Vortrag von Prof. Dr. Manfred Kittel auf der Wissenschaftliche Tagung „65 Jahre Bundesvertriebenengesetz im Kontext europäischer Verständigung“ der Deutschen Gesellschaft e.V. in Zusammenarbeit mit dem Bund der Vertriebenen (BdV) in der Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund am 26. November 2018
Es ist eine gute Regie der Veranstalter unserer Tagung heute, das Vertriebenen-und Flüchtlingsgesetz vom Mai 1953 auch einmal in den größeren Kontext des Umgangs mit den Vertriebenen in der frühen Bundesrepublik überhaupt rücken zulassen. Man muss sich, wenn man das Gesetz verstehen will, nämlich wirklich erst einmal die großen Weichenstellungen vergegenwärtigen, die bereits vor der Gründung des westdeutschen Teilstaates 1949 erfolgt waren. Ich sehe hier vor allem vier fundamentale vertriebenenpolitische Weichenstellungen.
Erstens und ganz grundlegend: Der eben nicht einfach schicksalhaft-alternativlose Umstand, dass die deutschen Ostvertriebenen im Westen maximal zerstreut, unter weitgehendem Verlust ihrer Beziehungsstrukturen am früheren Wohnort angesiedelt worden waren. Zweitens das Koalitionsverbot gegen politische Vereinigungen der Heimatvertriebenen (bis 1949/50), drittens die Entscheidung des Parlamentarischen Rates gegen einen Antrag von CDU und CSU, bei den ersten Bundestagswahlen 1949 sogenannte Flüchtlingswahlkreise zu bilden. Denn damit wäre es eben nicht dem Zufall überlassen geblieben, ob die heimatvertriebene Minderheit wenigstens auch ihrem prozentualen Anteil an der Gesamtbevölkerung entsprechend im Parlament vertreten sein würde. Tatsächlich stellte die bundesweit ca. 16 % damals ausmachende gesellschaftliche Minderheit aus dem deutschen Osten aber dann von Anfang an deutlich weniger Abgeordnete in den westdeutschen Parlamenten – und zwar dauerhaft. Im Bundestag etwa waren es im Schnitt nicht mehr als circa zehn Prozent. Eine weitere Weichenstellung bedeutete es, viertens, sicher auch, dass sich rasch ein parteipolitischer Konsens herausbildete, die Vertreibung der Ostdeutschen aus ihrer Heimat nicht als absolut endgültig zu betrachten. Alles was danach kam, war so gesehen lange ein Integrationsprozess mit potentieller Handbremse.
Das Bundesvertriebenengesetz war nur der Schlussstein in einer Gesamtarchitektur von insgesamt vier großen Legislativmaßnahmen, mit denen Bonn dem Integrationsproblem der Vertriebenen zu Leibe rückte. Vorher war das sog.131er-Gesetz erlassen worden, das auch 100 000 vertriebenen Beamten die Wiedereinstellung in den Staatsdienst ermöglichte. Vor allem aber ist auch zu nennen: das Gesetz zur Feststellung der im Osten erlittenen Vermögensschäden -als Vorstufe zum folgenden Lastenausgleichsgesetz (abgekürzt: LAG). Das LAG vom Mai 1952 war von allen Vertriebenengesetzen mit Abstand das wichtigste. Über seine Hebel wurden in den folgenden Jahrzehnten an die 150 Milliarden Deutsche Mark bewegt. Materiell war das LAG sicher auch wichtiger als das spätere Bundesvertriebenengesetz,obwohl dieses – und nicht das LAG – von Bundesminister Lukaschek als „Magna Charta“ der Vertriebenen gepriesen wurde. Sein Urteil ist aber, wenn, dann nur über die ideelle Seite des BVFG nachvollziehbar, weil dadurch nicht weniger alsder vererbliche Vertriebenenstatus eingeführt wurde oder der berühmte, bis heute wirksame Kulturparagraph 96 und vieles andere mehr.
