Der Bildhauer Hanns Breitenbach war Sohn eines Fürther Spiegelfabrikanten und einer französisch-stämmigen Mutter, der ursprünglich in München schaffte, ehe er ab 1928 seine künstlerische Heimat im oberschlesischen Gleiwitz fand. Obwohl sein Vater aus einer Hugenottenfamilie stammte, war er katholischen Glaubens.
Breitenbachs Lebenslauf wird überschattet von seinem gewaltsamen Tod, im Januar 1945, beim Einmarsch der Roten Armee in Gleiwitz. Die auffindbaren Informationen zu seiner Biografie stimmen mit Angaben in der autobiografischen Roman-Veröffentlichung seiner einzigen Tochter, Marianne Ottmann überein.
Sein eigentlicher, vollständiger Name lautete Johannes-Jean-Nikolaus Breitenbach.In der Studienzeit war sein Vorname im entsprechenden Matrikelbuch mit der Schreibweise Hans eingetragen. Später wurde überwiegend als Künstlername Hanns Breitenbach verwendet. In der Familie und im privaten Umfeld nannte man ihn Hannes. Alle diese Vornamenvarianten tauchen jedoch heute in biografischen Hinweisen über ihn auf.
Am Anfang der künstlerischen Laufbahn stand eine solide, handwerkliche Ausbildung in Holzbildhauerei in Fürth. Die folgenden 10 Studiensemester an der Kunstgewerbeschule in Nürnberg bestätigten seine Talente und schufen Grundlagen für eine weitere, künstlerische Entwicklung. Im Jahre 1911 begannen nochmals 13 Studiensemester an der Akademie der Bildenden Künste in München als Meisterschüler bei Erwin Kurz. Zu seinen dortigen Lehrern gehörte auch Hermann Hahn – der Nachfolger vom bekannten Bildhauer Adolf von Hildebrand. Diese Lehrer beeinflussten Breitenbachs späteres Schaffen hinsichtlich Sujet und Formgebung nachhaltig. Nach dem Studium blieb er in München und richtete als freiberuflicher Bildhauer sein Atelier in der Gabelsberger Straße ein.
In München begegnete er seiner späteren Ehefrau, Friedel Breitenbach, geb. Josefek aus Gleiwitz, die dort Textiles Kunsthandwerk studierte. Sie war eine der Töchter des bekannten Gleiwitzer Hoch- und Betonbauunternehmers und Architekten, Robert Josefek, der zahlreiche Bauwerke in Gleiwitz ausführte, die damals viel Beachtung fanden und auch noch teilweise heute existieren (u.a.: Klodnitzbrücke im Zuge der Wilhelmstraße, Aufbau der Schrotholzkirche am Standort Zentralfriedhof).
Josefek besaß noch eine weitere Tochter, Ruth. Mit ihrem späteren Ehemann, Erich Henschel studierte diese als eine der ersten Frauen am Dessauer Bauhaus. Die Henschels lebten dann in der Nachkriegszeit in Löwenstein als ein bekanntes Künstlerpaar.
Durch die Zusammenarbeit mit dem Schwiegervater erhielt Breitenbach immer mehr Aufträge aus Oberschlesien, so dass er in Gleiwitz ein 2. Atelier einrichtete und 1928 den Wohnsitz endgültig dorthin verlagerte.
Die Jahre vor 1933 in Oberschlesien waren eine sehr erfolgreiche und vermutlich auch glückliche Zeit. Es entstanden Kunstwerke, mit denen man sich teilweise auch im heutigen Polen identifizieren kann. In den zahlreichen Werken aus den verschiedensten Materialien spiegelt sich die Münchner Schule wider. Die Arbeiten reichten, ausgehend von Kleinkunst, Reliefs, Porträts, Vollplastiken bis zu Darstellungen in der Architektur. Bauplastiken und Denkmalsfiguren im sakralen oder öffentlichen Raum wurden oft als monumental ausgeführte Skulpturen geschaffen. Als Bildhauer konnte er auch sehr gut mit dem Zeichenstift und Malpinsel umgehen.
Die genaue, ausmodellierte, formgetreue Darstellung von Menschen, gepaart mit hervorragendem handwerklichen Können, kennzeichnen seine Werke. Seine Figuren orientieren sich oftmals an klassischen Vorbildern und erscheinen auch gelegentlich überhöht heroisierend. Ein Betrachter kann jedoch Vereinfachungen, verschliffene, klare Linienführungen und die ausdrucksstarke Formensprache des Gesamtkunstwerkes erkennen. Maßvolle Gestik und die manchmal versteckte Symbolik der Figuren schaffen Spannungen und vereinen progressive wie konservative Tendenzen. Besonders die Figur der Trauernden drückt solche Akzente deutlich aus.
Ein heutiger Betrachter seiner Kunst könnte auch feststellen, dass Vorgaben und Deutungen der Auftraggeber der Kunstwerke eventuell nicht immer mit den tatsächlichen Intuitionen des Künstlers übereinstimmten. Das Kriegerdenkmal in Oppeln wurde bei der Einweihung überschwänglich als heroisches Heldendenkmal gefeiert. Heute könnte man jedoch annehmen, dass die Figur eher einen ermatteten Krieger zeigte, der ausgebrannt, resignierend, nackt, schutz- und ratlos niedergesunken ist und nicht mehr kämpfen will.
