Am 11. Juli 1346 wählten die Kurfürsten von Mainz, Köln und Trier sowie Böhmen und Sachsen-Wittenberg den Markgrafen Karl von Mähren gegen den amtierenden Kaiser Ludwig IV. zum neuen römisch-deutschen König und damit auch zum neuen Anwärter auf die Kaiserkrone. Diese Wahl wurde möglich, weil Papst Clemens VI. kurz vorher den Mainzer Erzbischof Heinrich von Virneburg, einen Anhänger Kaiser Ludwigs, der von Amts wegen eine Königswahl einzuleiten hatte, für abgesetzt erklärte und Gerlach von Nassau zum neuen Erzbischof machte. Zwar konnte sich dieser in Mainz keineswegs durchsetzen, doch war es möglich, die Wahlhandlung in Rhens am Rhein durchzuführen. Die für Köln vorgesehene Krönung mußte in Bonn durchgeführt werden, weil die Bürger Kölns wie die vieler anderer Städte Kaiser Ludwig treu blieben. Der junge Markgraf Karl war von der Mehrheit der Kurfürsten – ein Mehrheitswahlrecht der Kurfürsten wurde offiziell erst mit der „Goldenen Bulle“ Karls IV. von 1355/56 eingeführt – gewählt worden, weil sich diese auf die Seite des Papsttums hatte ziehen lassen, das seit Jahrzehnten mit Kaiser Ludwig einen erbitterten Streit führte, in dem es letztlich um die Vorherrschaft des Papsttums über die weltliche Macht des Kaisers ging.
Karl war der älteste Sohn König Johanns von Böhmen und Grafen von Luxemburg. Karls Großvater war Dantes Kaiser, Kaiser Heinrich VII. (1308-1313), der erste Luxemburger auf dem deutschen Königsthron. Johann erwarb mit der Heirat der przemyslidischen Erbtochter das Königreich Böhmen und damit eine Kurstimme. Nach Heinrichs VII. frühem Tode unterstützten die Luxemburger wegen Johanns noch jugendlichem Alter die Wahl Herzog Ludwigs von Oberbayern zum neuen König. Während dieser Herrscher aus wittelsbachischem Hause sich zunächst mit der habsburgischen Partei auseinanderzusetzen hatte, trat Johann in die Traditionen des böhmischen Königtums ein und zeichnete damit auch manche Wege Karls IV. vor. Anders als die Przemysliden konnte Johann in dem erstarkenden Polen keine tatsächliche Macht mehr behaupten. Jedoch übte er diplomatischen Druck aus – auch durch eine Unterstützung des Deutschen Ordens in Preußen, besonders nachdem dieser Pommerellen in Besitz genommen hatte. Mehrmals nahm er an Litauerreisen des Ordens teil, bei denen ihn sein Sohn Karl begleitete, zuletzt 1345. Anders als König Johann, dessen ritterlich-abenteuerlichem Lebensverständnis diese Kriegszüge sehr entsprochen haben, fand Karl daran offenbar kaum Gefallen. Bedeutender an König Johanns Ostpolitik waren seine Erfolge in Schlesien. Diese Landschaft des einstigen piastischen Großreichs Polen war seit dem 13. Jahrhundert zunehmend deutsch besiedelt worden. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts war es in 17 Fürstentümer zersplittert. Als Johann 1327 gegen Krakau zog, huldigten ihm die meisten oberschlesischen Fürsten; weitere folgten, ehe 1335 König Kasimir III. d. Gr. von Polen in Trentschin den Übergang Schlesiens an Böhmen anerkannte, während Johann auf seine Ansprüche auf das polnische Königtum verzichtete. Die meisten schlesischen Herrschaften wurden böhmische Lehen.
Mit Karls Königswahl 1346 war die Machtfrage im Reich keineswegs entschieden – ganz im Gegenteil. In der berühmten Schlacht bei Crécy, einer der letzten großen Ritterschlachten des Mittelalters, unterstützten die Luxemburger Frankreich gegen das mit Kaiser Ludwig verbündete England. Doch siegte England; der blinde König Johann fiel, Karl entkam nur verwundet. Im Reich wurde die Auseinandersetzung durch einen Zufall entschieden, durch einen Schlaganfall Kaiser Ludwigs am 11. Oktober 1347.
