Wohl im Dezember 1245, also vor 750 Jahren, wurde die Kirchenprovinz Riga geschaffen, denn am 13. Dezember 1245 erlaubte Papst Innozenz IV. dem Erzbischof von Livland und Preußen („archiepiscopo Livonie et Pruscie“), Albert Suerbeer, noch fünf Kleriker in seiner bisherigen irischen Kirchenprovinz Armagh zu versorgen. Einige Wochen später, am 10. Januar 1246, wird dem Klerus bekanntgegeben, daß die Ernennung des Erzbischofs erfolgt sei. Damit hatte die Missionsgeschichte des südöstlichen Ostseeraumes einen kirchenrechtlichen Abschluß erhalten, der in den letzten Jahrzehnten des 12. und in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts keineswegs vorgezeichnet war, weil in der späteren Kirchenprovinz Riga zunächst an mehreren Stellen von verschiedenen Mächten missionarische Bemühungen veranlaßt und unterstützt worden sind.
Geopolitisch ist vorauszuschicken, daß seit der späten Karolingerzeit sowohl in Polen wie auch in Dänemark eine christliche Kirche aufgebaut werden konnte. Dazwischen hat jedoch mehrere Jahrhunderte lang in den Ländern an der südlichen Ostseeküste ein sogenannter gentiler Keil heidnischer Völkerschaften bestanden, woran einzelne Missionsversuche wie die Adalberts von Prag († 997) und Bruns von Querfurt († 1009) bei den Prußen nichts ändern konnten. Dies wurde erst grundlegend anders, als die gewandelten politischen Verhältnisse des 12. Jahrhunderts es der kirchlichen Reformbewegung ermöglichten, daß vor allem mit Augustiner-Chorherren, Prämonstratensern und Zisterziensern im Raum bis zur unteren Weichsel dauerhafte kirchliche Einrichtungen geschaffen wurden. Noch bevor 1185 das zum polnischen Bistum Kujawien gehörende pommerellische Zisterzienserkloster Oliva bei Danzig gegründet wurde, waren erste Missionare zu den Esten und Liven gelangt. Ein dänisch-schwedisches Kreuzzugsunternehmen mit dem aus Frankreich gekommenen Bischof Fulko gegen Estland in den 70er Jahren des 12. Jahrhunderts blieb noch ohne Folgen. Seit etwa 1180 begleitete der Augustiner-Chorherr Meinhard aus Segeberg in Holstein Kaufleute an die untere Düna. Seine Missionspredigt bei den Liven erschien so erfolgreich, daß ihn 1186 der Erzbischof von Bremen zum Bischof von Üxküll weihte.
Sein zweiter Nachfolger, Albert von Bekeshovede (1199-1229), verlegte den Bistumssitz 1201 an eine günstigere Stelle und gründete dort die Stadt Riga. Darüber hinaus gelang mit der weltlichen Unterstützung durch adelige Lehnsleute und den 1202 gegründeten Schwertbrüderorden der Aufbau einer Landesherrschaft, die sich der Bischof bald mit letzterem teilen mußte. Albert erhielt die päpstliche Erlaubnis, mit Fortschreiten der Mission weitere Bischöfe zu berufen. Daher weihte er 1211 seinen bedeutendsten Mitarbeiter, Dietrich von Treiden, den ersten Abt des Zisterzienserklosters Dünamünde, zum Bischof der Esten. Albert konnte jedoch nicht verhindern, daß sich in Nordestland die Dänen festsetzten und nach Dietrichs Tod (1219) im Kampf gegen die Esten das Bistum Reval auf Dauer behaupten konnten. Es gehörte das ganze Mittelalter über zur dänischen Kirchenprovinz Lund. Albert gelang es 1224, das Bistum Leal in Südestland zu gründen und mit seinem leiblichen Bruder Hermann zu besetzen. Dieses Bistum wurde später nach seinem Sitz Dorpat benannt, während für das südwestliche Estland 1228 ein neues Bistum Ösel-Wiek eingerichtet wurde. Südlich der Düna hatte Bischof Albert schon 1218 ein Bistum Selonien gegründet und mit dem Edelherrn Bernhard von der Lippe, dem zweiten Abt von Dünamünde, besetzt. Der Schwerpunkt dieses Bistums wurde 1226 nach Semgallen verlegt. Ein Jahrzehnt später entstand schließlich das Bistum Kurland. Albert selbst hat für sein Bistum die Exemtion von Bremen erreichen können. Doch hat er sich vergeblich bemüht, mit den von ihm gegründeten Bistümern in Livland einen Metropolitanverband aufzubauen. Die päpstliche Kurie sah es zunächst als vorteilhafter an, hinsichtlich der Machtverhältnisse einen Schwebezustand zu belassen.
In den ersten beiden Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts gelangten Zisterziensermönche zu den Prußen, die mit Namen be-
kannt sind. Zunächst ist Gottfried aus dem großpolnischen Kloster £ekno zu nennen. Er wird chronikalisch einmal als erster Bischof der Prußen bezeichnet, doch läßt sich das nicht wirklich erweisen. Das gilt erst für Christian, der 1215 zum Bischof geweiht wurde. Die Forschung hat eine Zeit lang
geglaubt, in Gottfried und Christian eine Person sehen zu können. Doch ist inzwischen deutlicher geworden, daß Christian wahrscheinlich aus dem pommerellischen Kloster Oliva gekommen ist. Zantir, seinen beim Abzweig der Nogat von der Stromweichsel gelegenen Bischofssitz, hat er vermutlich von pommerellischen Fürsten erhalten. Unterwerfungsabsichten von Polen aus haben den Widerstand der Prußen hervorgerufen, die vor allem das Kulmer Land und den weiteren Herrschaftsbereich Herzog Konrads von Masowien verwüsteten. Das führte seit etwa 1225 zu den bekannten Verhandlungen mit dem Deutschen Orden. Da diese nicht sogleich zu einem Erfolg führten, gründete Herzog Konrad unter Mitwirkung von Bischof Christian einen eigenen Ritterorden, den Dobriner Orden, der dem livländischen Schwertbrüderorden ähnelte.
