Der gebürtige Thüringer studierte in Berlin und Tübingen Theologie und legte in Berlin sein l. Examen mit der Note „Recht gut mit Auszeichnung“ (1883) und sein 2. mit dem Prädikat „Vorzüglich“, ab. Blau besaß die Befähigung zu einer akademischen Laufbahn, wählte aber nach seiner Ordinierung in der Berliner Matthauskirche (1885) die praktische Seelsorge. Nach Pfarrstellen in Haynrode/Eichsfeld, Jüterbog und an der Kaiserin-Viktoria-Stiftung in Berlin wurde er 1902 Superintendent und Hofprediger im Fürstentum Wernigerode, wo er ein Apologetisches Seminar einrichtete, das später zur lutherischen Akademie in Sondershausen ausgebaut wurde.
1910 verging an Blau der Ruf, das Amt des Generalsuperintendenten der preußischen Provinzialkirche in Posen zu übernehmen. Dieses Amt füllte er mit bewundernswerter Aktivität und vorbildlicher Seelsorge voll aus und erwarb sich ein großes Ansehen und Vertrauen. Die Universität Breslau verlieh ihm die Ehrendoktorwürde.
Eine völlige Veränderung brachte für ihn der Ausgang des Ersten Weltkrieges. Die polnischen Aufständischen sperrten ihn und 24 evangelische Geistliche in das Internierungslager Szczepiorno. Die Kirche war von der Liquidation und der Annulation ihres Eigentums, der Ausweisung und der Internierung von Pfarrern und Lehrern, der Ausweisung und der Abwanderung von Gläubigen, Not, Angst und Unsicherheit betroffen. Für die abgetrennten Teile der preußischen Kirchenprovinzen, Westpreußen (Pommerellen) und Ostpreußen (Soldau), war das Schicksal der evangelisch-unierten Kirche zunächst offen. Es war das Verdienst Blaus nach seiner Freilassung im April 1920, einen einheitlichen Synodalverband für Posen und Pommerellen geschaffen zu haben, dem sich das Soldauer Gebiet anschloß. Diese „Ev.-unierte Kirche in Polen“, mit dem Konsistorium in Posen, stand unter seiner Leitung, mußte sich aber nach Aufforderung durch die polnische Regierung von ihrer Mutterkirche, dem Oberkirchenrat der Altpreußischen Union in Berlin, lösen. Doch riß die Verbindung dorthin nie ab. Darüber hinaus mußten die Verhältnisse auch zum polnischen Staate, den evangelischen Bruderkirchen in Polen und zum Lutherischen Weltbund geklärt werden. Das Verhältnis zum Bischof der evangelischen Kirche des Augsburgischen Bekenntnisses in Kongreßpolen, Bursche, in Warschau war wegen dessen Polonisierungsbestrebungen getrübt. Zu den deutschen evangelischen Gemeinden in Galizien und Oberschlesien pflegte Blau engen Kontakt. Blau stand vor schwierigen Aufgaben, bekam aber nach harter Aufbauarbeit das Kirchenschiff wieder auf festen Kurs. Die von Ausweisung und Abwanderung geschwächten Gemeinden und hinsichtlich ihres Volkstums und ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrängten Gemeindeglieder fanden in ihrer Kirche geistlichen Rückhalt und verstärkte soziale Hilfe und erfuhren sie so als wahre Volkskirche. Blau unterhielt zudem eine enge Verbindung zum Gustav-Adolf-Verein, der in dieser Lage eine segensreiche Unterstützung gewährte.
