Biographie

Trier, Walter

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Zeichner, Illustrator
* 25. Juni 1890 in Prag
† 8. Juli 1951 in Craigleith/Kanada

Max Brod, Prager Schriftsteller und Biograph von Franz Kafka, war begeistert über die Erziehungsmethoden in der Familie Trier, die in der Langen Gasse in der Josefstadt in Prag in einem großräumigen Patrizierhaus wohnte. Er war mit den Trier-Kindern befreundet, es war ein Paradies im Gegensatz zu seinem strengen kleinkarierten Elternhaus.

Im Stempelhaus der Langen Gasse wohnte die Familie Orlik. Der 1870 geborene Sohn Emil war 1891 zum Kunststudium nach München gegangen und ab 1904 am Königlichen Gewerbe-Museum in Berlin Professor, der auch wie später Walter Trier böhmisches Spielzeug sammelte. Franz Kafka wohnte von 1915-1917 im Haus zum Goldenen Hecht, auch in der Langen Gasse.

Dieses total andere Umfeld faszinierte Max Brod. In seinen 1969 veröffentlichten Memoiren beschreibt er die Zustände im Trierschen Haus. Wenn sie vom Fußballspiel nach Hause kamen, ging die Tollerei dort weiter. Bis auf zwei Zimmer, Eltern- und Schwesterschlafzimmer, konnten sie alle Räume benutzen, in denen es vor Unordnung starrte. Sie jagten wie wilde Tartaren durchs Haus oder spielten Theater, wozu die Möbel verrückt und noch weitere Kinder eingeladen wurden. Alles Neue wurde ausprobiert, ob aus der Technik oder dem Sport. „Dies geschah“, schreibt Brod, „ohne jede Prätention, ohne Ehrgeiz und Pedanterie. Es ging wie alles, was in diesem Hause stattfand, im Sturmwind, im Lachen vor sich.“

Besonders auffällig für die Zeit um 1900 war, dass die Trier-Kinder ihre Eltern beim Vornamen riefen. Eine Umgangsform, die Max Brod vorher noch nie kennengelernt hatte, die viele Jahrzehnte später in der antiautoritären Erziehung der Achtundsechziger Bewegung, wie vieles der Trierschen Erziehungsmethoden, ihre Entsprechung fand. Für Max Brod war das alles „wie auf einem anderen Planeten!“

Walter Trier ist das jüngste von sieben Kindern des Handschuhmachers und Fabrikbesitzers Heinrich Trier und seiner Ehefrau Luzie geb. Schack. Da er den Adel belieferte, war er begütert und verkehrte in der illustren Gesellschaft Prags, die aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch schon moderne, aufklärerische Züge trug. Ohne diese unbeschwerte Kindheit wird man die Leichtigkeit und auch den Spott in den späteren Zeichnungen von Walter Trier nicht verstehen können.

Walter Trier studiert zunächst in Prag Kunst, doch der akademische Naturalismus, der an der Prager Kunstakademie gelehrt wird, liegt ihm nicht, er geht wie Orlik nach München. Um sich jedoch überhaupt in der Münchner Akademie zu immatrikulieren, wo pro Semester ca. vierhundert Bewerber auf Zulassung warteten, musste er eine Mappe anfertigen, für die er ein Jahr auf Privatschulen ging, um dann mit Erfolg am 14. Oktober 1908 in der begehrten Klasse von Franz von Stuck aufgenommen zu werden. Schon während des Studiums fielen seine „höllisch scharf gesehen Charakterköpfe“ auf. Er hatte – 1909 kaum das Studium abgeschlossen – schon Aufträge für die in München erscheinende führende deutsche Satire-Zeitschrift Simplicissimus. Ab 1910 veröffentlichte auch Deutschlands wich­tigste Kunstzeitschrift Jugend, nach der die ganze Epoche „Jugendstil“ benannt ist, Zeichnungen von Walter Trier.

Hermann Ullstein, der Großverleger aus Berlin, wurde auf Trier aufmerksam und wollte ihn abwerben. Er versprach ihm einen Fünfjahresvertrag mit einem doppelt so hohen Anfangsgehalt wie in München. Darauf kabelte Trier zurück, dreimal so hoch. Doch Dr. Otto Eysler, der Herausgeber der Lustigen Blätter legte noch was drauf, so dass der zwanzig Jahre junge Zeichner bei ihm ein damals unglaublich tausend Mark hohes Monatsgehalt als Pressezeichner verdiente.

