Der große Widerstandskämpfer Ostoberschlesiens – Zum 25. Todestag von Senator Dr. Pant

Von Dr. Herbert Czaja

Nach dem zeitlichen Abstand eines Vierteljahrhunderts lohnt es sich, nicht nur um des persönlichen Anliegens eines Freundeskreises willen, sondern auch wegen der Kennzeichnung des religiösen, kulturellen und politischen Lebens Ostoberschlesiens in den Jahren 1922-1938 sich des verstorbenen Senators Dr. Eduard Pant, der führenden katholischen Persönlichkeit dieses Gebietes, zu erinnern. Auch die westdeutschen Katholiken sollten der erfüllten Verantwortung auf einem Randgebiet harter Bewährung der deutschen Katholiken gedenken, wobei der Bereich der Bewährung sich aus der in der Vielfalt der Schöpfungsordnung und der Tradition grundgelegten nationalen Eigenart der Menschen ergibt und nicht durch ein im Geschichtsablauf mehr oder minder gerecht zustande gekommenes Grenzsystem beschränkt werden kann.

Nicht nur ein Stück Zeitgeschichte des deutschen Katholizismus in Ostmitteleuropa tritt uns damit vor Augen, sondern auch ein unwiderlegbarer Beweis dafür, daß nicht – wie fälschlich behauptet – das politische und Vereinsleben der deutschen Katholiken beim Erstarken des Nationalsozialismus durch einen einzigen Windstoß hinweggefegt werden konnte, sondern daß dort, wo brutaler Terror nicht unmittelbar das Vereinsleben zu beenden vermochte, es unter schwersten persönlichen, finanziellen, politischen und gesellschaftlichen Opfern, trotz mancher Einbußen und Verluste, viele Jahre hindurch unter schwierigsten Umweltbedingungen lebendigen Widerstand leistete und sich keinem Gleichschaltungsversuch beugte. Die politische Bewährung eines erheblichen Teiles der deutschen Katholiken Ostoberschlesiens unter Führung von Senator Pant in den Jahren 1927 bis 1938 gibt dafür beredtes Zeugnis.

Der kulturelle und nationale Raum, in dem der Widerstand gegen die Gleichschaltung sich abspielte, war ein denkbar schwieriger. Nationaler Haß, Gegensätze und Diffamierungen hatten sich fast noch mehr als in anderen nationalen Grenz- und Mischgebieten aufgetürmt. In einzelnen Abschnitten europäischer Geschichte hatte dieses Land zum polnischen, zum böhmischen, zum Habsburgerreich gehört. Seine Gebiete waren dann größtenteils an Preußen gefallen. In ihm hatte sich seit Ende des 19. Jahrhunderts der Nationalitätenstreit erheblich zugespitzt. Das Nationalbewußtsein der Polen aus den preußischen Teilungsgebieten griff auf erhebliche Teile der einen polnischen Dialekt sprechenden Landbevölkerung über und wurde bei ihr propagiert, innerhalb der Vereine, der Kirchengemeinden, der Zentrumspartei, ja nicht selten innerhalb der einzelnen Familien kam es zum Streit um das nationale Bekenntnis und den Weg nationaler Selbstbehauptung. Er wurde geführt mit der raschen Erregbarkeit und in der harten Sprache, die dem Oberschlesier eigen ist, allerdings auch mit der manchmal überraschend schnellen Neigung zur Verbrüderung und einem Sich-Vertragen innerhalb des eigenen als autonom empfundenen regionalen Bereiches. Auch die sich zum deutschen Volkstum bekannten, schlossen sich enger zusammen. Dieser Kampf zerriß in den Jahrzehnten vor und um den Ersten Weltkrieg auch den Klerus und schwächte politisch die Zentrumspartei, er führte schließlich zu den bekannten Abstimmungen und der Teilung des Landes durch die Sieger des Ersten Weltkrieges, ohne daß die nationalen Gruppen auf Dauer gesichert wurden. Tiefe Wunden des Hasses aber hatten die Aufstände und die Abstimmungskämpfe, bei denen es nicht grausamen Geschehen mangelte, bei Deutschen und Polen hinterlassen, die Kontinuität der deutschen kulturellen, religiösen und politischen Organisationen war in Ostoberschlesien durch die Abtrennung vom Reich unterbrochen, viele führende Deutsche verließen das Land oder mußten es verlassen. Es galt nun, möglichst viele Deutsche, auch aus Intelligenzkreisen, zum Ausharren zu veranlassen.