Blau bereiste die neu hinzugekommenen Gebiete, hielt sorgfältige Kirchenvisitationen ab, durch die er ein genaues Bild der Verhältnisse gewann. Zur Sicherung der geistlichen Versorgung der Gemeinden, von denen viele ohne Pfarrer waren, errichtete er in Posen eine theologische Schule zur Einführung in das theologische Studium und zum Erlernen der alten Sprachen. Als durch eine Verschärfung der Paßgesetze der Zugang zu reichsdeutschen Fakultäten versperrt worden war, baute Blau diese Einrichtung zur theologischen Hochschule aus. Gemeinsam mit dem Danziger Generalsuperintendenten Kai weit betrieb er in Danzig theologische Weiterbildungsveranstaltungen, da dorthin vereinfachte Reisemöglichkeiten bestanden. Diese Zusammenarbeit wirkte sich gerade für Pommerellen in vielfacher Weise auch auf einzelne Gemeinden aus.
Blau behielt die deutsche Staatsbürgerschaft. Er war dadurch zwar von der Ausweisung bedroht, doch angesichts des großen Ansehens, das Blau beim Lutherischen Weltbund besaß, fürchtete die polnische Regierung internationale Reaktionen. Von Vorteil war, daß Blau nicht den polnischen Paßbestimmungen unterlag und seine Reisetätigkeit uneingeschränkt war. Da der polnische Staat die Verfassung der Kirche weder anerkannte noch ablehnte, sich aber verfassungsrechtlich die Befugnis vorbehielt, auch personell in die Kirchenleitung einzugreifen, blieb Blau trotz seines hohen Alters (1939: 77 Jahre) im Amt.
Als sich 1939 die deutsch-polnischen Spannungen zuspitzten, hielt sich Blau zur Kur in Deutschland auf. Die polnischen Behörden verweigerten ihm bei seiner Rückreise die Einreise. Dadurch entging der alte Herr sicherlich der Verschleppung, die er nicht überlebt hätte. Er besuchte nun Lager, in denen die etwa 70000 aus Polen, vornehmlich aus seinem Kirchengebiet geflüchteten Deutschen untergebracht waren. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges brachte durch die Ermordung vieler Pastoren und Gemeindeglieder durch polnische Fanatiker schweres Leid über die Gemeinden. Die Hoffnung, nach schwerem Ringen mit der polnischen Regierung und den polnischen Behörden sich nun frei entfalten zu können, trog. Die nationalsozialistische Herrschaft brachte der ausgesperrten Gliedkirche unter Gauleiter Greiser einen härteren Kirchenkampf als zuvor. Um mit seiner Person das nationalsozialistische Regime, so gut es ging, vor Eingriffen abhalten zu können, blieb Blau bis zu seinem Tode im Amt. Pommerellen und Soldau wurden rückgegliedert. Den Untergang seiner Kirchenprovinz zu erleben blieb ihm erspart.
Blau war eine begnadete, herausragende Persönlichkeit mit großer Ausstrahlung, die, zur rechten Zeit auf den rechten Platz gestellt, unter ungewöhnlichen und erschwerten Bedingungen erfolgreich zu wirken vermochte. Hochgeschätzt und liebevoll verehrt, verkörperte er selbst Volkskirche. Seine große Bildung und Frömmigkeit verdeutlicht auch sein vielfältiges schriftstellerisches und dichterisches Wirken.
Lit.: Kruska, Harald (Hrsg.): Festschrift zum Gedenken an Generalsuperintendent D. Paul Blau anläßl. seines 100. Geburtstages, mit ausführlicher Biographie. 1961. -Rhode, Arthur: Geschichte der Ev. Kirche im Posener Lande. 1956. – Deutsche Schulzeitung in Polen. 11.1931 Nr. 16, S. 205. – Hubatsch, Walther: Die ev. Generalkirchenvisitiationen in den von Ost- u. Westpreußen sowie Posen 1920 abgetrennten Kirchenkreisen. 1971. – Rasmus, Hugo: Pommerellen/Westpreußen 1919-1939. 1989. – Schrammen, Günther: Blau, Paul D. theol. In: Kulturwart Nr. 185/1991, S. 26. – Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Blau_%28Theologe%29
Foto: Bildarchiv Herder-Institut, Marburg.
Hugo Rasmus