Biographie

Adelung, Johann Christoph

Herkunft: Pommern
Beruf: Germanist, Sprachwissenschaftler
* 8. August 1732 in Spantekow, Kr. Anklam
† 10. September 1806 in Dresden

Adelung gilt als einer der herausragenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der deutschen Sprache im 18. Jahrhundert (das Wort „Germanist“ war noch nicht geprägt), und sein umfangreiches Werk hat bis heute nicht an Bedeutung eingebüßt. In Spantekow südwestlich von Anklam als Sohn eines Pfarrers geboren, besuchte er zunächst in Anklam die Stadtschule, dann das unter pietistischem Einfluß stehende Gymnasium Kloster Berge bei Magdeburg (heute zu Magdeburg gehörig) und studierte 1752 bis 1758 Theologie in Halle. Nach einer Tätigkeit als Gymnasialprofessor in Erfurt war er 1762 bis 1763 (oder 1765) herzoglicher Bibliothekar in Gotha, privatisierte seit 1763 (oder 1765) in Leipzig als Schriftsteller, Lexikograph, Rezensent, Übersetzer historischer Werke, Zeitschriftenredakteur und als Herausgeber des „Magazins für die Deutsche Sprache“ (1782-1784), bis er 1787 Hofrat und Oberbibliothekar in Dresden wurde, wo er bis zu seinem Tode lebte.

Besonders wichtig ist sein fünfbändiges Wörterbuch, das 1774 bis 1786 in Leipzig unter dem Titel „Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches der Hochdeutschen Mundart“ erschien. 1766 hatte er im Auftrag des Verlegers Breitkopf damit begonnen, Gottscheds Plan eines Wörterbuchs zu realisieren, schuf dann aber – in kritischer Distanz zu Gottscheds Methode – ein eigenständiges Werk“, das erstmals alle Wortartikel in alphabetischer Reihe brachte und nicht mehr nach dem Stammwortprinzip, wo unter „Ruf“ „Anruf, „Beruf“, „zurufen“ aufgeführt werden. Mit über 55.000 Artikeln gibt es Einblick in den deutschen Wortschatz des späten 18. Jahrhunderts und gilt bis heute in seiner Bedeutungserklärung als vorbildlich: Auf das Lemma folgen grammatische Angaben, und sofort werden die Definitionen, untergliedert in „eigentliche“ und übertragene („figürliche“) Bedeutung, entsprechend der Bedeutungsstruktur des Wortes, gegeben. Die Beispiele und Belege zur Konkretisierung sind nicht nur der „Büchersprache“, sondern auch „den verschiedenen Lebensarten und dem täglichen Umgang“ entnommen. Wichtig sind die Hinweise auf regionalen oder sonderspachlichen Gebrauch und auf Stilfärbungen wie „verhüllend“, „spöttisch“ usw. Auch die Sprachschichtung beachtete er (allerdings nicht mehr in der Zweitauflage 1793-1801): „1. die höhere oder erhabene Schreibart; 2. die edle; 3. die Sprechart des gemeinen Lebens und vertraulichen Umgangs; 4. die niedrige; 5. die ganz pöbelhafte Sprechart“. Über seine Wörterbucharbeit kam Adelung zu den anderen Gebieten der allgemeinen und deutschen Sprachwissenschaft, zur Grammatik, Stilistik und Sprachgeschichte.

Sein Ruhm trug ihm den Auftrag des preußischen Kultusministers Karl Abraham v. Zedlitz ein, eine deutsche Sprachlehre zu verfassen, da dieser den Erlaß Friedrichs d. Gr. von 1779 realisieren wollte, den Deutschunterricht an den Gymnasien zu reformieren. So erschien 1781 in Berlin Adelungs „Deutsche Sprachlehre. Zum Gebrauche der Schulen in den Königlichen Preußischen Landen“, die bis 1828 14 Neuauflagen und Nachdrucke erlebte (eine Kurzfassung unter dem Titel „Auszug aus der Deutschen Sprachlehre für Schulen“, ebenfalls 1781 in Berlin veröffentlicht, brachte es auf zusätzliche acht Neuauflagen und Nachdrucke bis 1818). Bis heute gehört die ausführliche Fassung, die 1782 in zwei Bänden unter dem Titel „Umständliches Lehrgebäude der Deutschen Sprache, zur Erläuterung der Deutschen Sprachlehre für Schulen“ in Leipzig herauskam, zum Lesekanon eines Germanistik-Studenten.

Zur Orthographie hatte er schon Wesentliches in drei Aufsätzen in seinem „Magazin für die Deutsche Sprache“ 1782 publiziert. Sein Hauptwerk hierzu bleibt seine 1788 in Leipzig erschienene „Vollständige Anweisung zur Deutschen Orthographie, nebst einem kleinen Wörterbuche für die Aussprache, Orthographie, Biegung und Ableitung“, die bis 1820 vier Auflagen erlebte. Die Prinzipien-Schreibung nach der „allgemeinen besten Aussprache“, nach der Stammbewahrung und dem allgemeinen Gebrauch wurden jeder künftigen Orthographiediskussion zugrunde gelegt.