Vier Gesetze, vier Weichenstellungen. Weichenstellung eins: Zerstreute Ansiedlung.Dem lag die bekannte Strategie der Siegermächte zugrunde, die Vertriebenen möglichst „rückstandsfrei“ in die restdeutsche Gesellschaft einzuschmelzen. Je weniger persönliche Beziehungen es vor Ort zwischen den Ostdeutschen gab, desto schwerer konnten sich kollektive Protestformen dieser neuen Underdogs bilden. Nicht nur Ortsgemeinschaften, oft selbst die Familien hat man auf diese Weise gezielt auseinander gerissen. Das Ergebnis des Ganzen war, dass etwa die Bewohner eines früheren2000-Einwohner-Dorfes im Osten 1947 im Westen in sage und schreibe 158 verschiedenen Orten verstreut lebten.
Ähnlichen Zwecken wie die Zerstreuung diente das Koalitionsverbot,das die Besatzungsmächte rasch über die Vertriebenen verhängt hatten.Briten wie Amerikaner, aber auch die Verwaltungschefs der deutschen Länder, wollten damit um jeden Preis verhindern, dass die soziale Polarisierung zwischen Einheimischen und Vertriebenen im Kampf um Lebensmittel, knappen Wohnraum oder Arbeitsplätze mittels aktiver Vertriebenenvereinigungen unmittelbar auf die politische Ebene durchschlug, dass es also den Aufbau einer neuen Demokratie belastete. Das Vereinigungsverbot bedeutete allerdings selbst eine schwere Hypothek auf dem angestrebten Weg zur Demokratisierung.
Gewiss, nach dem, was von deutscher Seite in der NS-Zeit angerichtet worden war, wird man den Alliierten kaum einen großen moralischen Vorwurf machen können, dass sie nichts unversucht ließen, um auch nur potentielle Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in ihren Besatzungszonen möglichst zu minimieren. Es ist aber auch richtig, dass für die politische Kraft und für die kulturelle Identitätswahrung der Vertriebenen ihre tendenzielle Atomisierung in der westdeutschen Gesamtgesellschaft ausgesprochen nachteilig war – zu schweigen von der menschlichen Dimension. Wer die Strukturen in einer der wenigen Vertriebenengemeinden wie etwa Waldkraiburg oder Neugablonz einmal aus nächster Nähe erlebt hat, weiß, was es bedeutet hätte, wenn es nicht nur ein paar Handvoll solcher Siedlungen in der Bundesrepublik gegeben hätte, sondern viele Hundert – nicht zuletzt für die Bewahrung der wundervollen ostdeutschen Dialekte, die heute faktisch alle ausgestorben sind.
Eszeigte sich nämlich rasch, dass in den lizenzierten Parteien einheimischer Prägung die Ostdeutschen einen ziemlich schweren Stand hatten, dass sie nicht zuletzt bei der Aufstellung von Wahllisten oft majorisiert wurden. In denLandtagen und im Parlamentarischen Rat waren die Ostvertriebenen klar unterrepräsentiert (im Parlamentarischen Rat etwa, je nach Zählweise, nur zwei oder drei von 70). Politiker von CDU und CSU sahen in diesem Übelstand seit Herbst 1948 zunehmend den Keim einer eigenen Partei der Ostdeutschen heranreifen.Ihre Antwort darauf: Die Einführung sogenannter „Flüchtlingswahlkreise“ neben den normalen Wahlkreisen bei den ersten Bundestagwahlen 1949. Nach diesem Modell, von CDU und CSU im Parlamentarischen Rat im Mai 1949 offiziell vorgeschlagen,wären die Flüchtlingswahlkreise vom Gebietsumfang her größer gewesen als die„normalen“, und sie hätten, weil dort nur die Vertriebenen stimmberechtigt gewesen wären, definitiv zu einer deren Bevölkerungsanteil entsprechenden Vertretung im Bundestag geführt. Die Flüchtlingswahlkreise sollten, das wurde von Unionsseite mehrfach klargestellt, übrigens auch nur eine vorübergehende Maßnahme sein. Aber selbst das wurde von einer seltsamen Mehrheit aus SPD, FDPund KPD verhindert – mit vor allem verfassungspolitischen Argumenten. Dahinter verbargen sich im Kern parteipolitische Machtkalküle.
