Am 14. Januar 2025 wurde im Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen die Fotoausstellung „Steinzeugen – Fotografien mittelalterlicher Architektur zwischen Stettin, Danzig und Königsberg“ / „Niemi świadkowie – Fotografie architektury średniowiecznej między Szcecinem, Gdańskiem i Królewcem“ eröffnet.
Gunter Dehnert, der Direktor des Kulturzentrums Ostpreußen, begrüßte die Anwesenden, unter anderem den 1. Bürgermeister von Ellingen, Matthias Obernöder. Es folgte ein Grußwort von Dr. Ernst Gierlich, dem Vorstandsvorsitzenden der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, welche die Ausstellung ermöglicht hatte. Der Kurator der Ausstellung, Prof. Dr. Christofer Herrmann, gab anschließend in einem Lichtbildervortrag detaillierte Einblicke in die Auswahl der Bilder und die Techniken der Fotografie.
Historische Bauwerke sind, wie Prof. Dr. Herrmann ausführte, eindrucksvolle steinerne Zeugen der Vergangenheit. Die Ereignisse und Begebenheiten der vergangenen Jahrhunderte haben vielerlei Spuren und Zeichen auf der materiellen Oberfläche der Baudenkmäler hinterlassen, die von deren Errichtung, Beschädigung, Wiederherstellung und vielerlei menschlichen Schicksalen Zeugnis geben. Dies zeigt sich auch eindrucksvoll in der Landschaft des historischen Ost- und Westpreußen, dem mittelalterlichen Deutschordensland, in dem Prußen, Deutsche, Polen und Litauer miteinander lebten. Die Schönheit der geschichtsträchtigen Architektur der alten Burgen und Kirchen berührt und verbindet heute die Menschen über Sprachen und Nationalitäten hinweg und wirkt dadurch völkerverbindend.
Die Ausstellung Steinzeugen zeigt die Schönheit und Faszination der Gemäuer der vergangenen Epochen aus verschiedenen Perspektiven. Die Bandbreite der Fotos reicht von imponierenden Gesamtansichten des Inneren und Äußeren der Burgen und Kirchen aus der Ordenszeit, überrascht aber auch mit feinfühligen Detailaufnahmen. In manchen Aufnahmen präsentieren sich Architektur und Natur in einem atmosphärischen Spannungsverhältnis, es zeigt sich die Materialität der Baustoffe mit ihren vielschichtigen Altersspuren und die Innenaufnahmen vermitteln eine zeitlose Stille. Man benötigt keine ausführlichen Beschreibungen, um die Faszination spüren zu können, die die Architektur dieser Epoche auf die Betrachter ausübt und die über Grenzen hinweg durch ihre Ästhetik verbindet.
Prof. Dr. Herrmann ist Kunsthistoriker, spezialisiert auf mittelalterliche Architektur in Deutschland, Polen und dem Baltikum. Studium und Promotion an der Universität Mainz, Habilitation an der Universität Greifswald, berufliche Tätigkeit an den Universitäten Allenstein/Olsztyn, Danzig/Gdańsk, TU Berlin und Mainz. Forschungsschwerpunkt von Prof. Herrmann ist insbesondere die Region des historischen Deutschordensland Preußen. Schon seit Studienzeiten widmet er sich der Architekturfotografie und hat seine Fotos auch in zahlreichen Publikationen veröffentlicht. Dabei entstand in den letzten 25 Jahre ein umfangreiches Fotoarchiv mit eigenen Aufnahmen. Aus diesem Bestand sind die Architekturbilder für diese Ausstellung entnommen. Gezeigt werden 25 Aufnahmen im Großformat (ca. 70 x 100 cm), sie umfassen Außenansichten, Innenaufnahme und Baudetails in einer ausgewogenen und für die Betrachter anregenden Mischung. Um die Aufmerksamkeit der Betrachter auf die Bilder nicht durch große Textumfänge abzulenken, sind die Beschreibungen knappgehalten.
