Biographie

Zedlitz, Joseph Christian, Freiherr von

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Dichter, Publizist
* 28. Februar 1790 in Schloß Johannisberg bei Jauernig/Österr. Schlesien
† 16. März 1862 in Wien

Den herausragenden Beitrag Österreichisch-Schlesiens zur deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts leistete Joseph Christian Freiherr von Zedlitz, 1790 auf Schloß Johannisberg bei Jauernig geborener Sproß jenes alten schlesischen Adelsgeschlechtes, das seit dem 14. Jahrhundert schwerpunktmäßig im Bereich der Fürstentümer Schweidnitz und Jauer ansässig war. Der Dichter entstammte der Linie Zedlitz-Nimmersatt (nach der gleichnamigen Burg bei Bolkenhain), deren Angehörige seit Beginn des 18. Jahrhunderts in kaiserlichen Diensten nachgewiesen werden können; sein früh verstorbener Vater brachte es zum Landeshauptmann des 1742 österreichisch gebliebenen Fürstentums Neisse.

Zedlitz verbrachte seine Kindheit in Jauernig, besuchte dann (z.T. gemeinsam mit Josef von Eichendorff) das Breslauer Matthias-Gymnasium, wo seine schon früh erkennbaren musischen und literarischen Neigungen nachhaltig gefördert wurden. Die Erziehung in der schlesischen Metropole hat er stets in dankbarer Erinnerung gehalten. Plänen seiner Mutter, ihn auf ein theologisches Studium und Übernahme einer Breslauer Domherrenpfründe festzulegen, widersetzte er sich, trat vielmehr 1806 als Kornett in ein österreichisches Husarenregiment ein und nahm nach rascher militärischer Karriere an den Schlachten von Aspern und Wagram teil. Der Wiener Staatsbankrott des Jahres 1810 zwang ihn zur Rückkehr ins Zivilleben; die Stellung eines Forstinspektors in Jauernig sicherte ihm in den folgenden Jahren den Lebensunterhalt, da die Ehe mit der ungarischen Baronesse Ernestine von Lipthay zunächst kein Vermögen einbrachte. In diesen schlesischen Jahren entstanden erste literarische Arbeiten, u.a. seine einzige auf Schlesien bezogene Dichtung, die anspruchslose Ballade „Das Wappenschild der Schafgotsche“, die im Stile trivialer Ritterromantik die angebliche Verleihung des Wappens durch Friedrich Barbarossa abhandelt. 1817 übersiedelte Zedlitz nach Wien, um von hier aus die ungarischen Güter seiner Frau zu verwalten und sich nun, bar materieller Sorgen, seinen literarischen Interessen zu widmen. Binnen kurzem avancierte er zum begehrten Mitarbeiter des von Joseph Schreyvogel herausgegebenen literarischen Taschenbuches „Aglaja“, während seinen seit 1819 im Wiener Burgtheater aufgeführten Dramen zumeist kein anhaltender Erfolg beschieden war. Stücke wie „Turturell“, „Zwei Nächte in Valladolid“, „Der Stern von Sevilla“ oder das Lustspiel „Liebe findet ihre Wege“ blieben allzusehr ihren spanischen Vorbildern verhaftet und vermochten die ausgetretenen Pfade der zeitgenössischen Schicksalsdramatik nicht zu verlassen. Weitaus höheres Niveau erreichte Zedlitz als politischer Dichter: Die 1828 zunächst in der „Aglaja“, dann als Einzeldruck bei Wallishauser erschienene Kanzonensammlung „Totenkränze“, die das Streben nach Größe als höchstes Glück des Menschen pries und dabei deutlich den Wunsch nach Reformen des politischen Systems erkennen ließ, machte ihn als Lyriker und Vertreter eines gemäßigten Liberalismus rasch über die Grenzen des Habsburgerreiches hinaus bekannt. Seine 1828 erstmals veröffentlichte Ballade „Die nächtliche Heerschau“ fand Eingang in fast alle europäischen Sprachen und zählt bis heute – nicht zuletzt aufgrund der Vertonung durch Carl Loewe – zum festen Bestandteil des deutschen Balladengutes. In deutlicher Abgrenzung gegenüber den revolutionären Strömungen engagierte sich Zedlitz für politische und soziale Reformen innerhalb des bestehenden Systems und rechnete insbesondere in der Myrologensammlung „Das Kreuz in Hellas“ mit der Herrschaftspraxis des Systems Metternich scharf ab.

Unter diesen Umständen mußte es den Zeitgenossen unverständlich bleiben, daß Zedlitz nach dem Tode seiner Frau und damit Verlust der ungarischen Güter, 1838 in den Dienst der Wiener Staatskanzlei trat und als Korrespondent der von Cotta verlegten Augsburger Allgemeinen Zeitung die Politik Metternichs publizistisch unterstützte. Die Verachtung seiner bisherigen Weggefährten für den politischen Verräter übertrug sich auch auf neue literarische Arbeiten wie das Versepos „Waldfräulein“ (1843) oder die „Altnordischen Bilder“ (1849/59). Der Revolution von 1848 erteilte Zedlitz eine entschiedene Absage und zog sich nach Ischl, Aussee sowie Linz zuck; in zwei Heften des „Soldatenbüchleins“ glorifizierte er 1848 die Erfolge der österreichischen Armee in Oberitalien und Ungarn, da seiner Meinung nach nur das Heer den Fall der Monarchie ins politische Chaos verhindern konnte. Die bis 1918 wiederholt auflegte Sammlung von Kampf- und Heldenliedern erwies sich zwar als Verkaufsschlager, brachte jedoch den Lyriker Zedlitz endgültig in Verruf.

1851 konnte er zwar seine publizistische Tätigkeit in Wien wieder nehmen und schon bald die österreichische Politik im Krimkrieg dokumentieren, der Dichter Zedlitz verstummte jedoch und zog sich angesichts gesundheitlicher Blessuren immer öfter ins Salzkammergut zurück. Am 16. März 1862 verstarb er in Wien und wurde in einem Ehrengrab auf dem alten Matzleinsdorfer Friedhof beigesetzt. Seine Heimatstadt Jauernig errichtete ihm 1891 ein Denkmal, das leider den Zerstörungen des Jahres 1945 zum Opfer fiel. Fragt man nach der Wirkung des Dichters Zedlitz, so gilt es, das bis heute kritiklos tradierte Verdikt liberaler Zeitgenossen zu überwinden und zu erkennen, daß Zedlitz gemeinsam mit Anastasius Grün, Bauernfeld, Seidl und Castelli wesentlich zur Ausbildung einer politisch engagagierten Dichtung in Österreich beigetragen hat.

Werke: Gesammelte Werke in drei Bänden. Stuttgart: Cotta 1859/60

Lit.: C. D. Frhr. v. Zedlitz-Neukirch: Joseph Christian Freiherr von Zedlitz. Leben und Schaffen eines Schulkameraden Eichendorffs. In: Aurora 29 (1969), S. 70-91 mit Bibliographie). Eine den Nachlaß Zedlitz auswertende Biographie von Werner Bein erschien1990 in der Reihe ,Silesia‘ der Stifung Kulturwerk Schlesien.