PM: Kulturstiftung unterstützt internationale Fachkonferenz zu Alexander von Humboldts Schlesienreisen

Alexander von Humboldt (1769-1859) zählt bis heute zu den bedeutendsten Forschungsreisenden aller Zeiten. Doch während Humboldts Expeditionen nach Nord- und Südamerika sowie Russland weltweit bekannt sind, fristen seine bergmännischen (Forschungs-)Aufenthalte im preußischen Staatsdienst in Franken und seine ausgedehnten Erkundungsfahrten nach Schlesien und Polen im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts ein Schattendasein.

Um diese unbekannteren Kapitel aus Alexander von Humboldts Leben zu beleuchten, fand am 17. September 2021 auf Initiative des Alexander von Humboldt-Kulturforums Schloss Goldkronach eine deutsch-polnische Online-Fachtagung mit dem Titel „Alexander von Humboldt in Franken, Schlesien und Polen“ statt. Mitveranstalter der Konferenz waren der Malapanetalverein (Stowarzyszenie Dolina Małej Panwi, SDMP), die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG), die Landsmannschaft Schlesien, Nieder- und Oberschlesien, und die Stiftung Haus Oberschlesien.

Zunächst begrüßte Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung, die online zugeschalteten Referentinnen und Referenten sowie die Zuschauerinnen und Zuschauer des Live-Streams. Er machte darauf aufmerksam, dass die Online-Konferenz neben interessanten Erkenntnissen auch bereits einen Vorgeschmack auf die für nächstes Jahr in Malapane (Ozimek) geplante internationale Präsenz-Fachtagung zu Alexander von Humboldts Schlesienaufenthalten bietet. Anschließend hielten Reinfried Vogler, Vorstandsvorsitzender der Kulturstiftung, Józef Tomasz Juros, Vorsitzender des Malapanetalvereins, Bernard Gaida, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, Stephan Rauhut, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien, und Sebastian Wladarz, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Haus Oberschlesien ihre Grußworte.

Den einführenden Vortrag „Humboldt in Bayreuth. Fränkische Jahre von Alexander von Humboldt“ hielt Hartmut Koschyk, Parlamentarischer Staatssekretär a.D. und Vorsitzender des Alexander von Humboldt-Kulturforums Schloss Goldkronach (Oberfranken). Hartmut Koschyk bezeichnete Humboldts fränkische Jahre als dessen „Gesellenjahre“ und wies darauf hin, dass Humboldt von Franken aus seine ausgedehnten Erkundungs-, Bildungs- und Forschungsreisen nach Schlesien und Polen unternahm und in Franken schließlich sein Wunsch heranwuchs, die weite Welt kennenlernen und erforschen zu können.

Den wirtschaftlichen und industriellen Entwicklungsstand Schlesiens zur Zeit der Schlesienreise Alexander von Humboldts schilderte Józef Tomasz Juros, Gründer und Vorsitzender des Malapanetalvereins. Er zeigte anschaulich die frühe Industrialisierung im Malapanetal auf, die bereits um 1750 einsetzte und von der preußischen (Berg-)Verwaltung im neu erworbenen Schlesien stark gefördert und rasch vorangetrieben wurde. Noch heute zeugt davon in Malapane die weltweit älteste und nach wie vor arbeitende Eisenhütte, die bereits 1754 in Betrieb genommen wurde.

Der aus Niederschlesien stammende Autor Thomas Maruck beschäftigte sich in seinem Referat mit Reisen und Aufenthalten Humboldts in Schlesien und Polen, wobei er den Schwerpunkt auf die letzten drei Jahrzehnte in dessen Leben legte. So beschrieb Thomas Maruck auch Humboldts Schlesien-Reise im Jahr 1846, bei der er gemeinsam mit dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. als 77-Jähriger die Schneekoppe bestieg.

Zbigniew Pawlak, Vorsitzender des Vereins der Liebhaber der Tarnowitzer Landes, ist zu verdanken, dass die Königliche Friedrichsgrube in Tarnowitz (Tarnowskie Góry), ein Blei-, Silber- und Zinkbergwerk und heute ein Bergbaumuseum, im Jahr 2017 in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde. In seinem Vortrag schilderte er Gründe, die über die Aufnahme in die Weltkulturerbeliste entschieden haben. Er wies dabei auf die bis ins Mittelalter zurückreichende Bergbautradition in Tarnowitz und Umgebung hin und erinnerte anschließend an Humboldts einmonatigen Aufenthalt in der Bergstadt Ende 1792.

