Georg Graf v. Arco entstammte einem deutschen Uradelsgeschlecht aus Arco, nördlich des Gardasees, das urkundlich schon im 12. Jahrhundert erwähnt wird. Das 1413 durch König Siegmund in den Reichsgrafenstand erhobene Stadtherrengeschlecht spaltete sich in zwei Linien: die odalricische in Bayern sowie die andreassche, deren einer Zweig in Mantua, der andere in Schlesien ansässig war. Der als Sohn des Rittergutsbesitzers Alexander und der Gertrud, Tochter des Bankiers und Rittergutsbesitzers Jakob Wilhelm Moßner und der Cäcilie Riese, geborene Georg, war von seinem Vater für die Offizierslaufbahn bestimmt worden. Daher wurde er nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Breslau, an dem er 1889 das Zeugnis der Reife erwarb, und zwei Semestern Mathematik- und Physik-Studium an der Universität Berlin aktiver Offizier bei den Gardeschützen. Kurz nach dem Tod seines Vaters quittierte er den Militärdienst und begann 1893 erneut ein Hochschulstudium. An der Technischen Hochschule Charlottenburg widmete er sich den Fächern Maschinenbau und Elektrotechnik. Zu seinen akademischen Lehrern gehörten vor allem der Ingenieur Alois Riedler und der Funktechniker Adolf Slaby. Bei Slaby wurde v. Arco Assistent, speziell für Versuche mit drahtloser Telegraphie.
Verbindungen, die zu Emil Rathenau, dem Gründer der AEG, bestanden, veranlaßten ihn 1898, in das Kabelwerk der AEG als Ingenieur einzutreten. Gleichzeitig fuhr er fort, mit Slaby bei dessen telegraphischen Versuchen zusammenzuarbeiten. Aus dieser Zusammenarbeit heraus kam es zur Bildung der Gruppe AEG-Slaby-Arco, der als weitere prominente Mitglieder Schloemilch und Rundahl angehörten. Um 1900 erfolgte ein erstes Zusammentreffen mit dem Physiker Karl Ferdinand Braun, der 1898 „den die Sendetechnik umwälzenden Gedanken des geschlossenen Schwingungskreises“ gefaßt hatte. Zwischen dem Braun’schen System, durch Siemens & Halske vertreten, und dem Slaby-Arco’schen „der offenen abgestimmten Kreise am Sender und Empfänger, wie es die AEG ausführte“, kam es im Verlauf der folgenden Jahre zu einem scharfen Wettbewerb, bis sich schließlich im Jahre 1903 auf das Einwirken Kaiser Wilhelms II. hin, der sich für Funktelegraphie lebhaft interessierte, die beiden konkurrierenden Systeme zur „Gesellschaft für drahtlose Telegraphie System Telefunken“ zusammengeschlossen. Technischer Direktor und „Kristallisationsmittelpunkt“ der neuen Gesellschaft, allgemein „Telefunken“ genannt, wurde Graf Arco.
An der weltweit bedeutenden Entwicklung, die die drahtlose Telegraphie seitdem genommen hat, ist Graf Arcos Anteil außerordentlich groß. Er war es nämlich, der 1906 die Bedeutung der Arbeiten des Physikers Max Wien über Stoßerregung „mittels Löschfunkenstrecke“ erkannte und daher die durch Telefunken-Ingenieure unternommenen Versuche tatkräftig unterstützte. „Durch die Ausnützung einer bis zu Schwingungszahlen der musikalischen Töne gesteigerten regelmäßigen Funkenfolge gelang es, den Wien’schen Geldanken zur technischen Vollendung zu bringen und dem tönenden Löschfunkensender zur Ausbreitung über die ganze Erde zu verhelfen.“ Als dann bei der sich weiterentwickelnden Technik die Vorteile der „ungedämpften Wellen“ immer offenkundiger wurden, war es erneut v. Arco, der als erster erkannte, welchen Wert die Methode der Frequenzvervielfachung „mittels gleichstromgesättigter Eisentransformatoren“ durch die Anwendung zur Erzeugung derart hoher Frequenzen, wie durch die Radiotechnik benötigt, erhalten werde. Dadurch schuf er die Voraussetzung, erfolgreich mit dem Hochfrequenz-Generator Rudolf Goldschmidts, wie Arco ein Pionier der Radiotechnik, durch einen neuen Maschinensender in Wettbewerb zu treten. Dessen Wesen war gekennzeichnet dadurch, „daß die Grundperiodenzahl eines Hochfrequenz-Induktors durch statische Umformung mittels Eisenwandler in hohe und höchste Frequenzen überführt“ wurde. So konnten die im Überseeverkehr benötigten Wellen in einer oder zwei Transformationsstufen, die hintereinandergeschaltet waren, erhalten werden. Zur Erreichung der erforderlichen Stromamplituden nutzte man die Resonanz abgestimmter Schwingungskreise. Es gelang den Initiativen v. Arcos, diese Idee nach erfolgreichen Vorversuchen in die Praxis umzusetzen, und zwar in der Großstation Nauen. Sie, in der gewaltige Maschinen-Anlagen Energiemengen in Hochfrequenz, die zur Umspannung des gesamten Globus ausreichte, umsetzten, galt als sein Lebenswerk. Die Universität Straßburg verlieh ihm dafür 1916 die Würde eines Ehrendoktors.
