Nachdem ihr Name früher so manchem die Schamröte ins Gesicht getrieben hatte, ist ihre Beurteilung heute durchaus ambivalent. Während die einen in Beate Uhse eine Ikone der sexuellen Befreiung sehen, halten sie andere für eine knallharte Geschäftsfrau.
Ihr Start ins Leben stand gleich in mehrfacher Hinsicht unter einem guten Stern. Zum einen wurde Beate Köstlin, die am 25. Oktober 1919 im ostpreußischen Wargenau zur Welt kam, in die „neue Zeit“ der Weimarer Republik hineingeboren, die jungen Frauen ganz neue Perspektiven ermöglichte. Zum anderen hatte sie ein ausgesprochen liberales Elternhaus und wuchs in wohlhabenden Verhältnissen auf. Vater Otto (1871-1945) bewirtschaftete einen stattlichen Gutshof und Mutter Margarete Köstlin-Räntsch (1880-1945) war sogar eine der ersten Ärztinnen Deutschlands. Von ihr wurde Beate frei erzogen, gründlich aufgeklärt und sogar über gängige Verhütungsmethoden informiert. So entwickelte sie sich zu einem ausgesprochen selbstbewussten, aber auch recht eigenwilligen Kind, das seinen Willen durchzusetzen verstand, später auch in beruflicher Hinsicht.
Es war nämlich der unbedingte Wunsch der sportlichen Beate, Pilotin zu werden, genau wie ihre großen Vorbilder Hanna Reitsch (1912-1979), Melitta Schenk von Stauffenberg (1903-1945) oder die Sportfliegerin Elly Beinhorn (1907-2007). Die Eltern hatten nichts dagegen einzuwenden und finanzierten ihr bereitwillig die Ausbildung. So lernte Beate auch ihren späteren Ehemann kennen, den Fluglehrer Hans-Jürgen Uhse, den sie 1939 heiratete. 1943 wurde Sohn Klaus geboren.
Das Familienglück endete jäh, als Hans-Jürgen Uhse nur ein Jahr später bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam. Diese Tragödie konnte Beate Uhse aber nicht davon abhalten, selbst weiter zu fliegen. Im Auftrag der deutschen Wehrmacht führte sie sogenannte Überführungsflüge durch, mit denen sie andere Flieger an die Front brachte. Über ihre Haltung zum NS-Regime hat sie später nie gesprochen. Doch obwohl sie sich nicht öffentlich zu Hitler bekannte und auch kein Parteimitglied war, spielte sie gelegentlich als Stunt-Pilotin in Propagandafilmen mit. Nur aus finanzieller Notwendigkeit und Liebe zur Fliegerei?
Nach Kriegsende, das sie nach Norddeutschland verschlug, geriet sie vorübergehend in englische Gefangenschaft. Danach stand sie als alleinerziehende Mutter vor einer völlig ungewissen Zukunft. Ihre Eltern lebten nicht mehr, beide waren 1945 von Soldaten der Roten Armee ermordet worden. Beate Uhse teilte ihr Schicksal mit zahllosen anderen Menschen. Viele waren bitterarm und die Frauen lebten in ständiger Angst vor einer Schwangerschaft, weil sie nicht wussten, wie sie ein Kind satt bekommen sollten. Bei den vielen Gesprächen mit Betroffenen kam Beate Uhse eine Idee: Schließlich hatte sie bereits als junges Mädchen mit ihrer Mutter über Verhütung gesprochen, auch über die Knaus-Ogino-Methode, bei der die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage im Kalender notiert werden. Diese Verhütungsmethode war die einzige, die die römisch-katholische Kirche erlaubte, freilich nicht umsonst als „vatikanisches Roulette“ verspottet – eine zwar unsichere, gleichwohl erste Möglichkeit, den Frauen zu helfen.
