Nach seiner Soldatenzeit als Einjähriger beim 10. Husarenregiment gründete in Berlin der ehemalige Vizefeldwebel Bernhard Loeser am Alexanderplatz zusammen mit dem zehn Jahre älteren Karl Wolff am 1. Juli 1865 ein Zigarrenhandelsgeschäft. Als er 1901 starb, gab es in Berlin bereits 65 jener Eckgeschäfte, die als „Loeser & Wolff an der Ecke“ sehr bekannt waren und in Deutschland dem einschlägigen „Detailhandel ein neues Gewand“ gegeben hatten. Während Karl Wolff die Berliner Geschäfte betreute, war Bernhard Loeser für den Außendienst zuständig. Er bereiste zunächst das Berliner Umland und bald auch die Provinzen Pommern, Westpreußen und Ostpreußen. Das für die Berliner Zigarrenhändler sehr wichtige Absatzgebiet am Unterlauf der Weichsel und am Pregel lag von Berlin weit entfernt. Der mit großer Sorgfalt durchzuführende Transport der Waren war recht kostenaufwendig. Es mußte eine näher gelegene Produktionsstätte gefunden werden.
Auf seinen Reisen besuchte Bernhard Loeser auch die aufstrebende Industriestadt Elbing in Westpreußen. Dort lernte er die kleine Zigarrenfabrik Kohlweck & Co. kennen, in die er am 20. Januar 1874 als Teilhaber eintrat, und die Loeser 1878 erwarb. Mit Zustimmung seines Partners in Berlin nannte er die Elbinger Firma Loeser & Wolff. Der Partner blieb aber weiter ausschließlich für die Berliner Geschäfte zuständig. Der Elbinger Betrieb nahm die Zigarrenproduktion mit weniger als 40 Beschäftigten auf. Die Produktion betrug 1874 nur 26.700 Zigarren, mit denen der Bedarf nicht gedeckt wurde. Es mußten immer mehr neue Arbeitskräfte eingestellt werden. Die Betriebsfläche wurde in den Jahren 1874, 1880, 1881 und 1882 durch Neubauten immer wieder vergrößert.
Die Zigarren wurden ausschließlich von Frauen in Handarbeit und in der Fabrik, nicht wie anderswo in Heimarbeit hergestellt; sie wurden gewickelt. Der ständig zunehmende Arbeitskräftebedarf war für die Menschen in Elbing und den sozialen Frieden von wesentlicher Bedeutung. Die Männer – Familienväter und Söhne – hatten Arbeit in der Eisenindustrie. Vor allem die unverheirateten Frauen und jungen Mädchen wären ohne Loeser & Wolff ohne Arbeit geblieben. Die Zigarrenfabrik benötigte sogar mehr weibliche Arbeitskräfte als der Arbeitsmarkt in Elbing hergab. Daher errichtete der weitsichtige Kaufmann und Fabrikherr Bernhard Loeser 1885 eine Zweigfabrik in der 50 km entfernten Kreisstadt Braunsberg/Ostpr. Die Kapazität der beiden Fabriken reichte für die folgenden 21 Jahre. Dann, am 1. Dezember 1911, wurde eine zweite Zweigfabrik in Marienburg/Westpr. und 1911 die dritte in Pr. Stargard/Westpr. in Betrieb genommen. Alle Produktionsstätten leitete Fabrikdirektor Franz Wilhelm Pamperin von Elbing aus. Er war der Sohn eines kleinen Elbinger Tabakfabrikanten.
Die Qualität der zunächst ausschließlich aus importierten Rohtabaken hergestellten Zigarren war gut und die Art der Geschäftstüchtigkeit des Kaufmanns Bernhard Loeser wohl auch richtig. Der Verkauf über die Ladentheke der eigenen Geschäfte florierte, wurde aber bald vom Großhandel, einschließlich des Exports in viele Länder Europas, nach Afrika, Asien und nach Japan, überholt. Bereits 1881 stellte Bernhard Loeser auf der Weltausstellung in Melbourne aus. Auf anderen Ausstellungen wie in Königsberg Pr., Bromberg und Berlin erhielten die Loeserzigarren hohe Auszeichnungen. Der Ruf der Firma war beachtlich. Sie war auch bekannt für ihre beispielhaften Sozialleistungen und Einrichtungen. Nach einem Besuch der Elbinger Fabrik 1886 sagte der preußische Staatsminister von Boetticher, „eine solche industrielle Musteranlage“ würde es wohl anderswo in Deutschland und wohl auch kaum in Europa geben.