Graf Arco war ein Mensch mit vielfältigen Neigungen. Von seinem Beruf einmal abgesehen, war er an den Fragen der Medizin und der Biologie, aber auch an religiösen Themen interessiert. Seine Freizeitbeschäftigung galt insbesondere dem Automobil. Im persönlichen Umgang liebenswürdig und deshalb geschätzt, war er doch zurückhaltend.
Hans Bredow, der „Vater“ des deutschen Rundfunks, ein Freund und Weggefährte Graf Arcos, hat ihn als „eine Künstlernatur“ bezeichnet, die „ein unendlich feines Fingerspitzengefühl für alle technischen Dinge der Welt“ besessen habe. Damit traf er exakt den Kern des Technikers Arco, der im Grunde genommen ein Amateur von genialem Zuschnitt war, geleitet mit traumwandlerischer Sicherheit von seinem Instinkt. Mehr als 100 Patente wurden auf seinen Namen registriert, von seinen sonstigen die Technik befruchtenden Anregungen einmal abgesehen.
1930, im Alter von 61 Jahren, zog er sich nach 28jähriger Tätigkeit aus der Geschäftsleitung von Telefunken zurück. – Die Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft bzw. die von 1933 bis zu seinem Tod 1940, vor allem die Zeit seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, müssen für ihn, der neben all seinen sonstigen Neigungen und Liebhabereien ein leidenschaftlicher Pazifist war, qualvoll gewesen sein.
Werke: Drahtlose Telegraphie, in: Verhandlungen der Gesellschaft der Naturforscher -und Ärzte 84 (1912); Qualitäten ungedämpfter Sender, in: Telefunken-Ztg. 4 (1921 ); Erinnerungen an die erste Entwicklungsphase der drahtlosen Telegraphie, in: Telefunken-Ztg. 5 (1922); Moderner Schnellempfang und Schnellsender, in: Jb. d. drahtlosen Telgraphie 23 (1923); Gegenwärtiger Konkurrenzkampf zwischen Röhre und Maschine, in: Jb. d. drahtlosen Telegraphie 25 (1925); Wege und Werden, in: Festschrift ,25 Jahre Telefunken‘ (1928); Vom Löschfunken zur kurzen Welle, in: Telefunken-Ztg. 10 (1929); Kurzwellenphänomene und ihr Einfluß auf die drahtlose Nachrichtenübermittlung, in: Elektronische Zeitschrift 51 (1930)
Lit.: Dr. h. c. Georg Graf von Arco 60 Jahre alt (Abschr.; MS beider AEG; 5 DIN-A4-BL); H. Rukop, Dr. Ing. e. h. Georg Graf von Arco, in: Telefunken-Zeitung, Heft 120, Juni 1958; Carl Zickermann, Technik ist kein Geheimnis: Graf Arco – Motor der deutschen Funktechnik. Eine Biographie anläßlich des 90. Geburtstages Georg Graf von Arcos, in: Archivdienst, XVII, August 1959, Gruppe: Funker, Forscher, Ingenieure; Graf Arco, ein Pionier der Funktechnik, in: ,ausbau‘, Konstanz, Heft 12, Dezember 1969; Jonathan Zenneck, Georg Wilhelm Alexander Hans (v. Arco), in: Neue Deutsche Biographie, Bd. I (1953); Margot Fuchs: Georg von Arco (1869–1940). Ingenieur, Pazifist, Technischer Direktor von Telefunken, Verlag für Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Diepholz/Berlin 2004, zugleich: München, Techn. Univ., Diss., 2002.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Graf_von_Arco
Konrad Fuchs