Sebastian Wildmann wurde als Sohn des Bauern Paul Wildmann und seiner Frau Marie, geb. Rapp, in der rein deutschen Batschka-Gemeinde Filipowa, damals Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, als ältestes von neun Geschwistern geboren. Sein Vater und sein 19-jähriger Bruder Anton wurden am 25. November 1944 beim Massaker an 212 Männern aus der katholischen Gemeinde von den Partisanen ermordet. Nach der deutschsprachigen Volksschule kam der junge, für die Priesterlaufbahn bestimmte Wildmann an das Jesuitengymnasium in Travnik, wo er sich bereits in der Unterstufe mit Kroatisch, Französisch, Latein und Altgriechisch herumzuschlagen hatte. Da Filipowa 1941 an Ungarn fiel, musste er an das Gymnasium in Fünfkirchen/ Pécs wechseln und sich das Ungarische schnellstens soweit aneignen, dass er die Reifeprüfung ablegen konnte. Wildmann beherrschte also sechs Sprachen und den dörflichen Dialekt. Anschließend studierte er, nach einem unfreiwilligen episodischen Drill beim ungarischen Militär, Theologie in Kalotscha. Es verschlug ihn nach der Flucht aus seiner Heimat 1945 über Steinamanger/ Szombathely und St. Pölten schließlich in das unzerstörte Eichstätt, an die einzige theologische Hochschule, die noch in Betrieb war. Dort konnte er seine Theologie-studien abschließen. Auf die Priesterweihe 1949 feierte er die Primiz in Ering am Inn und anschließend Nachprimiz in Voitsberg (Steiermark) und in Linz/ Donau bei seinen Verwandten und Landsleuten. Es folgten an die acht Jahre Diaspora-Seelsorge in Mittelfranken. Wildmann wurde „Rucksackpfarrer“ und konnte mit Hilfe der „Kapellenwagenmission“ vielen zerstreut lebenden Katholiken spirituell und materiell helfen. Seine Standorte als „fliegender Kaplan“ waren 1949 Waldkirchen (Petersberg), 1951 Abersberg-Müßighof (Flüchtlingslager Langlau), 1958 Gaimersheim und 1960 Landershofen bei Eichstätt. 1964 wurde Wildmann Kaplan in Greding und 1977 Pfarrer von Röckenhofen, wo er neben seinem pastoralen Wirken sakrale Gebäude renovierte.
Wildmann war der wohl beste Kenner der Filipowaer Mundart und damit sozusagen ein Stück lebendiger Kulturgeschichte. 1970 erschien als Sonderdruck der ‚Heimatbriefe‘ sein ‚Filipowaer Wörterbuch‘, das den idiomatischen Eigenheiten der Ortssprache Filipowas nachgeht und tunlichst alle Eigenprägungen vermerkt. Die Filipowaer Redensarten, unbezahlbar in ihrem trefflichen Humor und ihrer Weisheit, erschienen 1980 im Heimatbrief Nr. 30 (S. 22-31). Ab 1966 schrieb Wildmann seine ‚Filipwarer Gschicht(e)‘ für die Heimatbriefe und die Bildbände. Er hatte ein Gespür für den versteckten Humor der Anekdoten über das dörfliche Leben, ein enormes Gedächtnis für solche Begebenheiten und auch den Willen und die Ausdauer, sie festzuhalten. Indem er die alte Heimat geistig rekonstruierte, baute er seinen Landsleuten eine seelische Brücke, dass sie sich emotional gestärkt in die neue Heimat finden konnten. Redaktionell half er auch bei der Veröffentlichung der Todesnachrichten und leistete damit die Trostarbeit. 1998 erschien nach mehr als 30-jähriger Sammelarbeit mit Hilfe eines Redaktionsteams das Filipowaer Mundartbuch mit gut 200 Seiten, eine konservierte und der Sprachforschung überlieferte kulturgeschichtliche Kostbarkeit mit den Wörtern (alemannisch-rheinfränkisches Mischgut), den Schimpfwörtern (Volkszorn mit Humor unterlegt) und den Redensarten (Ausdruck des Volkswitzes und der Volksweisheit). Im Jahr 2000 kam dann auch eine ‚Chronik der Gemeinde Filipowa 1763-2000‘ in Röckenhofen heraus. Ein Personenindex, der alle Filipowaer Publikationen aufschlüsseln sollte, konnte er nicht mehr fertigstellen.
Wegen seiner angegriffenen Gesundheit wurde er am 1. April 2002 in den Ruhestand versetzt, den er in Walpertskirchen (Erzdiözese München-Freising) verbrachte, wo ihn seine Schwester Maria in seiner körperlich und geistig schwächer werdenden Verfassung versorgte. Sebastian Wildmann starb am 31. Oktober 2004 in Erding.
Lit.: Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde, Siebenter Band: Filipowa weltweit, hrsg. v. Paul Mesli, Franz Schreiber, Georg Wildmann, Wien 1992, S. 135-13. – Georg Wildmann: Goldenes Priesterjubiläum von Pfarrer Sebastian Wildmann, in: Filipowaer Heimatbriefe, Wien-Linz, Pfingsten 1999, Heft 54, S. 2023. – Georg Wildmann: Sebastian Wildmann, Pfarrer i. R., in: Filipowaer Heimatbriefe, Wien-Linz, Weihnachten 2004, Heft 64, S. 121 f.
Bild: Archiv Freundeskreis der Filipowaer
Stefan P. Teppert