Mit dem wachsenden Einfluss der Nationalsozialisten wurde es für einen christlich gesinnten Künstler schwieriger, an Aufträge heranzukommen. Vermutlich trat er deshalb der NSDAP bei und schuf auch Werke, die heute als Nazi-Kunst eingestuft werden. Dies ermöglichte aber eine Teilnahme an den ideologisch ausgerichteten, regionalen Kunstausstellungen (z. B. Ausstellung des Künstlerbundes Oberschlesien, 1935 in Gleiwitz in der Ausstellungshalle am Hauptbahnhof)), die er als Freiberufler aus Existenzgründen nicht übergehen konnte.
Es gibt aus dieser Zeit auch unspektakuläre Kunstwerke von ihm, die eine ganz andere Sprache sprechen. Beispiel dafür ist eine Eisenmedaille, „100 Jahre Deutschlandlied“ von 1941, die in Zusammenarbeit mit dem Hüttenamt Gleiwitz entstand. Die nach dem Entwurf von Breitenbach gegossene Medaille zeigt einen Sänger mit Liederbuch auf einem Felsvorsprung. Der mit der Handfläche nach oben weisende, ausgestreckte, rechte Arm grüßt zum Himmel. Der Künstler verzichtete bei der Themengestaltung auf jegliche chauvinistische Aussage und faschistische Symbolik. Gemessen an den Zeitumständen und mitten im Krieg war dies eine sehr ungewöhnliche Interpretation. Nach Kopfbedeckung der Figur und dem versteckten Signet am Felsengrund könnte man meinen, der Künstler hat sich hier selbst dargestellt.
Das persönliche Auftreten von Breitenbach als Mensch und Künstler war von Bescheidenheit und Zurückhaltung geprägt. Beim Zusammenbruch der Naziherrschaft brachte er es nicht fertig, sich von seiner Arbeit zu trennen und sich durch rechtzeitige Flucht der Gewalt zu entziehen.
Seine Tochter schreibt in Ihrem autobiografischen Roman zu seinem gewaltsamen Tod, dass er wegen der großen Kälte einen Motorradmantel trug und deshalb von den russischen Soldaten für einen Offizier gehalten wurde. Angesichts der vielen zivilen Opfer ab Januar 1945 in Gleiwitz ist das zumindest ein Erklärungsversuch für seinen jähen Tod. Die genauen Todesumstände in seinem Atelier und eine Grabstätte sind nicht bekannt.
Werke: (Breitenbachs umfangreiches Gesamtwerk ist nicht erfasst. Vieles ist durch Kriegshandlungen verloren gegangen, wurde nach 1945 zerstört oder der weitere Verbleib ist nicht festzustellen. Dennoch sind einige Kunstwerke, besonders im Gleiwitzer Stadtbild bis heute erhalten. Soweit möglich, werden Standorte, Entstehungsjahr und das Material mit angegeben.
1. Noch auffindbare Werke:
– Bronzeplastik Sämann, in Zusammenarbeit mit „Lothar Dietz“ 1925
Kriegerdenkmal, Hof (Saale), Bronze
– Große Trauernde,1927, Lindenfriedhof Gleiwitz, – heute restauriert
– St. Georg-Figur, 1931, Gefallenendenkmal an der „Antoniuskirche“, Gleiwitz –
heute restauriert
– Marienfigur mit Jesus, über dem Portal der Kirche zum „Heiligen Erzengel
Michael, Gleiwitz
– Heiliger Franziskus, Vollplastik, Zentralfriedhof Gleiwitz
– Spendenplakette zur Erneuerung der Allerheiligenkirche,1930, symbolischer
Baustein, 500 x in Eisen, 300 x in Bronze
– 100 Jahre Komposition „Deutschlandlied“, 1941, Medaille, einseitig, Eisen
– Männliche Aktstudie, 1910, Zeichnung im Museum Gleiwitz,
2. zerstörte, bzw. verschollene Werke oder keine Angaben bekannt (Auswahl):
– Denkmal des Reserve-Infantrieregiments Nr. 23, 1928, Oppeln
– Porträt Prälat Ulitzka
– Porträt Lukaschek
– Ägyptische Tänzerin
– Aschenbrödel, Terrakotta
– Mädchen mit Tuch
– St. Georg, Hausplastik in Gleiwitz/Petersdorf
– St. Josef,Bauplastik, Gleiwitz
– 3 Büsten für Gedenkhalle: „Infanterieregiment Nr. 22“ (Soldaten verschiedenen
Alters),1931, Gleiwitz, Bronze
– Brunnen an der Hardenbergschule, (A-B-C-Brunnen) 1935, Gleiwitz,
Buntsandstein
– Stehendes Mädchen
– Sterbender Krieger, Bronze
– Bergmann
– Antoniusbrünnlein, Zentralfriedhof Gleiwitz
– Kriegerdenkmal Marineverein Möwe, Sprottau
Lit.: Marianne Ottmann: Muntjak, Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2001, ISBN 3-8311-2675-5. – Rudolf Schlegel: Gleiwitz – ein heimatliches Geschichtenbuch, Laumann, Dülmen, 1982, ISBN 3-87466-033-8. – Ksenia Stanicka-Brzezicka: Artystky śla̜skie ok. 1880-1945 Marszalek, Toruń, 2006, ISBN: 83-7441-77-8. – Ewa Chojecka: Sztuka Górnego Śla̜ska od średniowiecza do końca XX wieku, Katowice: Muzeum Śla̜skie, 2004, ISBN 83-87455-77-6.
Abb.: Selbstbildnis aus „Oberschlesien im Bild“, Wöchentliche Unterhaltungsbeilage des oberschlesischen Wanderers, Nr. 36, v. 31.08.1928, Aus der Werkstatt eines Gleiwitzer Bildhauers, S. 2-3, Gleiwitz, Neumanns Stadtbuchdruckerei.
Helmut Steinhoff