Bei der Wallfahrt an Christi Himmelfahrt kam in Bad Niedernau zusammen, wer zusammengehört. Die Wallfahrt der donauschwäbischen Überlebenden verschiedener Internierungs- und Hungerlager sowie ihrer Nachkommen nach Bad Niedernau an Christie Himmelfahrt erfuhr am 29. Mai 2025 bei Sonnenschein und blauem Himmel gleich mehrere Besonderheiten. Anlässlich der am selben Tag stattfindenden Eröffnung und Einsegnung des Dokumentationszentrums Filipowa, reiste auch der emeritierte Erzbischof Dr. Robert Zollitsch an und beteiligte sich nicht nur aktiv an der Eucharistiefeier in der Kirche, sondern gestaltete die Einsegnung des Dokumentationszentrums Filipowa sowie der dazugehörenden und würdig gestalteten einzelnen Räumen. Die Einladung hatte traditionsgemäß das St. Gerhardswerk ausgesprochen und das gesamte Programm der Wallfahrt der Donauschwaben in Bad Niedernau perfekt organisiert.
Mit Johann Sebastian Bachs Toccata und Fuge, dargeboten auf der Orgel von Jennifer Pryk, begann die Eucharistiefeier würdevoll und andächtig. Auf diese schönen Momente in der Votivkirche zu Bad Niedernau folgte die Eröffnung durch Pfr. Klaus Rapp und Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch, dem Ehrenvorsitzenden des St. Gerhardswerks, der selbst aus Filipowa (srb. Bački Gračac) stammt.
Vor der Kyrie sang die Gemeinde „Öffnet eure Tore, Fürsten, öffnet sie!“, geschrieben von Ulrich Mayrhofer und durch den Psalm 24 inspiriert. In der Kyrie selbst wandte sich Pfr. Klaus Rapp, Vorsitzender des St. Gerhardswerks, direkt an die Wallfahrer: „Sie eint, dass sie ihre Heimat verloren haben. Sie fanden und schufen sich eine neue Heimat. Hier sind sie jetzt zuhause. Wir gedenken an jene, die auf der Strecke geblieben sind.“ Die einfühlsamen Gedanken Pfr. Rapps leiteten stimmig über auf die Bedeutung des Feiertages Christi Himmelfahrt. „Mit der Himmelfahrt Christi wird klar zu wem wir aufblicken.“ Sicher spendet anlässlich der Wallfahrt in Bad Niedernau auch die Aussage „uns gehört der Himmel“ Trost bei der Erinnerung an die unter grausamen Bedingungen der Nachkriegszeit in der Batschka, dem Banat oder Syrmien verbliebenen Angehörigen.
Tagesgebet mit Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch
Das Tagesgebet im Anschluss wurde von Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch gesprochen. Mit dem von der Organistin Jennifer Pryk gesungenen Halleluja wurde die Gemeinde der Wallfahrer auf den Ruf vor und nach dem Evangelium eingestimmt. Pfr. Klaus Rapp zeichnete in seiner Predigt das folgende Bild: Geschwister, die in ihrer Kindheit von den Eltern am Abend allein gelassen werden, finden Zettel am Kühlschrank vor mit Anweisungen fürs Kochen, den Herd und den Hund. Mit der Tür die ins Schloss fällt, erkennen die Kinder: ‚Weg sind die Eltern, wir Kinder sind allein Zuhaus‘!‘ Alle Kinder sind dann froh, allein zu sein. Sie wissen wie der Fernseher angeht und niemand drängt sie zur Erledigung der Hausaufgaben. Das Gefühl „endlich erwachsen zu sein“ – wenigstens für einen Nachmittag oder einen Abend führt zu dem Vergleich mit dem Himmelfahrtstag Jesu. In dessen Abschiedsstunde ist er in eine andere Dimension entschwunden. Seine Jünger hatten auf seine Botschaft vertraut und gebaut. Jetzt war er weg. Zu seinem himmlischen Vater gegangen. Die Gemeinde war auf sich gestellt wie die im Beispiel genannten Kinder. Ob die Freude der Jünger darüber, nun ebenfalls endlich selbstständig zu sein und die wichtige Aufgabe, nämlich die Sache Jesu selbst anzugehen, einer ketzerischen Idee entspricht oder nicht, mag nebensächlich sein. Aber die Frage, wird unsere Bewegung noch das sein, wenn er (Jesus) nicht mehr bei uns ist, stellt sich in dieser sensiblen Stunde. Vielleicht musste Jesu‘ gen Himmel fahren, so dass sich seine Jünger, mit beiden Beinen im Leben stehend und erwachsen geworden und wissen, wovon sie sprechen, sich so vom Starren auf das große Vorbild, das Idol – Jesus – lösen konnten.
