Als Sohn eines Rittergutsbesitzers geboren, studierte Friedrich Bernhardi nach Besuch des Züllichauer Gymnasiums Berg- und Hüttenkunde in Berlin und Clausthal. Seine ersten bergmännischen Schichten als Bergeleve und Bergreferendar verfuhr er im Waldenburger Revier. Außer dem schlesischen Bergbau lernte er den im Bezirk Halle, im Harz, in Rheinland-Westfalen und in Belgien kennen. 1869 bestand er sein Examen als Bergassessor. Im Anschluß daran arbeitete er zunächst auf der Königin-Louise-Grube in Zabrze, dann bei der Berginspektion Königshütte sowie bei Tiele-Winckler. 1873 schließlich trat er als Direktor der Bergwerke und Hütten in die Dienste der Bergwerksgesellschaft Georg von Giesche’s Erben; von 1884 bis 1904 leitete er sie als Generaldirektor.
Bernhardi entwickelte den Steinkohlenbergbau der Gesellschaft zielbewußt nach eigenen Ideen als eigenständige Produktion durch die Einführung der Separation, den Abbau tiefer Flöze sowie, durch die Kohlenkonjunktur begünstigt, die Erschließung neuer Grubenfelder in der Cleophas- und der Heynitzgrube. Sein Wirken, das sich für Giesche als ungemein gewinnträchtig erwies, reichte über das Unternehmen weit hinaus, zumal in seiner Eigenschaft als langjähriger Vorsitzender des Oberschlesischen Berg- und Hüttenmännischen Vereins. So war der Zusammenschluß der Oberschlesischen Kohleproduzenten zur Kohlenkonvention vor allem sein Werk. Ein weiteres Gebiet bedeutender Erfolge bildete die Zink- und Bleierzförderung sowie die Verhüttung dieser Erze einmal durch den Erwerb neuer Gruben, sodann durch den Ausbau zahlreicher bestehender Anlagen. Gleichzeitig setzte Bernhardi sich für eine zollpolitische Förderung und gerechtere steuerliche Behandlung Oberschlesiens ein, außerdem für den Ausbau der Oder, der Eisenbahnverbindungen in und aus dem Revier sowie die Regelung der Frachtverhältnisse.
Infolge seines sozialpolitischen Engagements gelang es ihm, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Für den Fortbestand des Unternehmens Giesche war bedeutsam, daß er nicht nur ganz bewußt den etwa 1850 begonnenen Übergang zum großindustriellen Betrieb fortsetzte, sondern auch die nach dem Tod des Gründers (1716) allmählich üblich gewordene Praxis der Ausschüttung der Bruttoeinnahmen als Ausbeute an die Familie beendete. Der Bau von Arbeiterwohnhäusern, außerdem von Gärten, Parkanlagen, Kinderspielplätzen, gemeinsamen Arbeiterwaschhäusern sowie die Gründung von Konsumvereinen zeigen, daß er nicht nur um das Wohlergehen der Arbeiter am Arbeitsplatz bemüht war, sondern daß ihm die Verbesserung der sozialen Lage in ihrer gesamten Bandbreite ein Anliegen war. Mit gutem Grund konnte er daher 1904 feststellen: „Daß jetzt mehr als 600000 Einwohner hier ein auskömmliches Brot finden, daß der Kulturzustand dieser ganzen Bevölkerung ein unvergleichlich höherer ist, als er vor der Entwicklung der Montanindustrie war und in den industrielosen Nachbarkreisen noch ist, das ist eben der Hauptsegen, den diese Industrie verbreitete, auch abgesehen von allen sogenannten Wohlfahrtseinrichtungen, und zu diesem Segen hat die Bergwerksgesellschaft Georg von Giesche’s Erben ihren vollen Teil beigetragen. Man könnte ja nun leicht sagen ,Das ist kein besonderes Verdienst der Gesellschaft; wenn sie und ihre Gründer nicht gewesen wären, so wären eben andere gekommen. Andere hätten auch den Galmei gefunden und dessen Verkauf in die Ferne in die Wege geleitet. Andere hätten dann auch den Gruben- und Hüttenbetrieb eröffnet und den Tausenden von Arbeitern Beschäftigung gegeben.‘ Wer so denkt, der unterschätzt doch die Einzelwirkungen der industriellen Unternehmer und ihren Einfluß auf die Entwicklung der Industrie.“
Als Bernhardi 1904 die Generaldirektion einschließlich aller übrigen Ämter niederlegte, und dies nicht nur wegen Erreichens der Altersgrenze, sondern auch wegen Querelen mit den Firmeninhabern, schlug er als seinen Nachfolger den fleißigen und zuverlässigen Geh. Bergrat Anton Uthemann vor, auf dessen Anregung in den Jahren 1906 bis 1910 die Arbeitergartenstadt Gieschewald (Giszowiec) angelegt werden sollte.
Friedrich Bernhardi, der am 4. Februar 1916 nach der Rückkehr von einer Reise auf seinem Ruhesitz bei Züllichau starb, wurde nach seinem Ableben folgendermaßen gewürdigt: „Technisches Können, kaufmännischer Weitblick, außerordentliche Willenskraft und nicht zuletzt fachschriftstellerische Begabung schufen entscheidend Neues auf technischem und sozialem Gebiet und ließen unser Heimatrevier von vorher nur provinzieller zu internationaler Bedeutung hinsichtlich Kohle und Zink aufsteigen.“
Werke (Auswahl): Denkschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens der der Bergwerksgesellschaft Georg von Giesche’s Erben gehörenden Wilhelmine-Zinkhütte zu Schoppinitz, Beuthen (1883), 36 S.
Lit.: Geheimer Bergrat Friedrich Bernhardi. Abschiedsrede …, in: Springer, Oberschlesische Bergmanns-Poesie und Prosa II (1914), S. 70-76; Friedrich Bernhardi, in: Oberschlesien 14 (1915/16), S. 561-571; Friedrich Bernhardi. Ein Lebensbild, in: Ztschr. d. Oberschles. Berg- u. Hüttenmännischen Vereins 55 (1916), S. 2-8; A. Friedrich, Oberschlesische Industriekapitäne: Bernhardi, Kollmann, Fürst Henckel von Donnersmarck, in: Nord und Süd 40 (1916), S. 101-109; C. Besser, Friedrich Bernhardi, in: Schlesier des 19. Jahrhunderts (Schlesische Lebensbilder, Bd. I), Breslau 1922, Sigmaringen 21985, S. 77-81; B. Knochenhauer, Die Oberschlesische Montainindustrie, Gotha 1927, S. 127-133; W. Serlo, Die preußischen Bergassessoren, Berlin 41933, S. 49-50; ders., Männer des Bergbaus, Berlin 1937, S. 13-14; B. Knochenhauer» Friedrich Bernhardi (1838-1916). Deutsche Führer der oberschlesischen Montanindustrie, in: Der Südosten 18 (1940), S. 563-564; A. Perlick, Oberschlesische Berg- und Hüttenleute. Lebensbilder aus dem oberschlesischen Industrierevier, Kitzingen/Main 1953, S. 162-164; W. Treue, Georg von Giesche’s Erben seit 1704, (Hamburg) 1964, S. 72-76.
Konrad Fuchs