Hier einige Eindrücke der Eröffnung der Ausstellung am 14. Januar 2025 im Kulturzentrum Ostpreußen im barocken Ellinger Deutschordensschloss:
Die Ausstellung wird noch bis zum 30. März 2025 in Ellingen zu sehen sein. Sie ist zweisprachig (deutsch/polnisch) beschriftet, um die weitere Präsentation an Orten nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen zu ermöglichen.
Grußwort Dr. Ernst Gierlich zur Eröffnung der Ausstellung „STEINZEUGEN“
„Meine sehr verehrten Damen und Herren,
in diesem Hause, dem Zentrum der Bewahrung und Pflege des ostpreußischen Kulturerbes, brauche ich ihn gewiss nicht näher vorzustellen: Den Barockdichter Simon Dach, der von 1605 bis 1629 lebte, der Professor für Dichtkunst an der Königsberger Albertus-Universität und deren Rektor war, der dort als führender Kopf des literarischen Kreises der sog „musikalischen Kürbishütte“ das reiche kulturelle Leben Königsbergs und Preußens als eines Zentrums der deutschsprachigen Dichtung im Frühbarock repräsentiert. Im populären Gedächtnis ist das ihm zugeschriebene Gedicht bzw. Lied „Ännchen von Tharau“ präsent, doch kennt man von ihm mehr als 1200 Gedichte, die er zu den verschiedensten privaten und öffentlichen Anlässen in der Stadt verfasste, Kasual-Lyrik durchweg von hoher literarischer Qualität.
Warum erwähne ich ihn hier zur Eröffnung der Ausstellung „Steinzeugen“? Im Jahre 1651 widmete er ein Hochzeitsgedicht dem Brautpaar Christoff Meyer und Anna Jenicke, und In ihm heißt es mahnend:
„Nun es sei dahin gewagt, –
Gleichwohl muss es sein gesagt,
Ich mein‘ es mit Treuen,
Wenn sich niemand kühn erzeigt,
und was sonst soll reden schweigt,
müssen Steine schreien.“
„Steine, die schreien“ – worauf genau Simon Dach damals in Königsberg sein mahnendes Wort an die Brautleute bezog, muss uns hier nicht interessieren. Wichtig ist das Bild an sich: Steine vermögen verkannte, unbequeme, vergessene Wahrheiten deutlich auszusprechen.
Und das Bild der schreienden Steine hat Dach nicht erfunden. Theologisch gebildet, ja ausgebildet, wie er war, kannte er es bereits aus dem Alten und dem Neuen Testament. So unterstreicht der Prophet Habakuk (Hab 2,11) seine Mahnungen an die Mächtigen seiner Zeit mit dem Wort: „Es schreit der Stein in der Mauer und der Sparren im Gebälk gibt ihm Antwort.“ Und noch bedeutender, im Bericht des Evangelisten Lukas (Lk 19,40) über den Einzug Jesu in Jerusalem vor seinem Leiden, bei dem einige Pharisäer ihn anherrschten, er möge doch die Jubelrufe seiner Jünger unterbinden, und er erwiderte: „Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.“
Nun, so dramatisch und moralisch mahnend wie in den biblischen Zusammenhängen und in der Barockliteratur müssen wir den Titel unserer heutigen Ausstellung „Steinzeugen“ gewiss nicht verstehen. Gleichwohl: Die Steine, die hier mit eindrucksvollen Fotografien präsentiert werden, sie legen auf jeden Fall ein beredtes Zeugnis ab. Die mit ihnen geschaffene historische Architektur, also Befestigungen und Burgen, Kirchen und Bürgerhäuser, ob sie nun gepflegt und erhalten sind oder sich als Ruinen oder Grabungsbefund präsentieren, sie spricht von deren Errichtung, Beschädigung, Wiederherstellung und damit auch von vielerlei menschlichen Schicksalen im Laufe der Jahrhunderte. Die Steine reden auf eindrucksvolle Weise von einer von einer reichen Kultur und Geschichte, der Kultur und Geschichte von Danzig und dem mittelalterlichen Deutschordensland Preußen, von einer Landschaft, in der Prußen, Deutsche, Polen, Litauer und andere miteinander lebten, in friedlichen wie in friedlosen Zeiten.