Seit April 1910 lebt und arbeitet Walter Trier in Berlin. 1912 heiratet er Helene Mathews, eine aus Polen stammende Jüdin. Ihre erste Wohnung nehmen sie in Friedenau, in der Elsastraße 2, wo sie von 1912 bis 1916 wohnen. Friedenau ist zu dieser Zeit noch eine eigene Gemeinde im Landkreis Teltow, ist aber durch die S-Bahn mit Berlin verbunden.

Die Ehefrau, Lene genannt, dient fortan als Modell, die er mit oder ohne Gretchenfrisur karikiert. Auch die 1914 geborene Tochter Margarete, Gretl genannt, wird in den zwanziger Jahren als Modell allerdings eines modernen Großstadtmädchens dienen, mit frecher Ponyfriseur. Gerne hätte er weitere Kinder gehabt, was dem Paar aber versagt bleibt. Trier beginnt Spielzeug zu sammeln.

Die Familie zieht in die Denkstraße 5 in der Nähe von Südende in Steglitz, wo sie bis Sommer 1925 bleiben wird. Trier verdient gut, er kommt aus wohlhabendem Haus und macht wahrscheinlich eine Erbschaft, denn am 30. September 1925 findet sich im Baupolizeiamt Steglitz die Eintragung: „Landhaus Oboussier, jetzt im Besitz des Herrn Walter Tier, Kunstmaler“.

Der Komponist und Musikschriftsteller Robert Oboussier hatte das Haus in der Herwarthstraße 10 in Berlin-Lichterfelde von dem Architekten Otto Rudolf Salvisberg, der ein Freund von Trier ist, 1922 entwerfen lassen. Da er jedoch in Florenz Karriere macht, veräußert er das Haus. Die zehn Jahre, die die Familie bis zu ihrer Flucht vor den Nazis hier leben werden, sind die glücklichsten im Leben der Triers.

In den zwanziger Jahren ist Berlin die Hochburg des Kabaretts. Trier karikiert für das Kabarett der Komiker am Kurfürstendamm, eines der führenden Kabaretts Deutschlands der zwanziger, dreißiger Jahre, wo von Karl Valentin bis Claire Waldorf alle auftreten, die bis in die fünfziger Jahre deutsche Kabarettgeschichte geschrieben haben. Nebenan ist das Cafe Leon, quasi das Wohnzimmer von Erich Kästner, der gegenüber in der Roscherstraße bis zur Bombardierung im Zweiten Weltkrieg wohnt, der auch für das Kabarett der Komiker arbeitet.

Hier beginnt eine Jahrhundertbeziehung für die deutsche Literatur: Walter Trier illustriert Emil und die Detektive. Das Erstlingswerk der beiden wird ein Verkaufsschlager und schließlich ein Welterfolg. Es ist der Beginn einer Beziehung über die Zeit des Exils von Trier hinaus. Ende 1936 flieht er mit seiner Familie über Paris nach London. 1947 wandert er nach Kanada aus, wo seine Tochter Gretl mit Familie lebt.

Kästner schreibt anlässlich des plötzliches Todes von Walter Trier 1951: „Walter Trier ist unersetzlich… Ich empfand es während des Vierteljahrhunderts unserer Zusammenarbeit stets von neuem und in steigendem Maße.“ 1933 erscheint das letzte von Trier und Kästner gemeinsam hergestellte Buch Das fliegende Klassenzimmer.

Während in Deutschland seit 1933 die Nazis Triers Arbeit immer mehr einschränken, veröffentlicht er von 1934 bis 1938 Zeichnungen im Prager Tageblatt. Im November 1934 organisiert er eine Ausstellung in der Prager Galerie André, nimmt an der 1. Internationalen Karikaturisten-Ausstellung in Prag teil. 1935 folgt die Eröffnung der Ausstellung „Humor in der Malerei und Keramik: Walter Trier“ in Brünn. 1936 illustriert er tschechische Kinderbücher. 1938, vor Einmarsch der Nazis auch in Tschechien, veröffentlicht das Prager Tageblatt die letzten Illustrationen von Walter Trier. Emils, Pünktchen und Antons und anderer Kinder Ziehvater hatte fliehen müssen …

Lit.: Antje Neuner-Warthort, Walter Trier, Eine Bilderbuch-Karriere, nicolai Verlag Berlin, 2014.

Bild: Wikipedia.

Jenny Schon, 2017