Sprecher der Deutschen

Zum Bleiben entschloß sich auch der junge und im Vereinsleben Aufmerksamkeit erregende Gymnasialprofessor Dr. Eduard Pant, der aus dem äußersten noch bis zum Ende des Ersten Weltkrieges österreichischen Zipfel Ostoberschlesiens und aus dessen Bergbaugebiet mit deutscher, polnischer und tschechischer Bevölkerung stammte, der als Adjutant eines österreichischen Sturmbataillons nicht nur mit hohen Auszeichnungen, sondern auch mit schwersten Verwundungen aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt war, allerdings auch mit einer noch vertieften heißen Liebe zu diesem Land und allen seinen Nationalitäten, die er in der Kameradschaft des Krieges verstehen und schätzen gelernt hatte. Im katholischen Vereins- und studentischen Verbindungsleben Prags und seiner engeren Heimat hatte er zu spüren bekommen, welche Härte weltanschaulicher Kampf dieser Raum erforderte. In dem blühenden deutschen Schulwesen der alten Tuchmacherstadt Bielitz fand er einen fruchtbaren Tätigkeitsbereich als strenger Altphilologe am deutschen Staatsgymnasium.

Bald erregte der glänzende Redner und leidenschaftliche Politiker, der philosophisch und theologisch tiefgebildete und unbeugsame Katholik, der unermüdliche Organisator und frohe Gesellschafter, der seine Gedanken auch fehlerlos in der polnischen Sprache darlegen konnte, Aufsehen und stand bald in der vordersten Linie der politischen Führung, wurde Vertreter der Deutschen im Schlesischen Abgeordnetenhaus (Sejm), im polnischen Senat, später auch Vizepräsident des Sejm und Vorsitzender der Nachfolgeorganisation des Zentrums in Ostoberschlesien. Unermüdlich zog er von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt bis tief in die galizischen Sprachinseln, um die kulturellen Organisationen, den „Verband der deutschen Katholiken“, aufzubauen und zu festigen. Zwischen den einzelnen Parlamentssessionen half er ab und zu beim Unterricht aus, wo er mir als sehr strenger, Hartes fordernder, aber auch mitreißender Lehrer in Erinnerung ist, wenn er mit seinen schweren Bein- und Handverletzungen, hinkend und vibrierenden schwarzen Fingerlingen, die einen Teil der abgeschossenen Finger ersetzten, aber mit erregender Beredsamkeit vor uns stand. Ein bezeichnendes Detail entdeckte ich bei Hilfsarbeiten in der Lehrerbibliothek des deutschen Gymnasiums in Bielitz: Über viele Monate und Jahre hinaus hatte er fast alle Originalausgaben der großen deutschen Philosophen entlehnt, und zwar meist als einziger des ganzen Lehrkörpers – die bescheidene Besoldung in Polen gestattete den Gymnasialprofessoren den Aufbau einer umfassenden großen Bibliothek nicht – und die zurückgegebenen Exemplare enthielten manche Spuren systematischer Arbeit.

So nahm es nicht Wunder, daß auch seine parlamentarischen Reden wegen ihrer tiefen weltanschaulichen und gesellschaftspolitischen Fundierung selbst bei einer Anzahl polnischer Abgeordneter starke Beachtung und in objektiven Organen selbst der polnischen katholischen Presse, insbesondere außerhalb des national so heiß umkämpften Ostoberschlesiens, entsprechende Wertung und er auch gern gesehener Redner bei katholischen Kundgebungen im Reich und in Österreich war. Unter den deutschen Parlamentariern Ostoberschlesiens und der verschiedensten deutschen Siedlungsgebiete Polens hatte er ein gewichtiges Wort, wenn er sich auch keiner besonderen Förderung seitens der liberalen, nationalliberalen und deutschnationalen Kreise des Reiches erfreute. Beim oberschlesischen Klerus beider Nationalitäten stand er in hoher Achtung. Weitblickendere polnische Geistliche, unter denen sich auch heute bekannte polnische Bischöfe befinden, schätzten ihn sehr hoch.

