Flucht, Vertreibung und Beheimatung – mit der Rückkehr des Krieges nach Europa sind diese Themen wieder in den Mittelpunkt gerückt. Was lernt die Gesellschaft eigentlich aus Krieg und Vertreibung und wie können Fragen der Beheimatung und Identität wieder verstärkt in die Diskussion aufgenommen werden – darum ging es in einer Podiumsdiskussion am 15. Mai 2024 in der Vertretung des Freistaates Sachsen beim Bund. Der Einladung von Staatssekretär Conrad Clemens und Frank Hirche, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Erinnerung, Begegnung, Integration – Stiftung der Vertriebenen im Freistaat Sachsen, waren rund 140 Gäste gefolgt.
Staatssekretär Clemens betonte in seiner Begrüßung den emotionalen Schmerz, den Flucht und Vertreibung für die Betroffenen bedeuten, und mahnte, auch in der heutigen Diskussion um das Thema Asyl nicht zu vergessen, dass hinter jeder Fluchtgeschichte ein individuelles Schicksal steht. Dem schloss sich Frank Hirche an und verwies auf die Bildungs- und Begegnungsstätte „Transferraum Heimat“ in Knappenrode. Dr. Heike Amos, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, legte mit ihrem Impulsvortrag zum Thema „Vertriebene in der DDR“ Missstände im Umgang mit den Flüchtlingen und Vertriebenen dar. Sie wünschte sich bessere rechtliche und strukturelle Gegebenheiten für die Forschung auf diesem Gebiet. Der Beauftragte für Vertriebene und Spätaussiedler des Freistaates Sachsen, Dr. Jens Baumann, stellte den „Transferraum Heimat“ vor, mit dem Geschichte in einer multimedialen Ausstellung präsentiert und erlebbar gemacht wird.
Präsentation der herausragenden außerschulischen Bildungs- und Begegnungsstätte Transferraum Heimat in Knappenrode/Hoyerswerda mit filmischer Begleitung durch Dr. Jens Baumann, Beauftragter für Vertriebene und Spätaussiedler des Freistaates Sachsen
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion und im Austausch mit dem Auditorium – unter anderem mit Volodymyr Leysle, dem Vorsitzenden des Rates der Deutschen der Ukraine, welcher sich für die deutsche Minderheit in der Ukraine einsetzt – waren sich die Beteiligten einig, dass es wichtig ist, dieses Thema wieder stärker in gesellschaftliche und politische Diskussionen einzubringen, vor allem in den Bildungseinrichtungen. Dr. Gundula Bavendamm, Direktorin der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, hob hervor, wie wichtig ein „kommunikatives Gedächtnis“ ist und dass jeder Mensch Heimat braucht, auch wenn jeder den Begriff für sich selbst auf eigene Weise definiert.
Bernard Gaida, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft deutscher Minderheiten und zugleich selbst Teil einer Minderheit, führte aus, dass es den Vertriebenen nach dem 2. Weltkrieg sehr schwer gemacht wurde, in Deutschland Fuß zu fassen, er deshalb bis heute wie ein „Nomade“ zwischen der geografischen und kulturellen Heimat unterscheidet und wie abhängig die Behandlung der Minderheiten von der aktuellen politischen Lage im jeweiligen Land ist.
Auch Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, setzt sich dafür ein, die Themen der Vergangenheit in die Gegenwart zu transportieren und das Wissen nicht zu verwalten, sondern es aktiv in die Gesellschaft zu tragen. Ebenfalls hob er die Bedeutung des deutschen kulturellen Erbes als Teil einer gesamteuropäischen Kultur- und Geistesgeschichte hervor die Brücken ins östliche Europa zu schlagen vermag.
Dr. Heike Amos, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Zeitgeschichte München-Berlin,
Dr. Jens Baumann, Beauftragter für Vertriebene und Spätaussiedler des Freistaates Sachsen
Dr. Gundula Bavendamm, Direktorin der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, Bernard Gaida, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft deutscher Minderheiten, Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Dr. Joachim Klose, Leiter des Politischen Bildungsforums Berlin und Frank Hirche, Vorstandsvorsitzender von Erinnerung, Begegnung, Integration – Stiftung der Vertriebenen im Freistaat Sachsen
Ausgehend von den Erfahrungen der deutschen Vertriebenen am Ende des 2. Weltkriegs wurde an dem Themenabend ein Bogen in die heutige Zeit gespannt. Gesellschaftliche Integrationsleistungen wurden gewürdigt und aktuelle Integrationserfordernisse aufgezeigt. Es zeigte sich, wie wichtig fundiertes historisches Wissen ist, um mit aktuellen Herausforderungen angemessen umgehen zu können.
Dr. Heike Amos, Thomas Konhäuser, Dr. Gundula Bavendamm und Dr. Jens Baumann