Biographie

Tortilowicz von Batocki-Friebe, Max Johannes Otto Adolf

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Oberpräsident der Provinz Ostpreußen
* 31. Juli 1868 in Bledau, Cranz/Kr. Königsberger Land
† 22. Mai 1944 in Wosegau, Cranz

Urgroßvater Rittergutsbesitzer Wilhelm Tortilovius hatte 1822 den laut Familienüberlieferung nach 1525 abgelegten Namen Tortilowicz von Batocki (ein aus Litauen stammendes Geschlecht) wieder angenommen.

Adolf Tortilowicz von Batocki-Friebe wurde auf Gut Bledau geboren als Sohn des Kammerherrn und Majoratsbesitzers Otto Tortilowicz von Batocki-Friebe (1835 – 1890) und dessen Ehefrau Fanny, geborene Gräfin von Keyserlingk (1841 – 1919). Er besuchte in Königsberg (Pr.) das Friedrichskollegium, das er Ostern 1886 mit dem Abitur und Bestnoten verließ, um in Bonn, Straßburg und Königsberg Rechts- und Staatswissenschaften zu studieren (1889 Gerichts-Referendar; 1894 Regierungs-Assessor); er verließ 1895 den Staatsdienst, um das ererbte Gut Bledau zu bewirtschaften, kehrte jedoch am 11. März 1900 als Landrat des Heimatkreises in den Dienst zurück. Er gab Anregungen zur Lösung der Landarbeiterfrage und förderte die Landfrauenbewegung; in seiner Amtszeit wurde am 4. Juli 1905 die Kreissparkasse des Landkreises eröffnet. Am 8. Februar 1907 erfolgte seine Wahl zum Vorsitzenden der Landwirtschaftskammer Ostpreußen; seine abermalige Entlassung aus dem Staatsdienst wurde am 15. Mai desselben Jahres bewilligt. Er setzte sich für niedere Abgaben ein: Gegen die Überspannung der Kommunalabgaben (Königsberg: Gräfe und Unzer 1912). Batocki hatte im Kürassier-Regiment Graf Wrangel (Ostpr.-Nr. 3; Rittmeister d. R.) gedient und am 4. März 1898 in Kilgis (b. Königsberg) Paula, geborene Gräfin von Kalnein, geheiratet, Tochter des Ober-Marschalls im Königreich Preußen, Graf Karl von Kailnein, und dessen Ehefrau Ada, geborene Gräfin zu Eulenburg; der Ehe entstammten drei Söhne und eine Tochter. Im September 1914 wurde Batocki zum Oberpräsidenten der Provinz Ostpreußen ernannt, die in Teilen von der russischen Armee verwüstet wurde (u.a. über 40000 zerstörte Gebäude und etwa 300000 Schadensfälle). Batocki leitete den Wiederaufbau, holte Architekten aus dem Reich heran und war Vorsitzender der Kriegshilfskommission in Königsberg, die am 12. Oktober 1914 ihre Arbeit aufnahm. Er berichtete Vom Kampfe um das Geschick Ostpreußens (als Manuskript gedr. Königsberg: Ostpr. Verl.-Anst. 1914.24 S.) und äußerte (am 16.3.15 auch vor dem Pr. Abgeordnetenhause) Gedanken über Ostpreußens Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (Kriegs-Veröffentl. d. dt. Bundes für Heimatschutz. München: Callwey 1915. 56 S. m. Abb.). Am 16. Mai 1916 wurde Batocki zum Präsidenten des neu geschaffenen Kriegsernährungsamtes in Berlin ernannt, das er unter Schwierigkeiten aufbaute und bis August 1917 leitete; aus ihm sollte sich das Reichsernährungsministerium entwickeln. Nach soldatischer Dienstleistung in Italien (als Stadtkommandant von Udine hatte er für die Sicherheit eines Kaisertreffens zu sorgen), kehrte er im Februar 1918 als Oberpräsident in die Heimat zurück (Major d. R.; EKII. u. I. KL; Österr. Milit-Verdienst-Kreuz III. KL; Pr. Kronen-Orden I. KL). Nach der Revolution im Reich traten auch in Ostpreußen revolutionäre Kräfte auf; am 8. Januar 1919 wurde der „Provinzial-Arbeiter und Soldatenrat“ gebildet; die spartakistische „Volksmarinedivison“ (die Verbindung zur Roten Armee suchte) besetzte das Königsberger Schloß. Auf Antrag von Batocki wurde Ende Januar 1919 August Winnig zum Reichskommissar für Ost- und Westpreußen ernannt; beiden gelang es, die Ordnung wiederherzustellen. Batocki trat entschieden gegen polnische Gebietsforderungen auf. Nach der Unterzeichnung des (völkerrechtswidrigen) Versailler Vertrages legte er Ende Juni 1919 sein Amt als Oberpräsident nieder, auf seinen Vorschlag hin wurde August Winnig zu seinem Nachfolger ernannt. Batocki äußerte sich über Ostpreußens wirtschaftliche Lage vor und nach dem Weltkriege (Berlin: Dt. Verl. ges. f. Politik und Geschichte. 1920. 24 S.) und stand dann noch ein halbes Jahr lang in Berlin als Reichskommissar für den Wiederaufbau an der Seite von Walther Rathenau, der vom Mai bis zum November 1921 Wiederaufbauminister war. Batocki forderte: macht Schluß mit der Kriegs-Zwangswirtschaft! (Berlin: Dt. Verl. ges. f. Politik und Geschichte. 1921. 22 S.); dieser Schrift lag ein Gutachten zugrunde, das er Ende 1920 dem Reichs Wirtschaftsrat erstattet hatte. Nach einem Rückblick auf die „Zwangsbewirtschaftung der Lebensmittel“ im Kriege (als deren „Vater“ er zu Unrecht gelte), forderte er für die Ernte 1921 ein „System der völligen Marktfreiheit“.