Schon vorher waren die wittelsbachischen Stellungen insgesamt die schwächeren. Mit dem Tode des Kaisers entfiel die führende Kraft. Erst spät wurde versucht, mit den Stimmen des abgesetzten Mainzer Erzbischofs Heinrich von Virneburg, der Pfalzgrafen, des wittelsbachischen Kurfürsten von Brandenburg und der Bevollmächtigten von Sachsen-Lauenburg Graf Günther von Schwarzburg-Arnstadt als Gegenkönig aufzubauen. Doch scheiterte dieser Versuch. Dagegen gelang es Karl planmäßig, seine politische Macht zu sichern und zu vergrößern. Schon zu Lebzeiten seines Vaters, der in Böhmen mit dem Königsgut verschwenderisch umgegangen war, konnte Karl das verpfändete Gut nach und nach wieder einlösen. Die Einnahmen der Krone Böhmen, vor allem durch den Kuttenberger Bergbau, vermochte er zu steigern. Er hatte damit eine vorzügliche Grundlage für seine Hausmacht- und Reichspolitik. Als „Nebenfigur der päpstlichen Politik“ und als „Geschöpf der Kurfürsten“ war Karl an die Macht gekommen. Das führte zunächst zu seinem schlechten Ruf als „Pfaffenknecht“ und des „Papstes Soldknecht und Laufbursche“. Allmählich gelang es ihm, sich von den päpstlichen Forderungen abzusetzen, indem er es vermied, in eigenen Schriftstücken die Wünsche des Papstes zu erfüllen, den offenen Kampf hatte er zu vermeiden. Zehn Jahre später, in der „Goldenen Bulle“ von 1355/56 regelte er das Wahlrecht, ohne daß eine päpstliche Zustimmung erwähnt wird.
Böhmen wurde von Karl IV. zur Zentrallandschaft des Reiches ausgebaut. Der politische Schwerpunkt des Reiches verlagerte sich nach Osten. Sichtbares Zeichen dafür wird die Residenzstadt Prag. Böhmen wurde auch ein kulturelles Zentrum. Neben dem künstlerischen Bereich ist auf die Gründung der Universität Prag 1348, der ältesten Universität des Reichs, zu verweisen. Auch wirtschaftspolitisch versuchte der Herrscher alle Wege auf Prag zu lenken. Sein Besuch in Lübeck ist hier einzuordnen. Die Macht der Krone Böhmen stärkte er 1348 durch die Inkorporierung der schlesischen Fürstentümer. In dritter Ehe hat Karl IV. später die Erbnichte Herzog Bolkos von Schweidnitz-Jauer († 1368) geheiratet und konnte damit in Schlesien die wichtigste Lücke schließen. Karls Finanzstärke ermöglichte es ihm, eine erfolgreiche Erwerbungspolitik nicht nur nach Westen in Richtung Frankfurt am Main zu betreiben, sondern auch im Norden Böhmens. In der Ober- und Niederlausitz hatte Böhmen schon vor Karl eine Reihe von Besitzungen. Er vermehrte den Besitz in der Oberlausitz und nahm schließlich die Niederlausitz, die die Wittelsbacher an die Wettiner verpfändet hatten, 1366/70 endgültig in Besitz. Weitere Erwerbungen machte Karl IV. in Obersachsen, im Egerland und im Vogtland. Bedeutend war jedoch sein Zugriff auf die Mark Brandenburg, weil er damit seinem Hause eine zweite von den sieben Kurstimmen verschaffte. Karl nutzte die Schwäche und die Familienstreitigkeiten der Wittelsbacher und griff nach längerwährenden diplomatischen Verwicklungen 1373 endgültig zu. Tangermünde wurde vom Kaiser als brandenburgische Residenz genutzt.