Doppelte Fronten

Die politische Situation in Ostoberschlesien war gekennzeichnet durch dauernde Völkerbundbeschwerden der deutschen Minderheiten, einen um 1930 immer schwerer werdenden Existenzkampf der Deutschen im Beruf und in der Schule und den Widerstand gegen eine immer mehr um sich greifende Zwangspolonisierung. Bei aller Härte des Widerstandes, den dieser mutige Mann mitreißend zu führen verstand, bemühte er sich im einzelnen um Verbindlichkeit und Gemeinwohlgerechtigkeit, verleugnete dabei nicht das Erbe österreichischer Nationalitätenpolitik und versuchte insbesondere in Verhandlungen mit Gutwilligen dem Kampf unnötige Schärfen zu nehmen. Bei dem chauvinistischen Emporkömmling, dem Wojwoden Michał Grażyński, fand er dafür kein Verständnis, aber je mehr in Deutschland der Nationalsozialismus erstarkte und je härter sich die polnische Staatsführung gegenüber den eigenen nicht immer gerade glücklich operierenden liberalen und demokratischen polnischen Kräften gab, desto mehr Beachtung wandte ihm der sehr volkstümliche Führer der in Oberschlesien starken, insbesondere im Klerus verankerten christlichen Demokraten, Kotlanty, zu. Als Urheber der polnischen Aufstände während der Abstimmungszeit stand und steht Korfanty bei vielen Deutschen in schlechtem Ruf, und manche nahmen Pant die parlamentarische Unterstützung, die ihm die Korfanty-Partei im Schlesischen Sejm ab und zu angedeihen ließ, übel. Die Rolle Korfantys während der Aufstände mag aus deutscher Sicht berechtigter Kritik begegnen, sie aus katholischem und allgemeinem Blickpunkt zu untersuchen, ist hier nicht der Raum; im politischen Bereich der Jahre nach 1930 sollte man aber beiden Politikern den gemeinsamen Widerstand gegen Grażyński einerseits und den Nationalismus andererseits nicht übel vermerken.

Die Jahre der schwersten Bewährung aber kamen für Pant nach 1930. Der Schutz der Genfer Konvention schwand, die Not der Deutschen – auch infolge der Wirtschaftskriese und der Entlassungen – wuchs ungeheuer, die Bürokratie Grażyńskis, der in der Beamtenhierarchie nur den vorrücken ließ, der sich besonders in der Polonisierung auszeichnete, hielt sich an keine Rechtsvorschriften mehr. Deutsche Beamte wurden umgehend zur Ruhe gesetzt, Gemeindeparlamente aufgelöst, Schulen geschlossen, selbst bei den Piłsudski-Anhängern im übrigen Polen ließ man nur mit einer gewissen inneren Reserve die kleine Diktatur Grażyńskis gewähren. Wer seine Kinder in die deutsche Schule sandte, verlor seinen Arbeitsplatz nicht nur beim Staat, bei den Gemeinden, sondern auch im Bergbau und in der Schwerindustrie, wobei auch heute noch namhafte deutsche Industrielle der Umorganisation ihrer Konzerne nicht gerade heldenhaften Widerstand entgegensetzten. Gleichzeitig erstarkte rapid der Nationalsozialismus und begeisterte auch viele junge Deutsche im Lande.

