Samuel Bredetzky wurde in Jakobsau/Jakubiany bei Lublau/ Lubovna in der östlichen Zips geboren. Da sein Vater Lehrer war, wechselte die Familie nach Leibitz bei Kesmark. Hier besuchte er auch die ersten Jahre das Lyzeum, später kam die Familie nach Ödenburg/Sopron.
Ab 1796 studierte Bredetzky in Jena Theologie. Er fühlte sich in dieser deutschen Universitätsstadt, wie viele ungarländische Studenten, sehr wohl und wandte sich auch den Studien in anderen Fächern zu, z.B. in Astronomie, Geographie und Mineralogie, Literaturgeschichte, theoretischer Philosophie bei Johann Gottlieb Fichte u.a. So kam er auch viel in das benachbarte Weimar. An seinen Zipser Freund Jakob Glatz schrieb er: „Ich bin hier in Weimar in viel mehr Verbindungen als Du und ich vermuten. Ich erlebte interessante Situationen. Vorgestern sprach ich mit unserem Goethe. Und welch ein Mann ist das! Ich bekam Hermann und Dorothea zum Andenken!“
In Jena wurde 1797 die „Mineralogische Sozietät“ unter Mitwirkung von J.W. v. Goethe gegründet und Bredetzky wurde ihr erster Sekretär. Hier konnte er die wissenschaftlichen Grundlagen für seine topographischen Arbeiten in seiner Heimat erwerben.
Nach dem Studium kam er über Ödenburg, wo er an der Bürgerschule tätig war, und Wien, hier als Katechet und Vikar, 1804 als Pfarrer nach Krakau und 1807 nach Lemberg im damaligen Galizien. Der Gouverneur von Galizien soll ihn mit den Worten begrüßt haben: „Ich habe schon viel Rühmliches von Ihnen gehört!“ Seine evangelischen Gemeindeglieder waren weitgehend Deutsche, die in den Jahren 1781 bis 1785 aus Deutschland gekommen und in Galizien angesiedelt worden waren.
Nach der ersten Teilung Polens im Jahre 1772 wurde Galizien, das nördlich von Oberungarn lag, an Österreich angeschlossen. Bis dahin hatte Galizien keine einheitliche Geschichte; nun hieß es „Königreich Galizien und Lodomerien“ mit dem Verwaltungssitz im Lemberg und 18 Kreisen. So bestand es bis 1918 und nach dem Ersten Weltkrieg wurde es wieder an Polen angeschlossen. Nach dem kurzen Krieg gegen Polen 1939 wurde Polen geteilt und Ost-Galizien mit der Stadt Lemberg (Lwow) zur Ukraine geschlagen.
Kaiser Josef II. erließ 1781 das Toleranzedikt. In deren Folge wurden rund 700 Klöster von Mönchsorden aufgelöst, wenn sie nicht mit der Krankenpflege oder Erziehung befasst waren. Diese waren nun der staatlichen Verwaltung unterstellt, so dass es nun viel „staatliches Gutsland“ gab, das mit Bauern besiedelt werden sollte. Er erließ am 21. September 1781 das kaiserliche Patent „zur Besiedlung freier Territorien“. Das war ein günstiges Angebot mit vielen wirtschaftlichen Vorteilen. Aber das wichtigste war wohl die Gewährung der „vollkommenen Gewissens- und Religionsfreiheit“. Es wurde vor allem in deutschen Gebieten reichlich angenommen, so dass z.B. von 1783 bis 1786 rund 13.000 Pfälzer, auch Rhein- und Moselfranken, Schwaben, Hessen u.a. nach Galizien auswanderten. Davon waren etwa 3/5 evangelisch.
Die Siedlungen wurden neben den polnischen Ortschaften angelegt. Doch schon 1784 erging der Auftrag, die Siedlungen mit mindestens 10 Häusern eigene Gemeinden bilden zu lassen. Sie setzten dann zum slawischen Namen „Deutsch“ davor wie z.B. Deutsch-Golkowitz, Deutsch-Kamin, u.a. Viele Siedlungen gaben sich deutsche Namen, die an die alte Heimat erinnerten, z.B. Falkenstein, Wachendorf, Neudörfel, Zaundorf, aber auch Josefsdorf.