Die geschichtsträchtige Architektur dieser Landschaft, sie berührt bis heute die Menschen, die dort leben, und ebenso die, welche sie besuchen, sie wirkt über die Grenzen von Sprachen und Nationalitäten hinweg und wirkt dadurch völkerverbindend. Charakteristisch ist hierbei insbesondere die mittelalterliche Backsteinarchitektur, welche nicht nur die genannte Landschaft, sondern nicht weniger die gesamte Region der südlichen Ostsee nach wie vor prägt.
Unsere in Bonn ansässige Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, sie widmet sich seit mehr als 50 Jahren der Aufarbeitung und Vermittlung von Geschichte und Kultur der ehemals deutschen bzw. von Deutschen besiedelten Gebiete im Osten. Für den Bereich der Kunstwissenschaft ist gerade die genannte nationenübergreifende Identifizierung seit Jahrzehnten Motivation, sich insbesondere der Erforschung der Backsteinarchitektur zu widmen, öffnet sich hier doch die Möglichkeit zu ebenso enger wie unkomplizierter fachlicher Kooperation zwischen Wissenschaftlern aus Deutschland und aus den Nachbarländern. Die gemeinsame Erforschung der Backsteinbaukunst kann geradezu als Vorreiter für die grenzübergreifende Zusammenarbeit in den Bereichen Geschichte und Kultur des historischen deutschen Ostens überhaupt gelten, die uns am Herzen liegt.
So hat die Kulturstiftung bereits seit 1990 in Deutschland und in Polen eine Reihe von Fachtagungen zu diesem Thema organisiert, und deren Ergebnisse u.a. in Form einer Ausstellung einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert. Und wir hatten auch die Freude, dies im Jahre 2015, also vor 10 Jahren, auch hier in diesem Hause, im Kulturzentrum Ostpreußen zu tun.
Bereits damals maßgeblich mitgewirkt hat nicht zuletzt Herr Professor Dr. Christofer Herrmann, dem wir nun mit der Ausstellung „Steinzeugen“, die nunmehr erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird, beindruckende fotografischen Impressionen verdanken, Bilder, die uns die Schönheit und Faszination der Gemäuer der vergangenen Epochen aus verschiedenen Perspektiven vor Augen führen.
Und es ist für die historische Architektur der Region eben ein großer Glücksfall, dass es mit Herrn Prof. Herrmann nicht nur einen profunden Kenner, international anerkannten Wissenschaftler hierzu gibt, sondern auch jemand, der es gleichzeitig versteht, diese Architektur professionell fotografisch zu dokumentieren, und dies in einer künstlerische gekonnten Weise, welche sie für alle, weit über die Wissenschaft hinaus, ansprechend macht, der die Steine auf diese Weise also tatsächlich zum Reden bringt, sie ein lebendiges Zeugnis der reichen völkerverbindenden Kultur und Geschichte des Raumes ablegen lässt.
Somit darf ich mich auch seitens unserer Stiftung ganz herzlich beim Kulturzentrum Ellingen und insbesondere bei Herrn Direktor Dehnert für die Möglichkeit für die Präsentation der Ausstellung bedanken, und ich wünsche der Ausstellung in diesem Hause natürlich viele interessierte Besucher, die dann vielleicht sogar angeregt werden, bei einer Reise in das historische Ost- und Westpreußen das Zeugnis der Steine, ihre Schönheit, ihr Reden, vielleicht sogar ihr Schreien, wie es der Ostpreuße Simon Dach einst beschwor, auch vor Ort zu vernehmen. –
Vielen Dank!“