Biographie

Reusner (d. J.), Esaias

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Komponist
* 29. April 1636 in Löwenberg/Schlesien
† 1. Mai 1679 in Berlin

Als Sohn eines gleichnamigen Lautenisten zu Löwenberg in Schlesien geboren, wurde ihm das Lautenspiel gleichsam in die Wiege gelegt. Sein Vater stand um 1645 als Lautenist in den Diensten des Fürsten von Bernstadt. Der Knabe konzertierte bereits als Zehnjähriger 1646 in Danzig vor der polnischen Königin und wurde als Wunderkind bestaunt. Als Kammerdiener der Fürstin Radziwill wurde er von einem unbekannten französischen Musiker weiter ausgebildet. 1655 berief ihn Herzog Georg III. an seinen Hof nach Brieg, wo er auch noch unter Georgs Nachfolger, Herzog Christian, bis zu dessen Tode 1672 wirkte. Von den in diesen Jahren gedruckten Werken ragen die Delitiae Testudinis(1667), ein Jahr später unter dem Titel Erfreuliche Lautenlustveröffentlicht, hervor. Dieses für Laute solo komponierte Opus enthält 15 Suiten. Kaiser Leopold L, ein besonders musikliebender Herrscher des Hauses Habsburg, lud ihn an den Wiener Hof ein, wo er sehr erfolgreich konzertierte.

Nach dem Tode seines Fürsten 1672 aus dem Brieger Hofdienst entlassen, fand Reusner in Schlesien keine Arbeitsmöglichkeit mehr. Vorübergehend schlug er sich schlecht und recht in Leipzigdurch das Leben, gab Privatunterricht und spielte unter Leitung des Thomaskantors Sebastian Knüpfer die Theorbe (tiefgestimmte Laute). Ein Konzert am Berliner Hof fand 1673 so großen Anklang, daß ihn der Große Kurfürst im folgenden Jahr als Kammerlautenisten mit dem ansehnlichen Gehalt von 300 Reichstalern einstellte. In Berlin entstanden weitere bedeutende Kompositionen, die unter den TitelnHundert Geistliche Melodien Evangelischer Lieder (1676 und 1678) und Neue Lauten-Früchte(1676) mit 13 Suiten und einer Passacaglia in Berlin veröffentlicht und z. T. später in anderen Städten nachgedruckt wurden. Dem neuen Schaffensimpuls setzte der Tod des von Statur kleinen, gesundheitlich bereits angegriffenen Musikers am 1. Mai 1679 ein jähes Ende.

In dem „gebrochenen“ Lautenstil seiner Suiten folgt Reusner, wie alle europäischen Lautenisten des 17. Jahrhunderts, dem Vorbild der führenden französischen Musiker, vor allem Jacques und Denis Gaultier. Diese Spielmanier ist instrumentengerecht und gestattet die Darstellung einer mitunter sogar recht dichten Polyphonie mit den gegenüber der Orgel und dem Cembalo begrenzten Mitteln der Laute. Überlegen ist die Laute jedoch den Tasteninstrumenten der Zeit hinsichtlich ihrer Fähigkeit, den Ton diffizil zu nuancieren und die Dynamik stufenlos vom pp bis zum ff zu schattieren.

Reusner gilt als der erste bedeutende deutsche Meister der Lautensuite. Er gliedert seine Zyklen relativ locker, verzichtet aber nicht auf die vier traditionellen deutschen Stammsätze Allemande-Courante-Sarabande-Gigue, die er mitunter verdoppelt. Seine Kunst stellt hohe Ansprüche und wendet sich an den gebildeten Kenner, nicht an den dilettierenden Liebhaber der Musik. Sein Personalstil ist durch Würde, Ernst und eine bemerkenswerte Tiefe der oft melancholisch verschatteten Empfindung gekennzeichnet. Alle seine Stücke zeichnen sich durch hohe künstlerische Disziplin sowie eine sorgfältige und vielseitige Gestaltung aus. Fern allem Spielerischen, oberflächlich Glänzenden stellt Reusner immer die Elaboratio über die Inventio. Und dennoch vermag er in jedem seiner Werke etwas Besonderes, mitunter sogar Einmaliges zu bieten. Seine Kunst repräsentiert ein kompositorisches Niveau, das keine Vergleiche mit der französischen Musik zu scheuen braucht und deshalb überregionale Geltung beanspruchen darf.

Werke:8 Suiten und 9 Choräle in: Lautenmusik des 17. und 18. Jahrhunderts, hrsg. von H. Neemann (Das Erbe deutscher Musik, Bd. 12), Frankfurt 1939, 4/1974.

Lit.: A. Sparmann, E. Reusner und die Lautensuite, Diss. Berlin 1926; K. Dorfmüller, Artikel „Reusner“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart“, Bd. 11, Kassel 1963, 331 ff.; L. Hoffmann-Erbrecht, Der schlesische Lautenist Esaias Reusner der Jüngere, in: Schlesien 24/1979,193 ff.; ders., Bedeutende schlesische Lautenisten der Barockzeit, in: Barock in Schlesien, Dülmen 1981, 35 ff.