Im Laufe des 13. Jahrhunderts war Schlesien durch wiederholte dynastische Erbteilungen im landesherrlichen Piastenhause in etwa ein Dutzend politisch selbständige, untereinander vielfach zerstrittene Kleinfürstentümer zerfallen, die seit Ende des 13. Jahrhunderts, vor allem aber zu Beginn des 14. Jahrhunderts immer stärker in den Sog ihrer mächtig expandierenden Nachbarn, Böhmen im Westen und Polen im Osten, gerieten. Infolge der eigenen Schwäche und Uneinigkeit schließlich vor die Wahl gestellt, ihre bisherige Unabhängigkeit durch Einverleibung durch Böhmen oder Polen zu verlieren, gaben sie dem reichszugehörigen, westlich eingebundenen Böhmen den Vorzug, von dem sie sich größere politische und wirtschaftliche Vorteile erhofften. In den Jahren 1327, 1329, 1331 und 1336 unterstellten sich alle regierenden schlesischen Piastenherzöge mit ihren Ländern – ausgenommen Her¬zog Bolko II. von Schweidnitz-Jauer, der bis zu seinem Tode unabhängig blieb – mehr oder weniger freiwillig, teils gruppenweise, teils einzeln, als Vasallen König Johann von Böhmen. Dieser wurde zur gleichen Zeit auch Oberherr des Breslauer Bistumslandes Neisse-Ottmachau.
Im Vertrag von Trentschin 1335, bestätigt 1339, verzichtete der polnische König Kasimir III. gegenüber König Johann von Böhmen angesichts des eingetretenen Zustandes auf alle von ihm in Bezug auf Schlesien erhobenen Ansprüche. Am 20. März 1339 nahm der deutsche König Ludwig der Bayer die von Böhmen neu gewonnenen schlesischen Gebiete formell in den Verband des Reiches auf und über¬trug sie als Reichslehen an den König von Böhmen.
Nachdem der Luxemburger Karl IV. in der Nachfolge seines Vaters Johann 1346 auf den böhmischen Königsthron gelangt und nach dem Tode Ludwigs des Bayern auch unbestrittener deutscher König geworden war, inkorporierte er am 7. April 1348 in seiner Eigenschaft als deutscher König Schlesien – mit Ausnahme von Schweidnitz-Jauer – in das Königreich Böhmen. Er bestätigte und bekräftigte da¬mit als Reichsoberhaupt in feierlicher Form die unmittelbare lehns- und staatsrechtliche Zugehörigkeit Schlesiens zum Königreich Böhmen und die mittelbare – über Böhmen – zum deutschen Reich. Sobald Karl IV. einige Jahre später in Rom auch zum Kaiser gekrönt worden war, wiederholte er am 9. Oktober 1355 die Inkorporation von 1348 vollinhaltlich kraft der neu erlangten kaiserlichen Autorität. Durch seine inzwischen mit der Erbin von Schweidnitz-Jauer, der mit ihm in Rom zur Kaiserin gekrönten schlesischen Piastin Anna, geschlossene Ehe, leitete er überdies den Anfall auch des letzten noch freien schlesischen Fürstentums in die Wege. Der Erbfall trat mit dem Tode Herzog Bolkos II. von Schweidnitz-Jauer im Jahre 1368 ein. Ganz Schlesien gehörte fortan für Jahrhunderte als böhmisches Nebenland zum Reich. Mit Böhmen gelangte es dann durch den Erbfall von 1526 innerhalb des Reiches an das österreichische Kaiserhaus der Habsburger und von diesen Mitte des 18. Jahrhunderts durch Eroberung Friedrichs des Großen zum größten Teil an Preußen (Preußisch-Schlesien). Der kleinere südliche Teil blieb als Österreichisch-Schlesien bis 1918 bei Österreich.
Quellen: Lehns- und Besitzurkunden Schlesiens und seiner einzelnen Fürstentümer im Mittelalter, hrsg. von C. Grünhagen und H. Markgraf, 2 Bde., Leipzig 1881/83, Nd. Osnabrück 1965; die beiden Inkorporationsurkunden in Bd. I, S. 8ff. bzw. S. 71ff.
Lit.: H. Sanmann von Bühlow: Die Inkorporationen Karls IV. Ein Beitrag zur Geschichte des Staatseinheitsgedankens im späten Mittelalter, Marburg 1942. – G. von Grawert-May: Das staats¬rechtliche Verhältnis Schlesiens zu Polen, Böhmen und dem Reich während des Mittelalters, Aa¬len 1971. – J.J. Menzel: Schlesiens Trennung von Polen und Anschluß an Böhmen, in: Zeitschrift für Ostforschung, 27, 1978, S. 262-274.
Bild: Johann von Luxemburg / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.
Josef Joachim Menzel