Das Leben der Einwanderer war anfangs schwierig. Die katholischen Siedler konnten gleich in die katholischen Gemeinden der polnischen Ortschaften eingegliedert werden, um ihrem Glauben zu dienen. Sie hatten es aber dadurch schwerer, ihr Deutschtum zu bewahren, so dass sie bald nach ein bis zwei Generationen mehr oder weniger polonisiert waren.
Die Evangelischen schufen sich unter Schwierigkeiten eigene Kirchengebäude und daran angeschlossen deutsche Volksschulen. So entwickelte sich in der evangelischen Diaspora ein reges kirchliches, deutschgeprägtes Gemeindeleben. Im Pfarrsprengel Dornfeld mit seinen „7 Kolonien“ z.B. wirkte Fritz Seefeld von 1916 bis 1933 als deutsch-evangelischer Gemeindepfarrer. In seinem Buch: Pfälzer wandern schilderte er sehr ausführlich das Gemeindeleben.
Als Samuel Bredetzky 1807 nach Lemberg als evangelischer Pfarrer kam und bald darauf Superintendent von Galizien und der Bukowina wurde, hatte er eine immens große Aufgabe, für die Fortentwicklung seiner Gemeinden zu sorgen. Schon 1808 konnte er in Lemberg eine evang.-deutsche Schule gründen. Er besuchte vielmals seine Gemeinden. Ludwig Schneider schrieb 1929: „Er war ein unvergesslicher Seelsorger, ein Gründer des Schulwesens und ein weitblickender Schriftsteller“.
Im Bemühen um Pfarrer und Lehrer für seine Gemeinden konnte er seine gute Verbindung zur Zips nutzen. So kam 1807 Paul Demiany aus Leibitz nach Neu-Sandez und blieb bis 1827. Er hatte zwar kein theologisches Studium, doch Bredetzky schrieb: „Demiany war in der Zips nur an Trivialschulen angestellt, dafür ist er jetzt ein geschickter Prediger, welcher den Unterricht der Jugend, das wichtigste Geschäft eines Seelsorgers, mit Verstand und Geschick versorgt.“
Auch viele Lehrer kamen aus der Zips, obwohl sie wegen der schlechten Vergütung und der Unsicherheit ihrer Stellung meist nur kurz blieben. So war Samuel Emeritzi aus Leibitz als Lehrer in Neu-Sandez, später Johann Kinsky aus Großschlagendorf, auch Johann Samuel Fischer aus Topportz, der nur drei Jahre blieb.
Bredetzky war um die sittliche Entwicklung seiner Gemeindeglieder besorgt und schrieb in seinen historisch-statistischen Beiträgen 1810 über die ersten deutsch-evangelischen Siedler: „In den kleinen, an polnische Dörfer angesiedelten Orten haben sie schon mehr von den bösen Sitten der Ureinwohner angenommen: sie kleiden sich wie jene, sie liegen tagelang in Wirtshäusern wie jene, sie lassen ihre Kinder verwildern wie jene, und bald werden sie mit Barszcz zufrieden seyn wie ihre Nachbarn; aber dann werden sie auch faul und schmutzig werden wie jene. Sie kommen zum Gottesdienst, ohne den Bart geschoren und sich anständig gekleidet zu haben. Dies wird vielen eine Kleinigkeit scheinen und doch ist es dies nicht; an dem Anzuge erkenne ich es, ob der zu mir kommende Deutsche aus einem kleinen oder großen Dorfe sey. In letzteren herrscht deutsche Polizey, deutsche Kleidung, deutsche Sitten, deutsche Redlichkeit, hie und da auch deutsche Gottesfurcht.“
Den Pfälzern, wie man die deutschen Einwanderer allgemein nannte, warf er Leichtlebigkeit vor. „Das Leben im deutschen Dorfe in Galizien selbst kreist im allgemeinen um drei Mittelpunkte: Arbeit, Kirche und Wirtshaus.“… „Die Pfälzer kamen aus einem Weinlande. Als sie in Galizien den Schnaps kennenlernten, sind sie ihm allzu leicht verfallen.“ Weiter schrieb er: „Außer den Bethäusern, welche Deutsche in Galizien besitzen, bedürfen sie vorzüglich Schulen. Instinktmäßig thun die Protestanten in dieser Hinsicht alles, was in ihren Kräften steht, aber dies reicht nicht zu, es fehlt an Lehrern, es fehlt an gehörigem Unterhalt für dieselben …“
