In Albert Breyers niederschlesisch-,,hockerlingischer“, rodebäuerlicher Herkunft und 300jähriger Familientradition in Polen wird der Gang der neuzeitlichen deutschen Siedlung in Polen deutlich. Er führte von Schlesien über das Posener und Kalischer Land in die Gegend von Zyrardow westlich von Warschau. In dieser durch deutsche Leinenindustrie aufstrebenden Stadt ist B. als Sohn des Waldroders, Industriearbeiters und Kaufmanns Gustav und der Berta geb. Schön am 2. Januar 1889 geboren.
Breyers Bildungsgang war, wie so oft bei den geistig außerhalb des Pastorenstandes aufwärtsstrebenden Kräften, auf den Lehrerberuf gerichtet. Über das Lehrerseminar von Tomaschow, den Kantorendienst in deutschen Dörfern bei Lodz und das St. Petersburger Lehrerinstitut arbeitet er sich zu Bürgerschulen herauf, um seine schulischen Qualifikationen an den Universitäten in Krakau und Warschau abzuschließen. Mit leidenschaftlicher Hingabe unterrichtete er an den Schulen mit deutscher Unterrichtssprache in Brzeziny und Zgierz bei Lodz, schließlich in Sompolno in Kujawien, einem kulturellen Vorort des Deutschtums in Mittelpolen, wo er bis zum Entzug der Lehrerlaubnis im Zuge des Widerstandes gegen das polnische Gesetz für die Evangelisch-Augsburgische Kirche (1936), als deren traditionsbewußtes und engagiertes Glied Breyer mehrfach mit der polonisierenden Kirchenleitung in Warschau in Konflikt geraten war, die Volksschule (vormals Gymnasium) leitete (1937). Dabei konnte bei seinem entschiedenen deutschen Volkstumsbekenntnis keine Rede von mangelnder Staatstreue gegenüber dem neuerstandenen Polen sein, hatte sich Breyer doch freiwillig zum polnischen Wehrdienst gemeldet, als die Sowjetarmee 1920 vor Warschau stand.
Erd- und Naturkunde waren die Grundlagen für eine umfassende Heimatkunde des Deutschtums in Kongreßpolen, schließlich einer systematischen Erforschung der „Deutschen Gaue in Mittelpolen“ (1935), einer straff zusammenfassenden Gesamtschau. In der Tradition von Adolf Eichler, dem ersten Bearbeiter des „Deutschtums in Kongreßpolen“ (1921), stehend und von Walter Kühn, im Verein mit Kurt Lück, Alfred Lattermann, Viktor Kauder, Alfred Karasek, in die Methodik der Siedlungsforschung eingewiesen, veröffentlichte Breyer von Sompolno, dem polnisch-jüdischen Kleinstädtchen, aus in der Lodzer deutschen Presse, in Jahrbüchern und einschlägigen wissenschaftlichen Zeitschriften (Deutsche Blätter in Polen, Deutsche Monatshefte in Polen, Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen) zahlreiche grundlegende Aufsätze und Beiträge, z.B. zu Lücks „Deutschen Aufbaukräften in der Entwicklung Polens“ (1934). Die „Karte der deutschen Siedlungen in Mittelpolen“ (1938) vermittelte ein anschauliches Bild vom Forschungsbereich zwischen Posen und Pommerellen und dem Lubliner Land. Mitten in die Vorbereitungen eines Werkes über das Gostyniner Land und die abgeschlossene Erforschung der „Deutschen Tuchmachereinwanderung in den ostmitteleuropäischen Raum“ brach 1939 der Krieg herein. So erschien dieses Werk erst 1941.