Nach der Rückkehr in die Heimat wandte sich Batocki wieder der Bewirtschaftung seines Gutes sowie Problemen der Landwirtschaft zu; zusammen mit Landwirten wurde unter Leitung von Prof. Dr. Alfred Mitscherlich, Ordinarius für Landwirtschaft an der Königsberger Albertina, ein Versuchsring gebildet. Batocki war als letzter Oberpräsident in diesem Amte zugleich Kurator der Albertina gewesen; die Königsberger Universität hatte ihm 1916 die Würde eines Doktor jur. h. c. verliehen. Noch im Kriege war von Batocki der Anstoß zur Errichtung des Instituts für Ostdeutsche Wirtschaft gegeben worden, das am 18. Mai 1916 eröffnet wurde; der Staatswissenschaftler Dr. jur. et phil. Albert Hesse (Professor an der Albertina) hatte die Leitung übernommen und gab die Grundlagen des Wirtschaftslebens von Ostpreußen. Denkschrift zum Wiederaufbau der Provinz (T. 1-6. Jena: Fischer 1916 – 18) heraus. Als Hesse 1921 an die Universität Breslau wechselte, übernahm Batocki (bis 1927) die Leitung und bezog auch Nachbarländer in die Forschung ein. Außerdem hatte er 1920 eine Honorarprofessur an der Juristischen Fakultät der Albertina übernommen. Auf der 37. Konferenz der Vorstände der preußischen Landwirtschaftskammern zu Königsberg am 23. Juli 1924 berichtete er über Die wirtschaftliche Lage Ostpreußens (Berlin: Parey 1925 = Veröffentl. d. Pr. Hauptlandwirtschaftskammer H. 8). Er legte auch Reformvorschläge für das Ausbildungswesen von Juristen und Volkswirten vor und veröffentlichte, zusammen mit Gerhard Schack, Bevölkerung und Wirtschaft in Ostpreußen. Untersuchungen über die Zusammenhänge zwischen Bevölkerungsentwicklung und Erwerbsgelegenheit (Jena: G. Fischer 1929. VIII. 170 S. m. 10 Abb.). Außerdem schrieb er über Menschen und Wirtschaft in der Ostmark, die Wirtschaftsnot im deutschen Osten (Schr. d. Ver. f. Sozialpolitik. 182. 1931. S. 118 – 137) sowie über Bedeutung und Umfang der Meliorationen in Deutschland (Hrsg. v. Vbd Dt. Landeskulturgenossenschaften e. V Berlin 1931.151 S.); er war Präsident des Verbandes Deutscher Bodenkulturgenossenschaften. Batocki hatte die Ehre, Senator der Deutschen Akademie zu sein. Die Albertina verlieh ihm das Ehrenbürgerrecht, auch stand seine Büste in der Aula der Universität.

