Joseph Maria Olbrich wurde als drittes Kind der wohlhabenden Eheleute Edmund und Aloisia Olbrich am 22. Dezember 1867 in Troppau geboren. Der Vater besaß neben einer gut gehenden Konditorei auch eine Ziegelei, für die sich der Sohn schon früh lebhaft interessierte. Olbrich besuchte das Gymnasium in Troppau, das er als 14-Jähriger verließ, arbeitete mehrere Wochen bei dem Troppauer Bauunternehmer Hubert Kment und schrieb sich im September 1882 an der Staatsgewerbeschule, Bauabteilung Julius Deininger in Wien, ein. Großen Einfluss auf den jungen Olbrich hatte Camillo Sitte.
Im Sommer 1886 kehrte Olbrich nach Troppau zurück und arbeitete für die Baufirma August Bartel. Olbrichs Kreativität und hervorragende Zeichentechnik fielen Bartel auf. Dieser ermutigte Olbrich, wieder nach Wien zu gehen und seine Ausbildung fortzusetzen. Im Oktober 1890 immatrikulierte sich Olbrich an der Akademie der Künste, Abteilung Architektur. Die Leitung der Kunstakademie hatte Baron Carl von Hasenauer inne. Olbrichs Fähigkeiten zeigten sich sofort. Schon im ersten Studienjahr erhielt er dieFüger-Medaille, den Pein-Preis und den 2. Preis, dotiert mit 22 Florin, beim Wettbewerb für das Schlesische Museum in Troppau, im zweiten Studienjahr den Preis der Spezialschule für Architekturund im dritten Studienjahr den mit 1.500 Gulden dotiertenRom-Preis.
Als Abschlussarbeit zeigte Olbrich im Juli 1893 in der Akademie-Ausstellung den Entwurf für ein Theater. Otto Wagner wurde dadurch auf den jungen Olbrich aufmerksam und beschäftigte ihn bis November 1893 in seinem Büro. Dann wandte sich Olbrich nach Italien, um seinenRom-Preis zu nutzen. Nur knapp vier Monate hielt er sich in Rom auf, dann reiste er südwärts bis nach Tunis. Dort erreichte ihn ein weiterer Brief Otto Wagners, der ihn dringend bat, nach Wien zurückzukehren. Im Mai 1894 kam Olbrich in Wien an und wurde sofort von Otto Wagner als Projektleiter für die Stadtbahn eingesetzt. 1895 verließ er Wagners Büro erneut und nutzte den Rest des Rom-Preises für eine Studienreise nach Deutschland, Frankreich und England. Ein Wettbewerbsentwurf für das Museum in Reichenberg wurde angekauft und für den Entwurf der Stadthalle von Laibach erhielt Olbrich 600 Gulden.
1898 wurde Otto Wagner mit der Planung eines Neubaus für die Akademie der Künste betraut und Olbrich mit dem Entwurf für die zentrale Ehrenhalle. Obwohl diese nie gebaut wurde, erregte sie großes Aufsehen unter den Zeitgenossen.
Als erste selbständige Arbeit Olbrichs kann der temporäre Salon der ersten Secessionsausstellung in den Monaten März bis Juni 1898 genannt werden. Die Ausstellung war nicht nur ein Publikumserfolg, sondern schuf durch die Einnahmen die Grundlage für den Bau eines permanenten Ausstellungsgebäudes. Dieses sollte an der Wollzeile stehen. Olbrich wurde mit der Planung beauftragt. Der erste Entwurf mit starken barocken Elementen erregte Widerspruch. Erst als durch Carl Moll, den Vizepräsidenten der Secession, der neue Standort in der Friedrichstraße gefunden war, wurde die Zustimmung gegeben. Olbrich legte einen neuen Plan vor, schlichter, klassizistischer und mit einer durchbrochenen, goldenen Kuppel aus Lorbeerblättern. In sechs Monaten war der Bau errichtet und zur 2. Secessionsausstellung am 12. November 1898 eröffnet. Erst verspottet, dann belächelt wurde das Secessionsgebäude Olbrichs zur Ikone des neuen Secessions-Stils, des Jugendstils.