Schon Karl IV. versuchte das später vom Haus Habsburg so erfolgreiche Mittel der Heiratspolitik anzuwenden. Er zielte auf die östlich benachbarten, außerhalb des Reichs liegenden Königreiche Polen und Ungarn. König Kasimir III. von Polen hatte keine Söhne. Erbberechtigt war sein Neffe, König Ludwig von Ungarn aus dem Hause Anjou, der tatsächlich nach Kasimirs Tod 1370 neben Ungarn auch die Krone Polen übernahm. Durch Heiratsverbindungen erst eines Neffen, dann seines Sohnes Wenzel suchte Karl die Anwartschaft auf Polen zu erlangen. Auch Ludwig hatte keine Söhne, bekam aber spät Töchter. Im Zusammenhang der Auseinandersetzungen um die Mark Brandenburg konnte Karl IV. Ludwig dafür gewinnen, seine zweite Tochter Maria mit der Anwartschaft auf die Thronfolge in Polen mit Karls zweitem Sohn Siegmund, dem späteren Kaiser († 1437), zu verheiraten. Für die Thronfolge in Ungarn war Ludwigs älteste Tochter vorgesehen. Da Ludwig 1382 – vier Jahre nach Kaiser Karl IV. – starb, konnte dieser die Folgen nicht mehr erleben. Nach Ludwigs Tode handelten die ungarischen Stände schnell und krönten Maria zur Königin, daher wurde ihr Ehemann Siegmund König von Ungarn. Da die polnischen Stände nicht weiterhin ungarisches Nebenland sein wollten, konnte Siegmund dort die Herrschaft nicht antreten. Die Stände Polens veranlaßten Ludwigs jüngste Tochter Hedwig (Jadwiga), da die älteste inzwischen verstorben war, ihre Verlobung mit einem Habsburger zu lösen und stattdessen den litauischen Großfürsten Jagie³³o zu heiraten. Damit wurden die Christianisierung Litauens und die Vereinigung von Polen-Litauen eingeleitet.
Außerhalb der dynastischen Pläne Karls IV. mußten die Deutschordensländer Preußen und Livland bleiben. Sein Interesse an diesem Raum war verhältnismäßig gering. Er wird sicherlich erkannt haben, daß die Litauerreisen des Ordens zu keinem dauerhaften Erfolg gegen die noch heidnische Großmacht Litauen führen konnten. Als Litauen im Jahre 1358 – offenbar aus diplomatischen Gründen – wieder einmal eine Taufbereitschaft andeutete, war Karl IV. zu verhandeln bereit, bis sich zeigte, daß die Ernsthaftigkeit nicht weit reichte. Im Konflikt der Hanse mit Dänemark stand der Kaiser mit Waldemar IV. Atterdag in näheren Verbindungen, so daß der Hochmeister und Karl IV. gegeneinander arbeiteten, ohne daß es zu einem offenen Konflikt kam. Nur gelegentlich sollten in Preußen oder Livland Geistliche aus der Umgebung des Kaisers untergebracht werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen großen Herrschern der Zeit dürfte Karl IV. den Hochmeister Winrich von Kniprode nie getroffen haben. Trotz der ordensfreundlichen Tradition Böhmens haben Höflichkeit und ein gewisser Abstand die Beziehungen dieses Kaisers zum Orden in den Ostseeländern bestimmt.
Die Bedeutung Kaiser Karls IV. für den Osten des Deutschen Reiches besteht darin, daß er mit Böhmen ein politisches, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum schuf und festigte, so daß bis weit in die Neuzeit hinein, als Böhmen selbst diese Rolle nicht mehr wahrnehmen konnte, der Schwerpunkt des Reiches wenigstens in politischer Hinsicht östlich des Altsiedellandes blieb. Die Erben Prags wurden im 15. Jahrhundert Wien, später auch Berlin.
Lit.: Hermann Heimpel: Deutschland im späteren Mittelalter, Konstanz 1957. – Kaiser Karl IV. 1316-1378. Forschungen über Kaiser und Reich, hg. v. Hans Patze (Blätter für deutsche Landesgeschichte 114), Göttingen 1978. – Kaiser Karl IV. Staatsmann und Mäzen, hg. v. Ferdinand Seibt, München 1978. – Peter Moraw: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späteren Mittelalter, Berlin 1985. – Heinz Stoob: Kaiser Karl IV. und seine Zeit, Graz, Wien, Köln 1990.
Foto: Karl IV. auf dem Votivbild des Prager Erzbischofs Johann Očko von Wlaschim, um 1370 / Quelle: Von Kreis d. Theoderich von Prag – 1./2. Eigener Scan von: Bohemian art of the gothic and early renaissance periods, Press Foto, Praha3. Ausschnitt von: File:Anonym – Votive Painting of Archbishop Jan Očko of Vlašim.jpg, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1755205
Bernhart Jähnig