Batocki war ein politischer Mensch, schlicht, verantwortungsbewußt, umsichtig, entschlußfreudig; er hatte nicht nur Erfahrung in der Verwaltung, sondern war auch Ratgeber in wirtschaftlichen Fragen. Er befürwortete die Stärkung der ländlichen Selbstverwaltung, förderte den Siedlungsgedanken als Vorsitzender des Aufsichtsrates der „Ostpreußischen Bau- und Siedlungsgesellschaft“ („Bausi“) und als Mitglied des Aufsichtsrates der „Ostpreußischen Heimstätte“ (die „Bausi“ errichtete 1931 über 500 bäuerliche Siedlungen und fast 500 Landarbeitereigenheime). Als Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Reichsbahngesellschaft A.-G. Berlin setzte er sich für die Beseitigung der Verkehrsnotlage der durch  den Korridor vom Reich abgetrennten Provinz ein. Sein soziales Empfinden ließ ihn aus eigenen Mitteln und in eigenen Gebäuden in Bledau ein Heim für bedürftige Rentner und in Cranz ein Säuglingsheim einrichten; statt der Feier der eigenen Silberhochzeit gab es in Cranz ein Festmahl für Rentner. Batocki verkaufte das schloßartige Gutshaus in Bledau und zog in ein einfaches Wohnhaus in Wosegau. Winnig nennt ihn ein „Vorbild als Beamter und Landwirt und nicht weniger als Mensch und Christ“. Der Monarchist und konservative Grundherr hielt Freundschaft zu seinem demokratischen Nachfolger im Amte des Oberpräsidenten, dem er mit seinem Beitrag Der Mann, den Ostpreußen brauchte (Ein deutsches Gewissen. 1938. S. 30-35) Dank aussprach. Adolf Tortilowicz von Batocki-Friebe hat sich um seine Heimat Ostpreußen verdient gemacht.

Quellen: Wermke. – Wer ist‘s? VIII. 1922; X. 1935. – Kürschners Dt. Gel. Kai. 1926; 1928/1929; 1931; 1935. – Das Deutsche Reich von 1918 bis heute (Hrsg. von Cuno Horenbach. Jg 1930). – Der Große Brockhaus, Bd 2, 1929, S. 368 u. Bd 15, 1933, S. 395 – August Winnig, in: NDB, Bd l, 1953, S. 637f. – Götz von Seile: Geschichte der Albertus Universität zu Königsberg in Preußen. 2. Aufl. Würzburg: Holzner Verl.(1956) S. 351 f. – Bruno Schumacher: Geschichte Ost- und Westpreußens. 4. Aufl. Hrsg. v. Göttinger Arbeitskreis. Würzburg: Holzner Verl. (1959) Reg. – Wilhelm Kosch: Biogr. Staatshandbuch, Bd l (1963) S. 67. – Dt. biogr. Index. Bd 1. München (u.a.) 1966, S. 109. – Klaus von der Groeben: Landräte in Ostpreußen (Köln u. Berlin:) Grote (1972) S. 82 – 93 u. 114. Lit.- u. Quellen-Hinw. sowie Porträtphoto (Veröffentl. d. Ver. f. Geschichte d. Dt. Landkreise e. V. Bd 17); ders.: Die öffentl. Verwaltung im Spannungsfeld der Politik, dargestellt am Beispiel Ostpreußens. Berlin: Duncker & Humblot (1979) S. 153 – 173; 196 – 200 (Schr. z. Verwaltungswissenschaft Bd 7); ders.: Verwaltung u. Politik 1918 – 1933 am Beispiel Ostpreußens. Reg. Hrsg. Lorenz v. Stein Institut an d. Christian-Albrechts-Univ. zu Kiel (1986) Quellen z. Verwaltungsgeschichte Nr. 4. – Herbert Obenaus, in: Altpr. Biographie. Bd III. Marburg/Lahn: N. G. Elwert Verl. 1975, S. 858 (Schr.- u. Lit-Hinw.). – Gesamtverzeichnis 1911 – 1965. Bd. 8. München 1976. S. 261 f. -Dt. biogr. Archiv N. F. (1989). – Genealogisches Hdbch d. Adels. 1989. Adl. Häuser B. Bd XVIII, S. 483f. – Mitt. des Sohnes Friedrich-Wilhelm Tortilowicz v. Batocki-Friebe, 6200 Wiesbaden, v. April 1993.