Pfr. Klaus Rapp weist auf moderne Erscheinungen hin wie ‚Helikopter-Mütter‘ und ‚Elterntaxen‘. Eine neue Dynamik kann nur entstehen, wenn das Alte abtritt. Die Wurzeln sollen bestehen bleiben, denn sie spenden die Kraft zum Leben. „Liebe Schwestern und Brüder, wir sind in derselben Situation: Neue Generationen sind geboren worden. Auch in ihrem Leben gibt es eine Wurzel: Die Liebe Gottes zu uns Menschen, der da ist, da war und der da sein wird.
Dabei nennt Pfr. Klaus Rapp einen weiteren Vergleich als spannendes Bild: Ein Mentor zieht sich zurück und sagt: Jetzt seid ihr dran. Der Initiator zieht sich zurück und gibt mit der Himmelfahrt ein deutliches Zeichen an die Schüler oder seine Jünger, die nachwachsenden Generationen, darauf zu vertrauen sich zu zeigen. Die Bereitschaft, die Ideen der Erlebensgeneration sind noch dieselben. Es geht um das friedliche Miteinander der Völker, Sprachen und Religionen. Es geht um Europa, das in freier Selbstbestimmung gegen Machtansprüche von Autokraten leben kann. Die „Kinder“ sind handlungsbereit. Vielleicht ist das der Grund für Prozessionen. Wir gehen den eigenen Weg und sind Zeugen Christi mit tiefem Vertrauen auf diesen Weg. Ich bin zuversichtlich, dass es der Weg des Lebens ist. Amen.“
Auf die philosophischen Gedanken in der Predigt des Pfr. Klaus Rapp folgte das Glaubensbekenntnis, das Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch mit der Gemeinde der donauschwäbischen Wallfahrer sprach. Die Fürbitten trugen unter anderem auch Adam und Agnes Kupferschmidt vor, eingeleitet durch Pfr. Rapp und von Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch mit einem Gebet („Der Herr sei mit Euch“) abgeschlossen, der im Anschluss darum bat, sich dem donauschwäbischen Autoren Stefan Teppert zu erbarmen, den Gott in diesem Winter zu sich gerufen hat.
Die heilige Kommunion spendeten Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch und Pfr. Rapp nach dem Vater Unser gemeinsam. „Ich bin bei euch alle Tage, Halleluja, so spricht der Herr.“ Nach dem Schlussgebet, dem Segen und dem letzten Lied der Eucharistiefeier – „Großer Gott, wir loben dich“ – von allen Wallfahrern mitgesungen, lud der Vorsitzende des St. Gerhardswerks zu weiteren Programmpunkten.
Eröffnung des Dokumentationszentrums Filipowa
Die feierliche Ausstellungs-Eröffnung des Dokumentationszentrums Filipowa fand im Anschluss an die Eucharistiefeier noch vor dem Mittagessen statt. Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch segnete das Dokumentationszentrum, sowie die einzelnen Ausstellungsräume sicher auch in Gedanken an seine Angehörigen aus Filipowa.