Die nächste Referentin Prof. Dr. Dr. Dagmar Hülsenberg von der Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst und Bildung e.V. war jahrzehntelang Professorin für Glas- und Keramikwerkstoffe und -technologie an der Technischen Universität in Ilmenau. Ihr Vortrag beleuchtete den lange verschollen geglaubten „Bericht über die Salzquellen bei Slonsk“, den Alexander von Humboldt 1794 in Goldkronach, kurz nach seinem Aufenthalt in Słońsk, veröffentlichte. Professor Hülsenberg zeigte auf, mit welchen umfassenden Überlegungen und Wissen Humboldt sein Gutachten anfertigte. Es folgte ein Einblick in den Film „Das Salzwerk in Ciechocinek“ der Filmregisseurin- und produzentin Teresa Kudyba über die drei weltweit größten Gradierwerke, die in dem Ort stehen, zu dem heute das von Alexander von Humboldt untersuchte Słońsk gehört.

Dr. Ingo Schwarz, ehemaliger Leiter der Alexander von Humboldt-Forschungsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, sprach anschließend über die Verdienste des polnischen Historikers Krzysztof Zielnica um die Alexander-von-Humboldt-Forschung. Eingeleitet wurde der Vortrag durch einen Videogruß von Aleksandra Hołubecka-Zielnica, der Witwe des Historikers. Dr. Schwarz skizzierte die Geschichte der Humboldt-Forschung im geteilten Deutschland und Krzysztof Zielnicas ungewöhnlichen Zugang dazu. Aufgrund seiner polnischen Staatsangehörigkeit war er in der DDR selbstverständlich willkommen, dank westdeutscher wissenschaftlicher Stipendien war es ihm aber auch möglich, sich in Westdeutschland zu längeren Studien aufzuhalten.

Aniela Mikolajczyk, ehemalige Mitarbeiterin an einem Humboldt-Forschungsprojekt der Universität Potsdam, nahm sich eines spannenden Themas an. In ihrem Vortrag „Alexander von Humboldts Einstellung zu Polen und den polnischen Aufständen im Vergleich zu Wilhelm von Humboldts Einstellung“ analysierte sie anhand von Primärquellen, insbesondere Briefen, die Aussagen der beiden, eng miteinander verbundenen Brüder in Bezug auf die „polnische Frage“. Dabei stellte sie überzeugend dar, dass Alexander durchaus polonophil war, auch wenn er sich in der Öffentlichkeit mit polenfreundlichen Äußerungen weitgehend zurückhielt. Demgegenüber ließ sich der Staatsmann Wilhelm von Humboldt, der Preußen auf dem Wiener Kongress vertrat, nicht von Gefühlen leiten, sondern setzte sich entschieden für preußische Staatsinteressen ein.

Matthias Lempart, Referent für grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen und Moderator der Konferenz, hielt das letzte Referat des Tages. Er erinnerte in seinem Vortrag daran, dass nicht nur Alexander von Humboldt, sondern auch sein kongenialer Bruder Wilhelm engere Beziehungen zu Schlesien hatte. Nach den Befreiungskriegen, in denen Wilhelm von Humboldt zur engeren Führungsriege der preußischen Politik gehörte, wurde er zur Belohnung Eigentümer der säkularisierten bischöflichen Burg, des Schlosses und des Gutes Ottmachau (Otmuchów) westlich von Neisse (Nysa), woran bis heute die im Burghof erhaltene Gedenktafel erinnert. Die Schenkungsurkunde unterzeichnete der König am 31. Mai 1821, also vor 200 Jahren.

In seinen Schlussworten nannte Reinfried Vogler Alexander von Humboldt ein „Universalgenie, das seiner Zeit voraus war“, und Józef Tomasz Juros lud noch einmal alle Referenten, Teilnehmer und Interessierte zur für September 2022 geplanten internationalen Humboldt-Konferenz in Malapane ein, die 230 Jahre nach Humboldts Besuch in diesem frühen preußischen Hüttenort stattfinden wird.

  • Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen / (mle) & (tra)

 

Text der Pressemitteilung als pdf:
2021-10-08-KS-23-Humboldt-Tagung

 

Screenshot: Józef Tomasz Juros
Józef Tomasz Juros, Vorsitzender des Malapanetalvereins, engagiert sich für die Vermittlung von Regionalgeschichte
Screenshot: Aniela Mikolajczyk
Aniela Mikolajczyk untersuchte die Unterschiede zwischen Alexander und Wilhelm von Humboldt in Bezug auf Polen
Screenshot: Prof. Dr. Dr. Dagmar Hülsenberg
Prof. Dr. Dr. Dagmar Hülsenberg berichtete von Alexander von Humboldts Bedeutung für die Salzgewinnung in Schlesien