Doch 1810 muss wohl schon „eine Wendung zum Besseren bemerkbar“ gewesen sein. Dazu sagte er: „Ein vieljähriger Beobachter der Gemeinden schrieb mir neulich: In der Arbeit sind sie unermüdlich, die Weiber mähen und dreschen mit den Männern um die Wette. Selbst unverheiratete Mädchen führen die Sense und den Dreschflegel, trotz den jungen Burschen“. Man sprach da schon von einer „inneren Finalisierung des Siedlungswerkes.“
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Galizien wieder an Polen angegliedert; nach einigen Verhandlungen kam auch Ostgalizien um Lemberg zu Polen. Durch die Gewährung von Minderheitsrechten konnten die mehrheitlich deutschen Gemeinden ihre Schulen erhalten. Der Zweite Weltkrieg brachte den Deutschen in Galizien viel Elend. Nach dem kurzen Polenfeldzug im September 1939 wurden die Deutschen von der Reichsregierung aus Ostgalizien zwangsweise umgesiedelt. Mit Trecks zogen sie nach Westen, kamen im Wartheland in Lager und wurden hier in polnische Dörfer eingewiesen. Nach Franzen (S. 53) wurden aus dem Wartheland zunächst 920.000 Polen vertrieben und dann 630.000 „Volksdeutsche“ dort angesiedelt. Schon 1945 kamen diese Deutschen in den Strudel der Flüchtlinge und Vertriebenen und mussten mit rd.14 Mill. ihr Schicksal teilen.
Samuel Bredetzky hielt auch sonst Verbindung zu seinen Landsleuten in der Zips. Er war Mitglied der „literarischen Gesellschaft“ in Kesmark und konnte mit seinen Freunden die Beiträge zur Topographie des Königreiches Ungarn in Krakau 1805-1807 herausgeben, die sich wesentlich mit der Zips und dem Nordkarpatenraum beschäftigen. Im Jahre 1809 kamen in Wien seine Reisebemerkungen über Ungern und Galizien in zwei Bänden (336 und 285 S.) heraus. Hier äußert er sich auch über seine persönlichen Lebensumstände und Reiseeindrücke aus der Zips, aber auch über das Verhältnis zwischen Nationalismus und Patriotismus in der Monarchie. Sein letztes Werk erschien 1812 in Brünn: „Die Deutschen in Galizien oder historisch-statistischer Beitrag zum deutschen Kolonialwesen in Europa“. Seine Bücher sind in vielen Bibliotheken vorhanden und Nachdrucke sind auch noch käuflich zu erwerben.
Bredetzky starb leider sehr früh mit 40 Jahren am 25. Juni 1812 im Lemberg. Es läuteten in der Stadt die Glocken aller Kirchen und der Chronist wusste zu berichten, in Lemberg habe noch nie eine so große Beerdigung stattgefunden. Unser Landsmann Prof. Dr. Adalbert Hudak würdigte ihn: „Samuel Bredetzky war in seinem Wirken und Schaffen ganz und gar bestimmt von jenen geistigen Kräften, die seit dem Pietismus und der Aufklärung die Hinwendung zur Welt und zu ihren Aufgaben vollzogen“.
Zum Gedenken an sein 200. Todesjahr wollen wir uns dieses mutigen und tatkräftigen Landsmannes aus dem Karpatenlande erinnern und ihn in die Reihe der unvergessenen Vertreter des Deutschtums im Osten Europas einordnen.
Lit.: A. Hudak/L. Guzsak, Karpatendeutsche Lebensbilder, Erlangen 1971. – Samuel Bredetzky, Historisch-statistischer Beytrag zum deutschen Kolonialwesen in Europa, nebst einer kurzen Beschreibung der deutschen Ansiedlung in Galizien, in alphabetischer Ordnung, Brünn 1812 (Nachdruck 1991); Samuel Bredetzky, Reisebemerkungen über Ungern und Galizien, 2 Bde., Wien 1809. – Roland Walloschke, Von der Pfalz zum Dunajetz, Bergatreute 1991.
Hans Kobialka