aufführung derMissa solemnis, 1841 mit der Übersetzung von Schindlers Beethoven-Biographie ins Englische (Life of Beethoven, 2 Bde).

Moscheles hat sich 1840 aus dem öffentlichen Konzertieren zurückgezogen. Er fand eine neue Aufgabe, als ihn Mendelssohn, sein ehemaliger Schüler, 1846 an das von ihm gegründete Leipziger Konservatorium als Leiter der Klavierklasse berief. „Durch seine hervorragenden pädagogischen Fähigkeiten und seine gewinnende Persönlichkeit trug er entscheidend zum Aufbau des Konservatoriums bei“ (Riemann). Dies Amt hat er bis zu seinem Tode als 75jähriger in hohem Ansehen geführt.

Der Nachruhm des Virtuosen dauert nur kurze Zeit, er hängt letztlich von der Lebensdauer seiner Kompositionen ab. Moscheles hat 142 Opuszahlen veröffentlicht, Virtuosen- und Salonstücke, Kammermusik und als bedeutendste Schöpfung acht Klavierkonzerte mit Orchesterbegleitung, Rondos, Fantasien, Tänze, Märsche usw. Vieles war wohl schon zu seinen Lebzeiten überholt. Dennoch bescheinigt ihm der Nekrolog Eleganz der Erfindung und gediegene Durchführung seiner Kompositionen, mehr aber die höchstmögliche Vollendung seines virtuosen Spiels. Am Ende des 19. Jahrhunderts war das alles vergessen, nur einzelnes, wie sein Klavierkonzert g-moll, war noch länger als Lehrstück im Klavierunterricht gebräuchlich, bis auch das 1933 sein Ende fand.

Sollte bei den vielen Versuchen, die gegenwärtig mit verschollenen Werken älterer Komponisten bekannt machen, auch eine Wiederbegegnung mit Moscheles möglich sein, so träfe das jedenfalls einen Komponisten, der sich um die deutsche Musik verdient gemacht hat.

Lit: Aus Moscheles Leben. Nach Briefen und Tagebüchern herausgegeben von seiner Frau. 2 Bände Leipzig 1872 – 73. – Nekrolog: Neue Zeitschrift für Musik, Band 66 (1870), S. 146 – 147. – Harold C. Schonberg: Die großen Pianisten (1963). Deutsche Ausgabe List-Taschenbücher Nr. 385, München 1972. – Biographische Artikel in Bremer, Handlexikon der Musik, Reclam 1885. – Die Musik in Geschichte und Gegenwart (mit Werkverzeichnis). – Riemann Musiklexikon, 12. Auflage 1961. -Bennwitz, Interpretenlexikon der Instrumentalmusik. Bern 1964.

Bild: Nach einer Lithographie von Charles Baugniert, London 1846.