Am 1. September, schon nach den ersten deutschen Bombenangriffen auf Posen, wo Breyer seit Oktober 1938 an der Deutschen, Bücherei tätig war, verließ er als Reserveoffizier der polnischen Armee Familie und nachzulassendes Werk, um sich gemäß Mobilmachungsbefehl in Kutno zum Kriegsdienst zu melden. Am nächsten Tag sollte er zusammen mit seinem ältesten Sohn „interniert“, also in Richtung Kutno verschleppt werden. Er ist – vermutlich durch Fliegerangriff schwer verwundet – am 11. September im Heilig-Geist-Lazarett in Warschau gestorben und auf dem polnischen Militärfriedhof von Powazki in einem Massengrab beerdigt worden. Im Mai 1940 erfolgte die Überführung durch die „Gräberzentrale“ auf den St. Lukas-Friedhof in Posen.
Die Lebensarbeit Albert Breyers hat, gewissermaßen stellvertretend für die Deutschen in Polen, besonders nach seinem tragischen Tode hohe Ehrungen erfahren, nachdem ihm schon anläßlich seiner Entlassung in Sompolno (1937) vom Deutschen Auslands-Institut in Stuttgart für seine Verdienst um Schule und Forschung die Silberplakette verliehen worden war. 1940 verlieh ihm die J.W. Goethe-Stiftung durch den Rektor der Breslauer Universität den Copernicus-Preis.
Werke (Auswahl): Das Schrifttum über das Deutschtum im ehem. Kongreßpolen (bis 1930). In: DWZP, H. 19, 1930. – Die Entstehung der deutschen Industrie in Polen, vor allem in Kongreßpolen. In: K. Lück, Deutsche Aufbaukräfte in der Entwicklung Polens. Plauen i.V. 1934. – Deutsche Gaue in Mittelpolen. Posen 1935 (auch DMP, H. l, 1934/35). – Ostdeutschland als Mutterland der deutschen Siedlungen in Mittelpolen. In: DMP, H. 1/2, 1935. – Die Entwicklung des deutschen Schulwesens im Gostyniner Lande (1780–1936). In: DMP, H. 2/3,1937. – Die Auswanderung deutscher Bauern des Gostyniner Landes nach Wolhynien (1855–1885). In: DMP, H. 8/9, 1937. – Die deutschen Dörfer der Umgebung von Lodz. In: Freie Presse, Lodz, August 1938. – Karte der deutschen Siedlungen in Mittelpolen. 1:500000. In: V. Kauder, Das Deutschtum in Polen. Ein Bildband. Leipzig 1938 (dgl. in: Jomsburg 2, H. l, 1938. – Die deutschen ländlichen Siedlungen des mittelpolnischen Warthebruchs. in: DWZP, H. 34, 1938. – Deutsche Bauernkultur in Mittelpolen vor 150 Jahren. In: DMP, H. 11/12, 1939. – Zur Geschichte des deutschen Schulwesens in Mittelpolen. In: DM 1939/40. – Deutsche Tuchmachereinwanderung in den ostmitteleuropäischen Raum von 1550 bis 1830. (Ostdeutsche Forschungen 10) Leipzig/Posen 1941. – Zur Geschichte von Sompolno und Umgegend (Unsere Heimat H. 4), Posen 1938.
Lit.: W. Kühn, Albert Breyer. In: DM, Jg. 6 (16) 1939. – E. O. Kossmann/R. Breyer, A.B. in: Jomsburg Jg. 3 (1939) 3/4. – A. Lattermann, A.B. In: DWZW, H. l, 1940. – A. Kargel, A.B. In: A. Kargel/E. Kneifel, Deutschtum im Aufbruch. Leipzig 1942. – A. Eichler, Deutschtum im Schatten des Ostens. Dresden 1942. – R. Breyer, Albert Breyer, Lehrer und Volkstumsforscher. In: Von unserer Art. Vom Leben u. Wirken deutscher Menschen im Räume von Weichsel u. Warthe. Hrsg. v. F. Weigelt, Wuppertal, 1963. – W. Kühn, Eine Jugend für d. Sprachinselforschung. In: Jb. d. Schles. Fr.-Wilh.-Univ. zu Breslau, XXIII, 1982.
Weblink: https://www.upstreamvistula.org/Documents/ABreyer_D.htm
Richard Breyer