Der ehemalige Vizefeldwebel Loeser wurde 1890, als sein Berliner Geschäft 25 Jahre alt geworden war, von Kaiser Wilhelm II. zum Ehrenmitglied des Nationaldanks für Veteranen ernannt. Er erhielt am 29. Januar 1895 den Ehrentitel eines Königlich-preußischen Kommerzienrats verliehen. Zum 25jährigen Jubiläum der Elbinger Fabrik 1899 erfolgte die Umbenennung einer der drei Straßen, an denen das Firmengelände grenzte: die Große Ziegelscheunstraße hieß jetzt Loeserstraße. Als Bernhard Loeser am 2. Mai 1901 nachts um 01:00 Uhr (nicht am 1. Mai) starb, hatte er in Elbing und Braunsberg rd. 2000 Mitarbeiter, vorwiegend Frauen, die 1901 rund 100 Millionen Zigarren produzierten. Er wurde in Berlin-Weißensee auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt. Karl Wolff starb am 13. November 1902. Die Betriebe erbten seine Witwe Cäcilie und Schwiegersohn Alfred Sommerguth. Ende der zwanziger Jahre war die Tochter Lucia Sommerguth-Loeser die Alleineigentümerin. Die Firma wurde 1920 eine GmbH. Im Jahre 1937, in dem Lucia Sommerguth-Loeser starb, übernahm das Unternehmen der in Berlin ansässige und langjährige Direktor Walter Beyer als alleiniger Eigentümer. Er leitete die Firma, die von 1937–1952 seinen Namen führte, bis zum 31. Dezember 1963. Zu 80 % gehörte die GmbH seit 1952 der Lucia Loeser-Stiftung. Das Kriegsende 1945 leitete das Ende der einst weltweit bekannten Firma ein. Im Handelsregisterbuch beim Amtsgericht Charlottenburg heißt der Eintrag vom 27. September 1952, nicht früher: „Die Zweigniederlassung Elbing besteht nicht mehr… Durch die Zeitverhältnisse überholt.“ Am 30. Juni 1983 wurde die Weltfirma aufgelöst. Die Fabriken im Osten fehlten, in denen früher in einem Jahr bis zu 194.500.000 Zigarren hergestellt wurden und die in der Fabrikation und der Verwaltung bis zu 4983 Mitarbeiter beschäftigt hatten.
Lit.: A. Boldt: Elbinger Geistesleben im neunzehnten Jahrhundert, Mohrungen 1894. – Das Haus Loeser & Wolff, in: Elbinger Illustrierte Zeitung herausgegeben bei Gelegenheit des 19. Provinzial Sängerfestes 1897, Elbing. – Jahresbericht der Aeltesten der Kaufmannschaft zu Elbing im Jahre 1907, Elbing 1908. – Auskunftsbuch über die Wohlfahrts-Einrichtungen für die Stadt Elbing, Elbing 1911. – Edward Carstenn: Wirtschaftliche Entwicklung Elbings im neunzehnten Jahrhundert, Elbing 1913. – Theodor Lockemann (B): Elbing, in: DARI, Berlin 1926, S. 140–142. – Curt Uffhausen (B): Elbing, in: DARI, Berlin 21929, S. 192–194. – Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, Band 1–2, Berlin 1930. – Emil Krüger: Elbing. Eine Kulturkunde auf Heimatlicher Grundlage, in: Elbinger Lesebogen A Nr. 9, Elbing 1930, S. 129–142. – Friedrich Richter: Beiträge zur Industrie- und Handwerksgeschichte Ostpreußens 1919–1939, Wiesbaden 1988. – Hans-Jürgen Schuch: Elbing. Aus 750 Jahren Geschichte der Ordens-, Hanse- und Industriestadt, Berlin/Bonn 1989, S. 136–141. – Ernst G. Lowenthal: Loeser, Bernhard, in: Altpreußische Biographie, Band IV/2, Marburg 1989, Sp. 1251. – Hans-Jürgen Schuch: Loeser & Wolff. Heimatsammlung erzählt Geschichte, in: Elbinger Nachrichten 807 (1997), S. 6. – Hans-Jürgen Schuch: Loeser & Wolff. Aus der Geschichte einer Weltfirma, in: Preußische Landesgeschichte, Marburg 2001 1, S. 405–423.
Bild: Foto- und Bildarchiv des Verfassers.
Hans-Jürgen Schuch