Die Entscheidung des Parlamentarischen Rates, die mit dem Koalitionsverbot eigentlich längst begonnene Sondergesetzgebung im Vertriebenenbereich jetzt plötzlich wieder zu stoppen – und zwar ganz offensichtlich zu Ungunsten der Ostdeutschen –, war die eigentliche Geburtsstunde des BHE, des Blocks der Heimatvertriebenen und Entrechteten. Das Problem dieser eigenständigen Vertriebenenpartei bestand allerdings von Anfang an darin, dass sich viele politisch engagierte Ostdeutsche, und nicht die schlechtesten, zu diesem Zeitpunkt längst auf eine der lizenzierten Parteien – CDU, CSU und SPD vor allem – festgelegt gehabt hatten. Das war einer der Hauptgründe, weshalb derBHE den Fehler machte, sich weniger als sozialpolitische Interessenvertretung der Ostdeutschen zu profilieren, denn als allgemeine nationale Rechtspartei -auch für die Einheimischen.
Fürdie Durchsetzungsfähigkeit einer rein vertriebenenpolitischen Agenda war diese„Catch-all“-Strategie aber ganz kontraproduktiv. Und in diese Richtung wirkte auch die allzu späte Gründung des Vertriebeneneinheitsverbandes BdV Ende der 1950erJahre. Bis dahin hatte ein oft ziemlich wilder Dualismus zwischen dem Zentralverband der vertriebenen Deutschen und dem Verband der Landsmannschaften die politischen Energien der Vertriebenen geschwächt, ja streckenweise regelrecht gelähmt. Die einen wollten im Hier und Jetzt eine vor allem sozialpolitisch ausgerichtete Vertriebenengewerkschaft sein, die anderen kümmerten sich in erster Linie heimatpolitisch um die Ostpolitik.
Es wäre gleichwohl ganz falsch, den Sachverhalt so darzustellen, als ob sich die bürgerlichen Vertriebenenführer gleichsam vom kapitalistischen Systemkorrumpieren hätten lassen, als ob sie die „unterprivilegierten“ ostdeutschen Schichten durch rein taktischen heimatpolitischen Revisionismus von ihren eigentlichen sozialen Interessen abgelenkt hätten. Für eine derartige,etwas vulgär-marxistische Verschwörungstheorie, die in der Forschung tatsächlich geäußert worden ist, finden sich in den mir bekannten Aktenmetern auch zu verbandsinternen Vorgängen keinerlei Anhaltspunkte. Nein, die Priorisierung der ostpolitischen Agenda gegenüber der sozialpolitischen war nicht taktischer Art;sie fußte auf so gut wie unverrückbaren politischen und völkerrechtlichen Grundüberzeugungen.
Wenn man diese großen vier Weichenstellungen im Hinterkopf behält, lassen sich auch die vier wichtigsten vertriebenenpolitisch wirksamen Gesetze einordnen, die der erste deutsche Bundestag auf den Weg brachte: Zunächst das 131er-Gesetz vom Frühjahr1951. Zu diesem Gesetz hier nur noch so viel, dass es selbst der „Verbaost“,der „Verband der Beamten und Angestellten der öffentlichen Verwaltungen aus den Ostgebieten und dem Sudetenland“, als „wesentlichen Baustein“ zur Wiederherstellung des deutschen Berufsbeamtentums begrüßte. Von allen Gruppen der Vertriebenen hatten die Beamten das beste Los gezogen, das war auchinnerhalb der Landsmannschaften, manchmal nicht ganz ohne Sozialneid, communisopinio.
Parallel zum 131er-Gesetz hatte das Parlament auch bereits über den Lastenausgleich diskutiert. Der große Streitpunkt war, ob das Ganze in erster Linie sozialen Charakter tragen, ob die Hilfen für die Bedürftigsten – Unterhaltshilfe,Kriegsschadenrenten etc. – ganz im Vordergrund stehen sollten, oder ob es nicht zumindest auch, so weit wie möglich, aus liberalem Respekt vor dem bürgerlichen Eigentum darum gehen müsse, einen individuell-quotalen Ausgleich für Schäden an Grund- und Betriebsvermögen, speziell auch an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, zu schaffen..
Vom eigentlichen Lastenausgleichsgesetz formal abgekoppelt war schon vorher das besagte Feststellungsgesetz beschlossen worden, das überhaupt erst einmal die Höhe der erlittenen Schäden ermitteln sollte. Das Kalkül der Antragsteller – d.h. der kleinen Vertriebenengruppe in der CDU zusammen mit der FDP – sah so aus,dass man, wenn die Schäden erst einmal festgestellt wären, anschließend an einem Lastenausgleich möglichst nah entlang des individuell wirklich erlittenen Schadens nicht mehr vorbeikommen würde. Gegen diese Politik stand aber vorallem die SPD, wo der legendäre schlesische Pfarrer Heinrich Albertz, damals niedersächsischer Sozialminister, leidenschaftlich dafür kämpfte, dass in der Bundesrepublik niemals der „Spießbürger aus Breslau“ restituiert werden dürfe.
