Biographie

Birnschein, Alfred

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien), Ostbrandenburg
Beruf: Bildender Künstler, Kunsterzieher
* 12. Juni 1908 in Crossen/Oder
† 13. November 1990 in Gevelsberg

Überfliegt man die Biografie des Malers, Zeichners und Pädagogen Alfred Birnschein, so kommt einem zum Bewußtsein, welche Odyssee er gleich seiner Generation hinter sich gebracht hat. In Crossen an der Oder im Kreis Brandenburg geboren, studiert er – nach Ablegung des Abiturs in seiner Vaterstadt – an der TH Berlin-Charlottenburg, entdeckt aber bald seine Berufung zum Maler und wechselt zur berühmten Breslauer Kunstakademie über, wo er sein Hochschulstudium (Professoren Alexander Kanoldt, Otto Mueller, Oskar Schlemmer, Paul Holz) 1932 beendet. Zwischendurch zwei Semester in Düsseldorf, Staatsexamina in Berlin und Breslau. Seine sechzehnjährige Tätigkeit als Kunsterzieher in Schlesien prägt den Menschen und Künstler mit; in Glogau heiratet er die spätere Malerin und Collagistin Marie-Luise Krüger. Ab 1940 bis zur Einberufung zum Kriegsdienst lehrt Birnschein an einem Gymnasium in Posen. Nach Entlassung aus der britischen Gefangenschaft verdient er seinen Unterhalt als Hilfsarbeiter, dann als freier Maler auf Gut Schwegerhoff, bis Gevelsberg/Nordrhein-Westfalen sein endgültiges Domizil wird (1948); 1973 tritt er als Studiendirektor in den Ruhestand.

Wendet man sich seinem künstlerischen Œuvre zu, so entdeckt man auch hier etliche Stationen, verschiedene Stilphasen, die bisweilen sprungartig anmuten. Wem das Glück nicht vergönnt war, Birnscheins Kunst im Original in einer der zahlreichen Ausstellungen oder in seinem Gevelsberger Atelier erlebt zu haben, der erfährt im Bildband „Reflexionen und Visionen – 1946-1986“ die Mannigfaltigkeit seiner verschiedenen Ausdrucksweisen anhand der Themen Krieg, Flucht und Vertreibung, aber auch Neubeginn. Während der 40 Jahre der künstlerischen Auseinandersetzung mit dieser Thematik malt Birnschein mal expressionistisch, mal impressionistisch, nähert sich einer völligen Abstraktion und verfährt manchmal konstruktiv. Im reichen Bildteil seiner Monografie, die anläßlich seines 70. Geburtstages erschien, wird seine stilistische Wandlungsfähigkeit noch deutlicher. Auf dem Gebiet der sogenannten Abstrakten Malerei und Zeichnung ist sowohl der informelle Pol, dank Birnscheins Temperament, vertreten wie der geometrisch architektonische, der an sein Ingenieurstudium erinnert (siehe Reihe „Phänomena“, 1965/6, sowie „Technica“, 1968/ 1977). Es gibt Gemälde, die, von der Natur angeregt, einen realistisch-dokumentarischen Charakter tragen, andere, die rhythmisch-melodiöse Kompositionen sind, daneben auch solche, die wie aus dem Inneren ausbrechende absolut-expressive Gestaltungen anmuten.

Eine künstlerische Würdigung allein wäre freilich unvollständig; wichtig für das Persönlichkeitsbild Alfred Birnscheins erscheint auch der Pädagoge und der dynamische und pflichtbewußte ehrenamtliche Leiter der Fachgruppe Bildende Kunst NWR der Künstlergilde Esslingen e.V. seit 1967 (nach dem Tode der Grafikerin Traude Teodorescu-Klein auch kommissarischer Leiter der Sektion im gesamten Bundesgebiet und West-Berlin). Als Pädagoge an einem Gevelsberger Gymnasium führte er die Jugend zur Kunst und zum Laienspiel und war ihr jahrzehntelang nicht nur Mentor, sondern auch menschliches Vorbild. Dank seiner zahlreichen Aktivitäten während der Zeit als künstlerischer Sektionsleiter der Künstlergilde kann diese Periode als die „goldene“ bezeichnet werden.

Schlesien wurde durch die entscheidenden Jahre, die der bewußte Märker an der Breslauer Akademie unter so prominenten Professoren wie Otto Mueller und Oskar Schlemmer verbrachte, aber auch wegen seiner in dieser Landschaft gesammelten pädagogischen Erfahrungen als Studienrat zu seiner zweiten Heimat; drüben verlor er freilich auch seine sämtlichen bis zum Krieg entstandenen Werke. In Westfalen begann dann die Ernte aus seinen künstlerischen und pädagogischen Lehrjahren. Die Verbundenheit zur alten und neuen Heimat drückt sich in seiner Zugehörigkeit zur Künstlergilde und zu westdeutschen Künstler verbänden aus.

Lit.: „La Revue modern“, Paris 1958. – „Alfred Birnschein“, Monographie (Texte Ernst Schremmer, Franz Kumher, Wolfgang Schwarz), Eigenverlag 1978. – Günther Ott „Künstlerprofile I“, Walter Rau-Verlag Düsseldorf 1980. – „Der Wegweiser“, Düsseldorf (1971, 1978, Texte Wolfgang Schwarz, Günther Ott). –  Reihe Werkstatt Gryphius/Künstlergilde NRW a) „Widerspiele in Wort und Text“ (1976), b) „Landschaft“ (1979), c) „Zeugnisse“ (1980), d) „Feder und Stift“ (1984), e) „Linie, Fläche, Raum“ (1986). –  „Reflexionen und Visionen – 1946-1986“ (Texte Ernst Schremmer, Günther Ott), Verlag Aurel Bongers, Recklinghausen 1986.