Entschieden gegen Hitler

Pant aber war gegenüber dem Nationalsozialimus weltanschaulich und politisch durch seine Überzeugung und seinen Weg vor jedem Irrtum gefeit. Vom ersten Augenblick des Erstarkens des Nationalsozialimus an leistete er schärfsten geistigen Widerstand. Er kannte auch die Familie Hitlers und war sich über die Schwächen des Mannes im Klaren. Vor allem brachte er den Mut und die Härte auf, sich ohne Rücksicht auf persönliche uns politische Nachteile zum Widerstand zu bekennen und darin die Führung zu übernehmen. Noch lehnten auch die führenden Liberalen der deutschen Minderheit den Nationalsozialismus ab, während die sogenannte „Jungdeutsche Partei“ mit begeistert marschierte. Als aber die Gleichschaltung im Reich kam und der finanzielle Druck im Sinne der Gleichschaltung drohte – die deutsche Minderheit konnte wegen des Unverständnisses des Staatsvolkes in ihrem kulturellen Bereich nicht ohne reichsdeutsche Subsidien auskommen – und als man befürchtete, in die nationale Isolierung zwischen den polonisierenden und den nationalsozialistischen Mühlsteinen zu geraten, kapitulierte über Nacht eine große Zahl deutscher Parlamentarier, die eben erst den Nationalsozialismus abgelehnt hatten.

Von den namhaftesten stand nur Pant unerschütterlich da und feuerte landauf, landab den Widerstand an, kritisierte alles, was der Nationalsozialismus tat, hart und unerbittlich. Es fehlte ihm nicht an verlockenden Angeboten, die an ihn persönlich gerichtet waren, um ihn gleichzuschalten, auch nicht an Entführungsversuchen, um ihn unschädlich zu machen. Als das nichts nützte, bediente man sich des Drucks auf reichsdeutsche Betreuungsorganisationen, um die von ihm geführten Organisationen zu zerschlagen. Mit Hilfe finanzieller Subsidien für Teile von Delegierten gelang es den nicht gerade rühmlichen Drahtziehern, die vielleicht Schlimmeres für die Kirche im Reich zu verhindern suchten, ihn mit wenigen Stimmen Mehrheit im „Verband der deutschen Katholiken“ zu stürzen und einen farblosen Mann an seine Stelle zu setzen. Aber viele Ortsverbände und insbesondere die katholischen Frauenorganisationen blieben ihm treu.

Unerschrocken baute er sich unter schwersten finanziellen Opfern eigene Wochenzeitungen, den „Deutschen in Polen“ und die „Christliche Volkspartei“, die ihm verblieben waren, auf. Deutsche Subsidien standen ihm nicht mehr zur Verfügung, mit etwas über 40 Jahren hatte ihn, der für fünf Kinder zu sorgen hatte, das Zwangsregime Grażyńskis als Gymnasialprofessor frühzeitig pensioniert, die Zukunft stand völlig ungesichert vor ihm, das immer mehr sich außerhalb des Parlamentarismus bewegende polnische Regime verdrängte ihn über staatliche Einheitslisten aus dem Senat, die sehr äußerliche Verbrüderung in der Ära Beck-Ribbentrop führte die Vertreter des polnischen und des nationalsozialistischen Regimes zueinander.

Schwerste Gewissenskämpfe

Aber die tieften Wunden schlugen ihm nicht Verrat, Abspringen mancher Mitarbeiter, drohende Existenzgefährdung. Den schwersten Kampf hatte er vor seinem Gewissen zu führen! War sein Kurs richtig? Viele Polen, auch Katholiken, fürchteten zwar das deutsche Wiedererstarken, bejahten aber die rassistischen Tendenzen des Nationalsozialismus; dem diesbezüglichen deutschen Widerstand begegnete man zum Teil mit geringem Verständnis auch unter den Polen. Die polnische Bürokratie zeigte überhaupt kein Verständnis für nicht gleichgeschaltete Deutsche. Der Existenzraum der Deutschen wurde täglich schmäler. Konnte man die mit der Gleichschaltung verbundenen reichsdeutschen Subsidien mit gutem Gewissen ablehnen oder sollte man nicht lieber gute Miene zum nationalsozialistischen Spiel machen? Diente das Erstarken Deutschlands nicht überall den Deutschen?

Es war eine furchtbar harte, schmale Gradwanderung zwischen der Gefahr, die eigene Volksgruppe dem nationalen Tod wegen der verständnislosen Minderheitenpolitik der polnischen Regierung auszuliefern einerseits und der christlichen Verantwortung, die zum Widerstand bis zum letzten mahnte, anderseits. Es ist müßig darüber zu streiten, ob Pants Weg für alle gangbar war, daß einer mit Anhängern diesen Weg unerschrocken ging, ist sein bleibendes Verdienst.