Doch erwiesen sich die Dobriner Ordensritter den ihnen zugedachten Aufgaben nicht gewachsen. Daher konnte der Deutsche Orden seine Bedingungen in den Verhandlungen mit Herzog Konrad durchsetzen. Er ließ sich das Kulmer Land schenken, um von hier aus das eigentliche Preußen zu unterwerfen. Auf diesem Wege sollte Masowien, als ein schon christianisiertes Land, geschützt und die Missionierung der Prußen ermöglicht werden. Während die Deutschordensritter weichselabwärts die Unterwerfung betrieben, suchte Bischof Christian offenbar mit der von Dänemark gewährten Anwartschaft auf die Burg Preghore, dem Vorläufer Königsbergs an der Pregelmündung, bei den Prußen des Samlandes zu missionieren. Diese nahmen ihn jedoch für eine Reihe von Jahren gefangen, so daß der Orden die Gelegenheit erhielt, mit dem päpstlichen Legaten Wilhelm von Modena, der bereits in Livland mitgewirkt hatte, die Machtverhältnisse zu seinen Gunsten zu klären. Wichtig war die zwar erst nach Christians Freilassung im Jahre 1243 verfügte Zirkumskriptionsbulle, mit der nicht nur die weltliche Ausstattung der Bischöfe auf ein Drittel festgelegt wurde, sondern überhaupt erst die Gliederung Preußens in vier Diözesen bestimmt wurde. Das waren die Bistümer Kulm, Pomesanien, Ermland und das zu diesem Zeitpunkt erst noch zu unterwerfende Samland. Bischof Christian wurde von der päpstlichen Kurie aufgefordert, sich eines dieser vier Bistümer auszusuchen. Er war jedoch mit der ganzen Entwicklung nicht einverstanden und verweigerte sich. Wohl ehe er förmlich, wie angedroht, deshalb abgesetzt wurde, ist er im Jahre 1245 verstorben.
Die zeitliche Verknüpfung legt es nahe, in dem Ende Bischof Christians eine Voraussetzung für die Berufung von Erzbischof Albert Suerbeer zu sehen. Die Einheit seiner Provinz kann darin gesehen werden, daß sowohl in Preußen wie in Livland der päpstliche Legat Wilhelm von Modena tätig war und daß seit der Inkorporierung des Schwertbrüderordens in den Deutschen Orden letzterer ebenfalls in beiden Ländern die größte Militärmacht stellte, auch wenn die Verhältnisse in Livland für die Ordensritter weniger günstig waren. Albert Suerbeer hatte schon 1229 vergeblich versucht, als Bischof nach Riga zu kommen. Damals hatte sich der Prämonstratenser Nikolaus (von Nauen) aus Magdeburg durchsetzen können, der auch 1245 noch im Amt war. Daher wurde nun nach einem Amtssitz und einer Kathedrale für Albert Suerbeer gesucht. Obwohl er 1245 auf dem Konzil von Lyon als Anhänger der päpstlichen Politik gegen Kaiser Friedrich II. aufgetreten war, gelang es dem Landmeister des Deutschen Ordens, Dietrich von Grüningen, zu verhindern, daß der Erzbischof sich eines der noch unbesetzten preußischen Bistümer nahm. Albert Suerbeer wurde schließlich mit einer Anwartschaft auf Riga abgefunden, nach Nikolaus‘ Tod 1253 hat er dann Riga als Erzdiözese in Besitz nehmen können, die um das damals aufgehobene Bistum Semgallen vergrößert wurde. Damit war auch entschieden, daß Riga Mittelpunkt der Kirchenprovinz war, deren endgültige Ausgestaltung durch vollständige Unterwerfung der Prußen, Letten und Esten auch Albert Suerbeer († 1273) nicht mehr erlebt hat, da sich dies bis gegen Ende des 13. Jahrhunderts hinzog.
Lit.: Gustav Adolf Donner: Kardinal Wilhelm von Sabina. Helsingfors 1929. – Manfred Hellmann: Das Lettenland im Mittelalter. Münster, Köln 1954. – Kurt Forstreuter: Die Gründung des Erzbistums Riga 1245/1246, in: Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr. 10. 1960, S. 9-31. – Ders.: Fragen der Mission in Preußen 1245 bis 1260, in: Zeitschrift für Ostforschung 9. 1960, S. 250-268. – Gli inizi del cristianesimo in Livonia-Lettonia, hg. von Michaele Maccarone. Città del Vaticano 1989. – Hartmut Boockmann: Bemerkungen zu den frühen Urkunden über die Mission und Unterwerfung der Prußen, in: Die Ritterorden zwischen geistlicher und weltlicher Macht, hg. von Zenon Hubert Nowak. Toruñ 1990, S. 45-56. – Bernhart Jähnig: Zisterzienser und Ritterorden zwischen geistlicher und weltlicher Macht in Livland und Preußen zu Beginn der Missionszeit, ebd., S. 71-86.
Bild: Historisches Wappen des Erzbistums / Quelle: Von Johann Siebmacher – Reproduction of a painting that is in the public domain because of its age – Source http://commons.wikimedia.org/wiki/Siebmachers_Wappenbuch?uselang=de, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3463450
Bernhart Jähnig