Mit ihm waren alle Besucherinnen und Besucher beeindruckt von der modernen Gestaltung des Dokumentationszentrums. Die besondere Würde erhielt die Ausstellung auch durch die allseits diskutierten und besprochenen Geschichten von der Rettung der Statuen aus der Kirche in Filipowa, die 1967 abgerissen wurde. Es ist dem Ehepaar Kupferschmidt zu verdanken, dass das Dokumentationszentrum so stimmig wie würdevoll gestaltet wurde. Sie hatten in jahrelangem Engagement das Konzept für das Dokumentationszentrum ersonnen und in der Zwischenzeit umgesetzt.
Die vielen Ausstellungsstücke und deren stilvolle Präsentation liefert einen beeindruckenden Blick in die reichhaltige Vergangenheit der Donauschwaben und der selbstbewussten Katholiken in der Batschka. Hierbei sei auch an das Gelübde des Pfarrers Wendelin Gruber und der gläubigen Donauschwaben in den Todeslagern Gakowo und Rudolfsgnad erinnert, dem die Wallfahrer an Christi Himmelfahrt nach Bad Niedernau folgten. Das Versprechen besagte, wenn wir das überleben, wollen wir eine Kirche bauen und jährlich wallfahren. Das St. Gerhardswerk zeigt damit einmal mehr, dass die tiefe Verbundenheit mit dem Orden der Armen Schulschwestern in Bad Niedernau auch nach dem Ableben der Nonnen – nicht nur mit dem Stelenpark, sondern mit dem Dokumentationszentrum, der alljährlichen Wallfahrten – eine zentrale Adresse in der donauschwäbischen Erinnerungskultur einnimmt, diese aktiv mitgestaltet und den Weg in die Zukunft verantwortungsvoll prägt.
Café der Nachgeborenen
Nach der Ausstellungs-Eröffnung des Dokumentationszentrums Filipowa und dem Mittagessen trafen sich die Nachkommen der donauschwäbischen Vertriebenen zu einem Gedankenaustausch, an dem auch der Bundesvorsitzende der Donauschwaben und Präsident des Weltdachverbandes, Jürgen Harich Rede und Antwort stand. Die besonderen Aspekte der Familiengeschichte(n) der Urenkelgeneration bestehen in den Überlieferungen voriger Generationen. Hier und da liegen schriftliche Berichte vor, die Jugendliche voller Interesse lesen. Dadurch ergeben sich oft neue Fragestellungen und erst in der Gemeinschaft mit anderen jungen Donauschwaben stellen sie fest, dass sie mit diesem „Rucksack“ ihrer Vorfahren nicht allein sind. Das „Café der Nachgeborenen“ war die gute Idee von Pfr. Klaus Rapp und stieß auf das nach dem Mittagessen steigende Interesse von Jugendlichen, deren junggebliebenen Eltern und einiger engagierter Donauschwaben.
Die Zusammenkunft mehrerer donauschwäbischer Generationen und die Begegnung des jugendlichen Nachwuchses verspricht in Zukunft als fester Bestandteil der Wallfahrten spannende Erfahrungen dank vieler Gespräche und des gemeinschaftlichen Erlebnisses in Bad Niedernau.
Die Wallfahrt, die unter dem diesjährigen Motto „Voll Vertrauen auf dem Weg“ stand, fand ihren inspirierenden Abschluss mit der Maiandacht. Durch diese führte Pfr. Klaus Rapp, der Vorsitzende des St. Gerhardswerks. Neben dem Gedanken an die Auferstehung des Heilands wurde das Gedenken an die Mutter Gottes, Maria zu einem zentralen Aspekt der Andacht. Sicher auch, weil diejenigen, die in den Vernichtungslagern Jugoslawiens das Gelübde zu Wallfahrten abgelegt hatten, in ihrer Not einst Trost, Schutz und vielleicht auch Rettung von Maria erhofft hatten.
So sei schließlich der Gedanke an ein gelungenes, weil schlüssiges und dramaturgisch stimmiges Konzept das der diesjährigen Wallfahrt in Bad Niedernau zugrunde gelegt wurde, erlaubt.
Die nächste Wallfahrt in Bad Niedernau findet am 14. Mai 2026 statt.
Thomas Dapper