Dr. Ernst Gierlich ist seit Mai 2020 offiziell im Ruhestand. Diesen hätte er als langjähriger Geschäftsführer der Kulturstiftung auch verdient – übrigens hatte er seit 20 Jahren keinen Urlaub gemacht! Trotzdem arbeitet er mit Eintritt in den Ruhestand unentgeltlich weiter und hilft dem neuen Geschäftsführer und dem neuen Referententeam mit Rat und Tat bei der Einarbeitung.
Schon kurz nach dem Einfrieren der institutionellen Förderung der Kulturstiftung durch die rot-grüne Bundesregierung (nach § 96 BVG) packte der Idealist an und baute die äußere Form der Kulturstiftung um. Vorher hatte er als Referent seit 1988 im großen Gebäude der Kulturstiftung im Bonner Talweg mit 16 Hauptamtlichen gearbeitet. Nun galt es, das überflüssig gewordene Büromobiliar etc. an caritative Organisationen zu verschenken und in einer Wohnung in der Kaiserstraße ein sehr verkleinertes Büro zweckmäßig einzurichten. Bei diesem Neuanfang standen ihm Herr Dr. Schleifenbaum, Herr Parplies, Frau Wilming und Herr Schulze zur Seite. In der prekären finanziellen und personellen Situation verzichtete er in den ersten Monaten im Jahr 2001 auf Gehalt.
Man glaubt es nicht, wenn man nicht wie wir beide mit ihm zusammengearbeitet hat! Tatkräftig und kreativ versuchte Dr. Gierlich, die geplanten Tagungen und Tagungsbände trotz geringer finanzieller Mittel zur Zeit der rot-grünen Regierungskoalition weiterzuführen, den Kontakt zum wissenschaftlichen Beirat und Kuratorium der Kulturstiftung weiterzuführen, ebenso zum Bund der Vertriebenen, den vielen wissenschaftlichen Institutionen sowie zu allen Landsmannschaften.
Nebenbei schuf er fürs Internet das überaus wichtige „Kulturportal West-Ost“ und lektorierte zahlreiche Bücher im Auftrag unserer Stiftung. Vor allem seiner Tatkraft ist es zu verdanken, dass es gelang, trotz Mittel- und Personalschwund die erfolgreiche Arbeit mit internationaler Anerkennung vor der totalen Vernichtung zu bewahren und sie bis zum heutigen Tag fortzuführen. In all den Jahren blieb die Kulturstiftung durch bemerkenswerte Aktivitäten bei allen Einschränkungen, die sie hinnehmen musste, eine unentbehrliche Institution, die aus den Aktivitäten der Vertriebenenorganisationen nicht wegzudenken ist. Sie konnte weiterhin ihre Stimme, insbesondere in der Thematisierung des Völkerrechts, dem Schwerpunkt der Aktivitäten der Kulturstiftung, erheben und Beachtung finden.
Im Vorstand der Kulturstiftung wurde Dr. Gierlichs selbstloses und aufopferungsvolles Engagement immer sehr geschätzt. Sein Durchstehvermögen und Einsatz für die Belange der Vertriebenen und ihrer Herkunftsgebiete stießen auf großen Respekt. In all den anstrengenden Jahren hörte man von Herrn Dr. Gierlich nie eine Klage über die schwierige Situation, nie ein ungutes Wort! Immer stellte er sich und seine Verdienste in den Hintergrund. Nicht zuletzt auf seinen unermüdlichen Einsatz und sein umfassendes Wissen ist es zurückzuführen, dass die Kulturstiftung nun endlich wieder die ihr zustehende Bestätigung und Rückenstärkung mit der notwendigen personellen und finanziellen Ausstattung findet. So kann durchaus von einer „Ära Dr. Gierlich“ gesprochen werden.
Dr. Barbara Loeffke, Christine Czaja
Vorstandsmitglieder der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen