Biographie

Cebotari (Cebotaru), Maria

Herkunft: Bessarabien
Beruf: Opernsängerin
* 10. Februar 1910 in Kischinjow/Bessarabien
† 9. Juni 1949 in Wien

Es gibt Ausnahmesänger, die es vermögen, den zeitgenössischen wie den nachgeborenen Opernliebhabern die Überzeugung zu vermitteln, einer bestimmten Rolle der Opernliteratur die höchste, klassische Ausprägung gegeben zu haben, an der sie alle weiteren Hörerlebnisse messen. Zu diesen Künstlerpersönlichkeiten gehört die Sopranistin Maria Cebotari. Ihre Schlußszene der Salome aus dem gleichnamigen skandalumwitterten Bühnenwerk von Richard Strauss ist in einer legendären historischen Aufnahme aus den vierziger Jahren mit dem Großen Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin unter der Leitung von Arthur Rother erhalten. Kindliche Unschuld und in Ekstase und Hysterie umschlagende Lebensgier, Liebesverlangen und perverse Triebbefriedigung, dazu unendliche Einsamkeit, in der eine tiefe existentielle Tragik beschlossen ist: das ganze Tableau moderner menschlicher Psychologie wird mit einer Expressivität und Intensität ausgedrückt, wie sie bezwingender kaum denkbar sind.

Maria Cebotari wurde im zu Rußland gehörenden Bessarabien geboren. Ihr Vater war Lehrer, zur Familie gehörten vier Kinder. Sie wuchs zweisprachig, mit der russischen und der rumänischen Sprache, auf. Französisch und Italienisch sprach sie ebenfalls. Deutsch lernte sie erst nach ihrem Umzug nach Deutschland. Als Kind sang sie im Kirchenchor, wobei Musikfreunden ihre außergewöhnliche Begabung auffiel, sie ermöglichten ihr den Besuch des Konservatoriums.

Ein Gastspiel des Moskauer Künstlertheaters 1926 in Kischinjow mit Tolstois Lebendem Leichnam stellte sich als ein Wink des Schicksals heraus. Der Regisseur und Hauptdarsteller Alexander Wiruboff wollte seine Inszenierung mit russischen Liedern umrahmen und engagierte dazu die junge Cebotari. Wiruboff erkannte die Talente des Mädchens sofort. Der Charmeur, der er war, umwarb und beeindruckte sie; die noch Minderjährige ging, gegen den Willen ihrer Eltern, mit ihm auf ein Gastspiel nach Paris. Kurz darauf heirateten sie.

Die Ufa lud Wiruboff zu Filmarbeiten ein. Zusammen mit ihm kam Maria Cebotari Ende der zwanziger Jahre nach Deutschland. 1930 sang sie Fritz Busch vor, dem Leiter der Dresdner Staatsoper, der sie sofort für drei Jahre an seinem Haus engagierte. Ihr Auftritt als Mimi in Puccinis La Boheme am 15. April 1931 unter Buschs Leitung war der Durchbruch. Bruno Walter engagierte sie für die Salzburger Festspiele, wo sie einen Titelpart in Glucks Orpheus und Eurydike übernahm. Für Gastrollen wurde sie nach Berlin, an die Städtische Oper (später Deutsches Opernhaus) in Charlottenburg, verpflichtet, arbeitete mit den Dirigenten Furtwängler und Toscanini zusammen. Richard Strauss war von ihr so begeistert, daß er auf sie für die Rolle der Aminta in seiner neuen Oper Die schweigsame Frau (1935) und als Interpretin seiner Orchesterlieder bestand. Gastspiele führten sie nach Amsterdam, Brüssel, London, Paris, Stockholm, Wien. In Berlin avancierte sie zum Publikumsliebling. Als ihr Engagement in der sächsischen Hauptstadt abgelaufen war, kam sie an die Berliner Staatsoper Unter den Linden. Gerade erst 24jährig, wurde sie zur Kammersängerin ernannt. Ein Höhepunkt war ihr Auftritt am 29. November 1935 als Mimi an der Seite des weltberühmten italienischen Tenors Benjamino Gigli. Umjubelt wurde sie als Daphne in der gleichnamigen Oper von Strauss, als Konstanze, Susanna, als Gräfin und als Cherubin in den Mozart-Opern Die Entführung aus dem Serail und Die Hochzeit des Figaro, als Butterfly in Puccinis gleichnamiger Oper, als Micaëla in Bizets Carmen und als Tatjana in Tschaikowskis Eugen Onegin. Sie sang Lieder von Mozart, Beethoven, Mozart, Rachmaninoff und trat als Oratoriensängerin in Werken von Bach, Haydn, Mozart auf und übernahm den weiblichen Part in Gustav Mahlers Lied von der Erde. Legendär aber wurde sie vor allem in den großen Opernrollen von Mozart und Strauss. Ihre Bühnenpräsenz wurde genauso gerühmt wir ihr Liebreiz, ihr “leuchtender, ungemein beweglicher hoher Sopran, bei dem kostbares Timbre die Lyrik adelte und einwandfreie Technik und absolutes Stilgefühl das Schwebend-Anmutige mit jener Instinktsicherheit der Natur traf, die höchste Form des Talents darstellt” (E. Krause).