Nicht übergangen werden darf seine 1785 in Berlin veröffentlichte dreiteilige Arbeit „Ueber den Deutschen Styl“, in der er beabsichtigte, „die so wichtige und noch von vielen verkannte Lehre von dem Style auf eine ausführliche und überzeugende Art vorzutragen“. Zu Recht ist dieses Werk von Anke Schmidt-Wächter als „das erste umfassende Lehrbuch zum deutschen Stil im heutigen Verständnis“ bezeichnet worden.

Rege Diskussionen lösten damals seine sprachhistorischen und dialektologischen Arbeiten aus. Ganz der Aufklärung verpflichtet, schrieb er in seinem 1781 bei Breitkopf in Leipzig erschienenen Buch über die „Geschichte der Deutschen Sprache, über Deutsche Mundarten und Deutsche Sprachlehre“ (S. 7): „Sprache und Erkenntniß oder Cultur stehen in dem genauesten Verhältnisse mit einander.“ Deshalb war für ihn die Höherentwicklung der Sprache immer durch kulturelle Impulse ausgelöst worden. „Mit Carl dem Großen brach die Dämmerung der Deutschen Literatur an, und seine Verdienste sowohl um seine Nation, als deren Sprache sind allerdings groß … Unter den Schwäbischen Kaisern (1136-1254) brach endlich um die Mitte des zwölften Jahrhunderts der schöne Morgen für die Sprache und schönen Künste an“ (S. 37, 50). Der eigentliche Fortschritt sei aber erst zu Beginn der dritten Periode mit der Reformation erzielt worden, wo „Obersachsen Sitz der Künste und Wissenschaften war“ und Luther v. a. in „den verschiedenen Ausgaben seiner Bibelübersetzung“ seine „Mundart“ „durch die Meißnische zu verfeinern suchte“. „Alle Deutsche, denen es um vernünftige und gründliche Gelehrsamkeit zu thun war, kamen nach Obersachsen, und lernten diese Mundart, als die zierlichste und wohlklingendste in Deutschland“ (S. 64).

Dieser Alleingültigkeitsanspruch rief sofort heftige Kritik hervor, schon 1782 durch Christoph Martin Wieland in seinem im „Teutschen Merkur“ veröffentlichten Aufsatz „Über die Frage: Was ist Hochdeutsch? und einige damit verwandte Gegenstände“: „Indessen sind und bleiben es doch ihre Gelehrten, und unter ihren Gelehrten die Schriftsteller von Genie, Talenten und Geschmack, … die zu ihrer (= der Schriftsprache der ganzen Nation) Bereicherung, Ausbildung und Polierung das Meiste beitragen, und diese Männer finden sich durch alle Provinzen der Nazion verstreut.“ Goethe und Schiller ließen 1796 in den „Xenien“ die Elbe prahlen: „All ihr andern, ihr sprecht nur ein Kauderwälsch. Unter den Flüssen/ Deutschlands rede nur ich, und auch in Meißen nur, Deutsch.“

Andererseits griff Goethe immer wieder auf Adelung zurück. So zog er bei der Überarbeitung seiner Jugendwerke dessen Wörterbuch heran, und in der Orthographie war Adelung für ihn unanfechtbare Autorität. Der Lexikograph, Grammatiker, Stilforscher und Orthograph Johann Christoph Adelung, der 1785 Mitglied der Deutschen Gesellschaft in Leipzig und 1787 auswärtiges Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin wurde, hinterließ ein umfangreiches und bedeutendes Werk, das zu großen Teilen bis heute nachwirkt. Schon die Brüder Grimm setzten ihm im I. Band ihres Deutschen Wörterbuches, Leipzig 1854, durch einen eigenen Artikel ein Denkmal: „ADELUNG, m. vir nobilis, ahd. adalunc, und gangbarer mannsname, der wolklingende durch sein wörterbuch ein hohes verdienst um unsere sprache sich errungen hat.“

Lit.: Werner Bahner (Hrsg.), Sprache und Kulturentwicklung im Blickfeld der deutschen Spätaufklärung. Der Beitrag Johann Christoph Adelungs, Berlin l984. – Peter von Polenz, Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Band II., 17. und 18. Jahrhundert, Berlin/New York 1994.– Anke Schmidt-Wächter, Die Reflexion kommunikativer Welt in Rede- und Stillehrbüchern zwischen Christian Wiese und Johann Christoph Adelung. Erarbeitung einer Texttypologie und Ansätze zu einer Beschreibung der in Rede- und Stillehrbüchern erfaßten kommunikativen Wirklichkeit unter besonderer Beachtung der Kategorie des Stils, Frankfurt/M. (u. a.) 2004. – Claudia Stockinger, Adelung, Johann Christoph, in: Christoph König (Hrsg.): Internationales Germanistenlexikon 1800-1950, Band I: A-G, Berlin/New York 2003, S. 4-6.

Rudolf Bentzinger/ Harro Kieser