Trotzdem kam es im Frühjahr 1951 zu dem legendären Schulterschluss zwischen dem westpreußischen SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher und dem aus der Provinz Posen stammenden BHE-Vorsitzenden Waldemar Kraft. In Niedersachen gab es daraufhin sogar eine gemeinsame Landesregierung von SPD und BHE. Adenauer sah deshalb seine Fellefür die nächsten Bundestagswahlen vorbei schwimmen. Um das Heft des Handelns vertriebenenpolitisch zurückzugewinnen, sorgte er jetzt dafür, dass dieCDU/CSU-Fraktion im Juni 1951 doch noch einer vorzeitigen Verabschiedung des –von einigen seiner Parteifreunde bislang hinausgezögerten -Feststellungsgesetzes zustimmte. Das Feststellunggesetz war aber gleichwohl nie mehr als eine Art Nebengesetz des großen LAG.
Ob das Lastenausgleichsgesetz selbst ein so großer Erfolg war wie oft zu hören,ist nicht leicht beurteilen. Die gesamtpolitische Lage war damals, als die entscheidenden Lesungen im Bundestag stattfanden, für die CDU tatsächlich so,wie Adenauer öfter zu sagen pflegte: „noch nie so ernst“. Zum einen gab es die Befürchtungen hinsichtlich einer Bundesregierung aus SPD und BHE, wenn der BHE im folgenden Jahr erstmals in den Bundestag einziehen würde. Und, was trotz der riesigen Dimension des Vertriebenen problems auch stets zu bedenken ist: Dieses Thema war bei weitem noch nicht das größte und existenziellste Problem für die frühe Bundesrepublik. Noch leidenschaftlicher als um den Lastenausgleich wurde im Frühjahr 1952, nach der faulen März-Note Stalins, um die Westintegration gerungen, um den Generalvertrag, darum, ob dieser Vertrag die Chancen für eine Wiedervereinigung schmälern würde. Da kam es auf jede Stimme an.
Mitentscheidend war die Haltung der Vertriebenengruppe in CDU und CSU. Aber diese Gruppe war, so wenige Abgeordnete sie umfasste, noch nicht einmal geschlossen.Den sog. Quotalisten um den ostpreußischen Politiker Linus Kather stand eine christlich-soziale Richtung um den sudetendeutschen CSU-ler Hans Schütz gegenüber (mit starken Sympathien für einen möglichst sozialen Lastenausgleich). Im Ergebnis konnte sich Kather, obwohl die Westverträge noch nicht unter Dach und Fach waren, höchstens halb durchsetzen – und auch das nur, weil im allerletzten Moment der Kanzler doch noch persönlich eingegriffen hatte.Adenauer wollte auf jeden Fall verhindern, was dann erst nach den Bundestagswahlen 1953 passieren sollte: Nämlich dass mit Kather der wichtigste CDU-Vertriebenenpolitiker seine Partei verließ und zum BHE überwechselte. Der Preis, den Adenauer verhandelte, um Kather zunächst noch bei der Stange zu halten, bestand in eine rErhöhung des Lastenausgleichsfonds gegenüber jenen Summen, die Finanzminister FritzSchäffer aus ökonomischen Gründen eigentlich für tragbar gehalten hatte.
Der historische Adenauer-Kather-Kompromiss vom Mai 1952 hatte nur ein entscheidendes Manko. Es bestand darin, dass auch das jetzt beschlossene LAG die endgültige Entscheidung über die Finanzierung des Ausgleichsfonds auf dasJahr 1957 vertagte. Dann sollte klarer sein, so hieß es, wie groß eigentlich genau die Schäden der Leistungsempfänger waren. Als aber 1956/57 der sog.Besserungsschein des LAG eingelöst werden sollte, hatte der BHE derWestintegration und der Wiederbewaffnung längst (nämlich schon 1955) die nötigeZweidrittel-Mehrheit verschafft. Das heißt, er wurde jetzt, 1956/57, nicht mehr wirklich gebraucht, und dementsprechend fiel auch das Ergebnis der fälligenGesetzesänderung, der 8. LAG-Novelle, relativ bescheiden aus.