So wurde Beate Uhses Geschäftsidee geboren. Sie verfasste eine Broschüre, die Schrift X, in der sie die Abläufe des weiblichen Körpers und mögliche Methoden zur Verhinderung einer Schwangerschaft beschrieb. Um sie „an die Frau“ zu bringen, verschickte sie tausende Bestellscheine an deutsche Haushalte. Damit stieß sie auf große Resonanz, denn die Schrift X verkaufte sich 32.000-mal und bildete das Startkapital für das spätere Uhse-Imperium.
Nicht alle waren von der ungebetenen Post begeistert. Es hagelte Anklagen, meist mit dem Vorwurf, die Bestellscheine würden zu „unzüchtigem Verhalten“ verleiten. Trotzdem sahen viele Frauen in der Möglichkeit der Schwangerschaftsverhütung eine große Befreiung. Beate Uhse selbst sah das ganz nüchtern. 1997 sagte sie in einem Rundfunk-Interview: „Da hat man nicht so viele Sentimente über das, was man tut. Sondern man muss sehen, dass man überlebt und mit seinem Kind zurechtkommt.“
Bald hatte sie wieder einen Mann an ihrer Seite. 1949 heiratete sie den Kaufmann Ernst-Walter Rotermund, einen Witwer mit zwei Kindern. Die Geburt des gemeinsamen Sohnes Ulrich machte die Familie komplett. Beate Uhse nahm zwar den Namen Rotermund an, führte das Geschäft aber weiterhin als Beate Uhse, ein Name, der im prüden Nachkriegsdeutschland schon bald zur Marke wurde und für Aufklärung, Sex und Erotik stand. Sie sprach ihre Kundschaft gewissermaßen persönlich an.
1951 gründete sie in Flensburg das „Versandhaus Beate Uhse“, das u.a. Kondome und Schriften zur „Ehehygiene“ offerierte. Das Geschäft lief so gut, dass sie 1962 den ersten Sexshop eröffnete, was erwartungsgemäß zu einem weiteren Sturm der Empörung führte, weil die Artikel angeblich gegen „Zucht und Anstand“ verstießen. Doch das konnte den Erfolg des Unternehmens nicht bremsen, im Gegenteil. In den 1970er Jahren wurde „Beate Uhse“ zur Marktführerin in Deutschland. Bücher, Zeitschriften, Potenzmittel, Reizwäsche und Kondome ließen die Kasse klingeln. Als 1975 die Pornografie in Deutschland legalisiert wurde, ergänzten auch entsprechende Filme das Angebot. Das brachte der Unternehmerin heftige Kritik von Seiten der Feministinnen ein, die ihr, anlasteten die Frauen zu Lustobjekten zu degradieren. Es sei ihr nie um Gleichberechtigung gegangen, sondern immer nur um Profit. Doch auch diese Kritik prallte an Beate Uhse ab: „Ich bin nicht Jesus, sondern Unternehmer“, sagte sie 1985 der „Zeit“.
Privat hatte sie weniger Glück. Die Ehe mit Ernst-Walter Rotermund, der sich längst aus der Firma zurückgezogen hatte, wurde 1972 geschieden. Die Söhne, die inzwischen ebenfalls in das Unternehmen eingestiegen waren, hatten sich heillos zerstritten. Auch „Beate Uhse“ hatte den Zenit des Erfolgs überschritten. Zwar bescherte ihr der Mauerfall 1989 noch einmal neue Kundschaft, aber die Umsatzzahlen gingen kontinuierlich zurück und das Internet wurde zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz. Von nun an schwebte das Damoklesschwert der Insolvenz über dem Unternehmen, die 2017 tatsächlich eingereicht werden musste. Das traurige Ende ihrer Firma hat Beate Uhse nicht mehr erlebt. Sie starb am 16. Juli 2001 im Alter von 81 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Auf dem Friedhof in Glücksburg fand sie ihre letzte Ruhestätte.
Lit.: Jürgen Hobrecht, Beate Uhse – Chronik eines Lebens, Flensburg 2003. – Katrin Rönicke, Beate Uhse. Ein Leben gegen Tabus, Salzburg 2019. – Sybille Steinbacher, Wie der Sex nach Deutschland kam, München 2011.
Bild: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.
Karin Feuerstein-Praßer