Vor hoffnungsloser Resignation bewahrten Pant in dieser Situation wahrscheinlich nur seine Grundsatzfestigkeit, sein weiter geschichtlicher Blick und seine intime Kenntnis des Nationalsozialismus und des „Führers“ selbst. Er ahnte und schrieb es immer wieder, daß diese Gleichschaltung mit der Vernichtung der deutschen Volksgruppen im weiteren geschichtlichen Ablauf zu enden drohe. Das gab ihm die Kraft, in dieser fast hoffnungslosen Situation auszuharren und den Widerstand zu leisten. Das ließ ihn nicht nur manche Fehlschläge und das politische Trommelfeuer ertragen, sondern auch die öffentlichen Anpöbelungen junger Leute als „verfluchter Volksverräter“ und Behauptungen, daß er, der hochdekorierte und mehrmals schwer verwundete Offizier, durch Urlaubsscheine slawischen Soldaten die Fahnenflucht in der österreichischen Armee ermöglicht hatte. Sein Mut, seine Festigkeit und seine frohe Gesellschaftlichkeit ließen all dies an ihm abfließen. Er hielt in den Gemeinderäten und in örtlichen Vereinigungen seine Anhänger zusammen, mit Gleichgesinnten schuf er in Wien auch für andere deutsche Siedlungsgebiete die nicht gleichgeschaltete „Vereinigung zum Schutz nationaler Minderheiten“ und bildete eine Menge Kampfgemeinschaften mit widerstandsfreudigen Teilen des österreichischen Katholizismus, darüber hinaus mit dem Jesuitenpater Friedrich Muckemann, den Kreisen um den „deutschen Weg“ in Holland und vorher auch noch um den „Christlichen Ständestaat“ in Österreich, in Deutschland mit dem Jesuitenpater Aßmann, Msgr. Pools in Holland, Universitätsprofessor Dietrich von Hildebrandt in Wien und anderen.

Schon, daß du bist…

Als ich nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Stuttgart landete, war es für mich eines der tieften Erlebnisse, als mir der Vater eines Schülers erzählte, daß er als kleiner Postbeamter und Zugbegleiter unzählige Exemplare des „Deutschen in Polen“ von Straßburg nach Stuttgart geschmuggelt habe und sie hier bei den Katholiken von Hand zu Hand wandern ließ. Pants aggressives, aber auch über bestes Informationsmaterial verfügendes Wochenblatt war auch für einen Teil der deutschen katholischen Studenten in den polnischen Universitäten wöchentlich sehnlichst erwartete Lektüre. Selbstverständlich fand es auch unter vielen geistig regen Katholiken weite Verbreitung und wurde auch ins Reich in vielen Exemplaren eingeschmuggelt. Pant hat dem Blatt sein bescheidenes Vermögen geopfert, die letzte Nummer des Wochenblattes erschien im August 1939. Als das Sudentenland gleichgeschaltet wurde, wollte man auch Pant von dort aus bewegen, zu kapitulieren. Man hoffte, den frohen Gesellschafter in einer langen und bewegten Nachtsitzung zu überwinden; am Ende war er aber der einzige, der noch einen klaren Kopf am Tisch bewahrt hatte, und, die ihn zu überreden versuchten, waren längst diskussionsunfähig geworden. In den letzten Tagen und Wochen des österreichischen Widerstandes begeisterte er auch große Wiener Kundgebungen. Viele grundsatzfeste polnische Katholiken begannen immer mehr seine Größe zu ahnen und an ein anderes Deutschland, das sie bisher nicht kennen wollten, zu glauben. Manche ahnten auch den schweren politischen Fehler, daß man solchen Männern wie Pant nicht große nationale Zugeständnisse seitens des Staatsvolkes gemacht hatte.