Die große Musik- und Operntradition in Deutschland, der Ehrgeiz der Künstler, das Prestigestreben und eifersüchtige Machtkämpfe innerhalb der NS-Führung führten dazu, daß die Opernkultur auch nach dem Machtantritt der Nazis auf einem hohen Niveau blieb. Zwar trat Wilhelm Furtwängler 1934 als Direktor der Staatsoper zurück, aber mit Clemens Krauss kam ein hochbegabter Nachfolger. Hitler, Goebbels und Göring wußten, wie wichtig die Cebotari für den Ruf Berlins als Kulturmetropole war und gaben sich als ihre Bewunderer zu erkennen: “Sensationeller Erfolg als Salome unter Krauss an der Berliner Staatsoper. Ungewöhnlich begabte und instinktsichere Darstellerin”, hieß es in einer Notiz des Propagandaministeriums.

Maria Cebotari verdiente auf der Opernbühne und im Film viel Geld. Zwischen 1936 und 1942 drehte sie insgesamt acht Filme, sechs davon in italienischer Sprache, die zumindest als historische Dokumente interessant bleiben. Bei Dreharbeiten lernte sie den Schauspieler Gustav Diessl kennen, den sie 1938 heiratete. Die Ehe mit Wiruboff war in die Brüche gegangen. Berlin wurde ihr auch privat zur zweiten Heimat. 1941 wurde ihr Sohn Peter geboren. Der Zweite Weltkrieg tangierte sie vorerst wenig. Berlin blieb noch von schweren Kriegseinwirkungen verschont, das Ehepaar war voll mit seinen künstlerischen Aufgaben beschäftigt. Die Cebotari fuhr zu Gastspielen und Filmaufnahmen nach Italien. Einmal wurde das Opernensemble sogar von Mussolini empfangen, die Cebotari erhielt das zweifelhafte Privileg, beim Essen zwischen Propagandaminister Goebbels und seinem italienischen Kollegen Pavolini zu sitzen. Wohltätigkeitskonzerte und Lazarett-Besuche waren zu absolvieren. Noch im Sommer 1944 reiste sie zu einem Gastspiel ins Ausland: In Zürich trat sie in Richard Strauss letzter vollendeter Oper Capriccio auf.

Ende 1942 war ihr Wohnhaus von Bomben getroffen worden, das ausgebrochene Feuer konnte aber gelöscht werden. Immer häufiger mußte man nun den Luftschutzkeller aufsuchen. Als Maria Cebotari 1941 die telefonische Nachricht von der ersten Zerstörung der von Knobelsdorff erbauten Staatsoper erreichte, brach sie in Tränen aus.

Ihr Mann spielte den Major Schill im Durchhaltefilm Kolberg, das Ehepaar wohnte am 30. Januar 1945 der Uraufführung im Berliner Ufa-Kino in der Tauentzienstraße bei. Kurz darauf verließ Maria Cebotari Berlin. Der Zug war schon völlig überfüllt, doch man erkannte sie, rief: “die Cebotari” und hob die zierliche Person durch ein Fenster herein. Im Grand Hotel in Kitzbühel wartete sie das Kriegsende ab.

Im Oktober 1945 wurde ihr zweiter Sohn Fritz geboren. Sie ging nach Salzburg, später nach Wien, trat in Österreich und der Schweiz auf, bald in Paris, London, Rom, schließlich auch wieder in Deutschland, wo man sie erneut umjubelte. Sie arbeitete mit allen Kräften, die Verantwortung für die Familie lastete vollständig auf ihr. Gustav Diessl war krank und starb am 20. März 1947 an einem Schlaganfall.

Sie selbst fühlte sich immer abgespannter, die Schmerzen, an denen sie seit Beginn der 40er Jahre litt, wurden immer stärker. Zunächst wurde eine Gallenentzündung angenommen und eine Diät verordnet. Mit großer Willensstärke sang sie weiter, stand noch für Filmaufnahmen einer amerikanischen Gesellschaft vor der Kamera. Sie sang die Habanera der Carmen. Ein Vertrag für die USA wurde abgeschlossen. Doch gesundheitlich war sie am Ende. Am 31. März 1949 trat sie letztmalig auf die Bühne der Wiener Staatsoper, sie sang die Laura in Millöckers Operette Der Bettelstudent. Am 4. April 1949 wurde sie operiert. Schnell war den Ärzten klar, daß die Sängerin unheilbar an Leberkrebs erkrankt war. Man ließ sie im Unklaren und vertröstete sie auf eine zweite Operation. Starke Betäubungsmittel versetzten sie in einen barmherzigen Dämmerzustand. Zwei Monate später starb sie.

Über Künstler, deren kometenhafte Karriere ausgerechnet in die Zeit des “Dritten Reiches” fiel, werden bekanntlich nicht enden wollende Diskussionen geführt. Maria Cebotaris Biograph Antonio Mingotti gab dem Empfinden vieler ihrer Zeitgenossen Ausdruck, indem er die Sängerin in der Sprache der Nachkriegszeit als unpolitische Künstlerin beschrieb, nur ihrer Kunst lebend und in dieser Beschränkung unbestechlich und allerhöchsten Ansprüchen verpflichtet. “Spätere Zeiten werden glücklich sein, wenn sie in einer Rückschau auf die Unmenschlichkeit der Zeit, das Elend und die Not, eine Stimme vernehmen können, die soviel Trost und Freude in trüben Tagen brachte und den Glauben an das Schöne und Edle erhielt, während das Häßliche und Falsche herrschte: die Stimme Maria Cebotaris.”

Lit.: Antonio Mingotti: Maria Cebotari. Das Leben einer Sängerin. Salzburg 1950. – Ernst Krause: Richard Strauss. Gestalt und Werk. Leipzig 1980. – Hans Daiber: Schaufenster der Diktatur. Theater im Machtbereich Hitlers. Stuttgart 1995.

Bild: Süddeutscher Verlag München.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Cebotari

Thorsten Hinz