Großherzog Ernst Ludwig von Hessen sah dieses Gebäude und lud Olbrich nach Darmstadt ein. Der Großherzog plante, auf der Mathildenhöhe eine Künstlerkolonie anzusiedeln, um die Qualität des Kunsthandwerks in Hessen zu heben, die Nachfrage zu steigern und die Öffentlichkeit empfänglicher zu machen für dieNeue Kunst. Olbrich schien ihm der geeignete Leiter dieser Künstlerkolonie. Olbrich sah ein Betätigungsfeld, in dem er seine Ideen verwirklichen konnte und verließ Wien. Am 10. Juli 1899 traf er in Darmstadt ein, 10 Tage nach der offiziellen Gründung der Kolonie, die sieben Künstler umfasste. Olbrich war der einzige Architekt. Die erste Aufgabe war die Gestaltung des Darmstädter Zimmers auf der Weltausstellung 1900 in Paris. Obwohl in Darmstadt kritisiert, errang Olbrichs Arbeit eine Goldmedaille. Auch dasWiener Zimmer, Olbrichs österreichischer Beitrag auf dieser Weltausstellung, wurde ausgezeichnet.
1901 fand die erste Ausstellung der Künstler-Kolonie statt. Olbrich schuf das Ernst-Ludwig-Haus auf der Mathildenhöhe als Atelier-Haus. Vor allem mit der Eingangsgestaltung setzte er Zeichen im Neuen Stil als„Tempel zeitgenössischer Kunst“. An provisorischen Bauten auf der Ausstellung von 1901 wurden das Eingangstor, zwei Postkarten-Kioske, das Ausstellungsrestaurant, für das Olbrich zusammen mit Paul Bürck Möbel, Tischdecken, Besteck und Geschirr entwarf, das Ausstellungsgebäude für Flächenkunst, das Blumenhaus, der Orchester-Pavillon und das (Theater-)Spielhaus von Olbrich entworfen und realisiert und die ersten von Olbrich errichten Künstler-Wohnhäuser samt Innenausstattung gezeigt.
Bei der Künstlerkolonie-Ausstellung auf der Mathildenhöhe 1904 erregte Olbrichs Dreihäusergruppe Aufsehen.
Ab 1905 wurde die Planung des Hochzeitsturms und der anschließenden Ausstellungs- und Mehrzweckhalle intensiv betrieben. Hinzu kam die Gesamtplanung der Gartenbau-Ausstellung 1905 auf der Mathildenhöhe. Nach den sehr erfolgreichen Beiträgen Olbrichs zur Lousiana-Verkaufsausstellung in St. Louis 1904 und der Verleihung des Grand Prix und der Goldmedaille wurde Olbrich 1905 als korrespondierendes Mitglied in das American Institut of Architects berufen.
1906 beteiligte sich Olbrich an der Kölner Ausstellung mit dem Frauenrosenhof als Ausstellungsgebäude für kostbare, handgearbeitete Gegenstände, die er meist selbst entworfen hatte. Im Herbst des Jahres 1906 wurde der Wettbewerb für das neue Kaufhaus Tietz in Düsseldorf ausgeschrieben, den Olbrich schließlich gewann. Um diesen Großauftrag zu erfüllen, eröffnete er dort ein Büro und plante nicht nur den Stahlbetonbau, sondern auch jedes Detail der Innenausstattung. Der Rohbau war zu seinem Tod fertiggestellt. 1906 begann auch die Zusammenarbeit mit den Autofabrikanten Wilhelm Opel in Rüsselsheim. Olbrich machte einen Entwurf für ein Auto und zur Ausstellung der Künstlerkolonie 1908, der Hessischen Landesausstellung, steuerte Olbrich das Arbeiterhaus Opel bei, ein kostengünstiges Einfamilienhaus für die Belegschaft des Opelwerkes.
Joseph Maria Olbrich war im Alter von knapp 40 Jahren ein weltweit anerkannter Architekt und Designer, der einen neuen Stil geschaffen hatte. Er war zum Professor ernannt, erhielt jedoch keinen Lehrstuhl. Er setzte auf das einheitlich gestalteteGesamtkunstwerk vom Besteck bis zum Kaufhaus, vom Turm bis zur Mode, vom Teppich bis zum Plakat. Ohne sein Wirken ist der„Jugendstil“ nicht zu denken. Mehr als 120 Bauten und Großprojekte realisierte er von 1890 bis 1908.
Joseph Maria Olbrich starb am 8. August 1908 mit 40 Jahren an Leukämie.
Lit.: Peter Haiko/Caterina Iezzi/Renate Ulmer, Joseph Maria Olbrich.Secession Wien-Mathildenhöhe Darmstadt. Ausstellungsarchitektur um 1900, München 2006. – Jan Latham, Joseph Maria Olbrich, Stuttgart 1981. Dort weitere Literatur.
Idis B. Hartmann