Ende 1938 erreichte mich die Nachricht von dem unerwarteten Tod des kaum über 50jährigen. Eine im Becken steckende Schrapnellkugel aus dem Ersten Weltkrieg hatte seinen Tod herbeigeführt. Mir schien es, als ob eine der letzten Bastionen gegen den Nationalsozialismus stürzte. Die Vorsehung hatte ihn davor bewahrt, 1939 in die Hände der Nationalsozialisten zu fallen. Die damaligen Machthaber ließen zwar seine Familie in schwerer Not zurück, es gelang ihnen aber nicht, die tapfere Witwe, die schon früher nicht nur die Schwierigkeiten ihres Gatten mittrug, sondern ihm Ansporn war, daran zu hindern, ihren Kindern die beste Ausbildung zu erhungern. Auch in den Jahren nach 1945 dauerte es lange, bis eine geordnete Gesetzgebung der in der Nähe Bonns lebenden Witwe wenigstens die bescheidenen Witwenbezüge der Studienratswitwe wieder zuerkannte, das Bundesentschädigungsgesetz vermochte nicht einmal die Entschädigung des bescheidenen von Nationalsozialisten vor der Vertreibung beschlagnahmten Vermögens der Familie zu sichern; sie mußte oft mitansehen, wie viele, die vorher den Irrweg gegangen waren, wesentlich besser gestellt waren als sie.

War Pants Ringen vergebens? Ich glaube es nicht! In viele Herzen hat er ein bleibendes Feuer der Begeisterung gelegt, Vorbild des Starkmuts und der festen Verankerung im Gewissen in schwersten Lebenslagen vielen gegeben, in düsteren Stunden deutscher Geschichte ein Beispiel eines ungebrochenen Widerstandes gesetzt. Mit völlig sauberen Schild steht seine Persönlichkeit den Polen gegenüber, wenn es einmal einen Neubeginn zwischen den Deutschen und Polen auf echter und dauerhafter Grundlage gäbe – nicht in einer Vernebelung der Probleme in der Art der Ära Beck-Ribbentrop –, würden seine Taten mit zu den Grundsteinen des Neubeginns gehören. Immer wieder muß ich mich davon überzeugen, daß auch viele aus der damaligen Zeit mir nicht bekannte sich an ihm ein Vorbild genommen haben und es heute noch nehmen. Oft habe ich mich im Stillen gefragt, wie anders es um den katholischen Einfluß in der Vertriebenenbewegung bestellt wäre, wenn dieser anerkannte, taktisch erfahrene, mit hoher Autorität ausgestattete Mann nach 1945 noch gelebt hätte und wieviel durchschlagende Zielstrebigkeit zum Wohle aller weit über die katholischen Kreise hinaus, er gegen manche hohle und ergebnislose Forderungen parteipolitischer Propaganda in die Eingliederungsgesetzgebung gelegt hätte, mit welchem Schwung er die Politik europäischer bündischer Einigung, der sein ganzes Herz gehörte, vorwärtsgetrieben und wie er einen für Deutsche und Polen gerechten Anfang des gegenseitigen Verhältnisses wieder gesucht hätte. Wer ihn kannte, weiß, daß er die Voraussetzungen dazu gehabt hätte, in der Bundesrepublik jenen großen Wirkkreis zu erhalten, der ihm durch die Minderheitensituation während seiner politischen Wirkungsjahre fast zu eng beschnitten war. In der ihm immer kennzeichnenden persönlichen Bescheidenheit würde er uns heute aber sagen, daß ihm der Ansporn für diejenigen genüge, denen er ein Vorbild war und ist. Wenn jemandem, so gilt ihm das Dichterwort: „Schon, daß du bist – sei dir in Dank genäht.“

 

Am 20. Oktober 1938 starb einer der bekanntesten Vertreter der deutschen Minderheit im Polen der Zwischenkriegszeit – Eduard Pant. 25 Jahre danach schrieb im “Echo der Zeit – Wochenzeitung für politisches Leben” Herbert Czaja (1914 – 1997), späterer Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen, langjähriger Bundestagsabgeordneter der CDU und selbst Oberschlesier, über den Politiker Pant. Nun zum 80. Todestag von Eduard Pant publiziert das Wochenblatt den Text von Herbert Czaja. Vgl. http://wochenblatt.pl/der-grose-widerstandskampfer-ostoberschlesiens-wielki-bojownik-ruchu-oporu-na-wschodnim-gornym-slasku/