Wenn man wissen will, wer sich beim Lastenausgleich durchgesetzt hat, kann man sich auch an die nackten Zahlen halten und anschauen, für welche Teilbereiche am meisten Geld verauslagt worden ist: Nämlich mit Abstand am meisten für Rentenzahlungen,die ansonsten – nicht zuletzt von den Kommunen – aus dem normalen Sozialetat hätten bestritten werden müssen; einiges durchaus auch für Aufbaudarlehen etc., um die wirtschaftliche Eingliederung anzukurbeln, oder für den Wohnungsbau. Diese Maßnahmen haben sehr gut gewirkt. Aber für das, was noch im ersten LAG-Gesetzentwurf 1950 eigentlich mit weitem Abstand als größter Posten vorgesehen gewesen war,die sog. Hauptentschädigung für das zurückgelassene Vermögen, wurde letztlich dann sogar deutlich weniger ausgegeben als für die Renten. Das bedeutete, dass die individuellen Entschädigungsquoten im Schnitt, je nachdem, wie man rechnet, nur bei 10 bis 20 % lagen. Gerade der gewerbliche und bäuerliche Mittelstand der früheren deutschen Staats- und Siedlungsgebiete im Osten hat in diesem Zusammenhang seine Existenzgrundlage weitgehend verloren.
Dabei ist auch zu sehen, dass gerade die Rückkehroption, psychologisch sehr wichtig,um wenigstens die ärgsten Zumutungen des Integrationsprozesses aushalten zu können, auf der anderen Seite einer „radikaleren“ Lastenausgleichspolitik im Wege stand. Denn es konnte ja immer gesagt werden, es gehe gar nicht um eine weitest mögliche Entschädigung, sondern nur um einen Entgelt für den zeitweiligen Nutzungsentzug am zurückgelassenen Eigentum; und die wirkliche Entschädigung in Form der Rückgabe desselben würde erst noch kommen.
Bei den Debatten um das Bundesvertriebenengesetz 1953 schließlich, ziemlich genau ein Jahr nach dem LAG, waren die bekannten Dilemmata der frühen Vertriebenenintegration nicht plötzlich verschwunden. Jetzt war vor allem umstritten, wie nicht oder kaum genutztes Land für die Ansiedlung vertriebener Landwirte genutzt werden konnte. Der westdeutsche Landwirt Struve schloss im Bundestag namens der einheimischen Agrarlobby Zwangsmaßnahmen gegen die westdeutschen Eigentümer kaum genutzter Liegenschaften allerdings strictissime aus. Linus Kather sah sich darauf hin zu der legendären Replik an seinen Fraktionskollegen herausgefordert: Struve stehe zwar ganz und gar auf dem Boden des Privateigentums, aber (leider) nur seines eigenen. Die Grüne Front setzte sich schließlich durch – gegen die Vertriebenenpolitiker der Koalition, die in diesem Fall zusammen mit der SPD stimmten. Die vertriebenen Bauern aber blieben bis zum Schluss ein besonderes Sorgenkind der Integration.Mit Blick auf die Uhr will ich weitere resümierende Gedanken gerne auf das folgende Podiumsgespräch verlagern. An dieser Stelle nur noch so viel, dass beim Begriff der Modellhaftigkeit der bundesdeutschen Vertriebenenintegration immer sehr die Frage ist, womit man vergleicht. Modellhaft war die bundesdeutsch eEntwicklung gewiss im direkten Vergleich mit Österreich oder vor allem mit der DDR. Sie war es aber eben nicht im Vergleich etwa zur Integration der Ostkarelier in Finnland, wobei dort allerdings auch die Voraussetzungen ganz andere waren. Von einem bundesdeutschen Modell lässt sich insofern vielleicht also doch sprechen, wenn man den Integrationsprozess sehr deutlich ins Gegenlicht der hochproblematischen Weichenstellungen rückt, die ihm bis 1949vorausgegangen waren. Was auf dieser, allerdings eben extrem ungünstigen Basis,dann, wenn auch nur mit kräftiger Nachhilfe eines singulären Wirtschaftswunders, doch noch erreicht wurde – das kann sich in der Tat sehen lassen.