Ernst Bernheim war der Sohn von Louis Bernheim, eines Kaufmannes, der aus Fürstenberg/Mecklenburg nach Hamburg übergesiedelt war. Bernheim blickte auf eine jüdische Vorfahrenschaft zurück. Er besuchte das Gymnasium Johanneum in Hamburg und studierte anschließend in Berlin und Heidelberg Geschichte, um 1873 in Straßburg promoviert zu werden, und zwar mit einer Arbeit über das Wormser Konkordat. Anschließend wirkte er im Rechts- und Verfassungsgeschichtlichen Seminar der Universität Göttingen unter Frensdorff und Waitz. 1875 wurde er in Göttingen habilitiert und 1883 zum außerordentlichen Professor an der Universität Greifswald ernannt. 1884 heiratet er Amalie Jessen, die Tochter des Greifswalder Gewerbeschuldirektors Otto Jessen. 1889 wurde Bernheim zum ordentlichen Professor in Greifswald berufen. Ein Wechsel an die Universität Leipzig, der von dem dort lehrenden Karl Lamprecht 1892 betrieben wurde, kam nicht zustande. 1889 wurde Bernheim zum Rektor der Greifswalder Universität gewählt. Aufgrund einschlägiger Arbeiten fungierte er seit 1912 als Vorsitzender der Gesellschaft für Hochschulpädagogik. Nach seiner Emeritierung 1921 lebte Bernheim weiter in Greifswald, in seinen letzten Lebensjahren wegen seiner jüdischen Abstammung unter schwierigsten Bedingungen.
Bernheims Arbeitsschwerpunkte waren die Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Geschichtsmethodologie und -philosophie sowie editorische Tätigkeit. 1880 publizierte er eine Arbeit über Geschichtsforschung und Geschichtsphilosophie, 1889 folgte dann sein wohl bekanntestes Werk, das Lehrbuch der historischen Methode, das bis 1908 sechs Auflagen erlebte und in vier Sprachen übersetzt wurde. Dieser nach Droysens Historik bedeutendste Entwurf einer umfassenden Geschichtstheorie konnte auch im Ausland eine beachtliche Rezeption erreichen. Es folgten 1898:Der Universitätsunterricht und die Erfordernisse der Gegenwart, 1905; Einleitung in die Geschichtswissenschaft, die ebenfalls mehreren Auflagen erlebte. Aus dem Umkreis seines Dissertationsthemas publizierte er 1906: Das Wormser Konkordat und seine Vorurkunden und schließlich 1918 das Werk: Mittelalterliche Zeitanschaungen in ihrem Einfluß auf Politik und Geschichtsschreibung. Durch dieses Buch gilt Bernheim als einer der ersten Vertreter der Geistesgeschichte, der die mittelalterlichen Zeitanschauungen offenzulegen versuchte. Als Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica hat sich Bernheim 1891 bis 1897 an den Arbeiten der Herausgabe der Libelli de lite imperatorum et pontificum betätigt.
Es bleibt merkwürdig, daß die Beschäftigung Bernheims mit Problemen der Hochschulpädagogik, also mit Fragen, die nur wenige zeitgenössische Fachwissenschaftler bewegten, so folgenlos blieb, obwohl er die notwendige Auseinandersetzung mit der wachsenden Bedeutung der Naturwissenschaften und deren Verhältnis zu den Kultur- und Geisteswissenschaften problematisierte. So verband cr seine methodische Position mit einer inhaltlichen Festlegung von Geschichtsschreibung als Kulturgeschichte. Kulturgeschichte im weiteren Sinne verstand er als Geschichte der Entwicklung der sozialen Lebensformen und Arbeitsresultate, im Unterschied zur politischen Geschichte, die die historische Entwicklung der Staaten und des Staatslebens darzustellen hätte. Damit bezog er Position für Lamprecht in dessen Kontroverse innerhalb der damaligen Geschichtswissenschaft. Wenn er auch sein Verhältnis zu Lamprecht differenzierte, so gilt Bernheim doch als Wegbereiter einer Kultur-und Geschichtsschreibung als Sozialgeschichtsschreibung. Allerdings hat er dieses programmatische Konzept durch seine realhistorischen Untersuchungen nur im Ansatz eingelöst. Obwohl Bernheim mit seinen Konzepten über seine Zeit hinaus gewiesen hat, ist er auch nach 1945 nicht seiner Bedeutung entsprechend gewürdigt worden.
Lit.: NDB II, 1955, S. 125 (Gottfried Opitz). – Horst Buzello: Ernst Bernheim (1850-1942). In: Siegfried Quandt, (Hrsg.): Deutsche Geschichtsdidaktiker des 19. und 20. Jhs., 1978, S. 219-256. – vom Bruch und Müller (Hrsg.): Historikerlexikon, 1991 , S. 27 f. (Luise Schorn-Schütte).
Bild: Bildarchiv Foto Marburg
Carl August Lückerath