Biographie

Bratranek, Franz Thomas

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Augustiner, Germanist, Literaturhistoriker
* 3. November 1815 in Jednowitz/Mähren
† 2. August 1884 in Brünn

Franz Bratranek stammt aus Jedownitz (Jedovnice) im mährischen Kreis Blansko. Es liegt im Drahaner Bergland und hat heute eine Partnerschaft mit Aschheim. Der Vater war Tscheche und ein „Herrschaftsbeamter“, die Mutter stammte aus deutschmährischem Kleinadel. Nach dem Besuch der Grundschule und des Gymnasiums in Brünn trat Bratranek bei den Augustinern im Kloster Altbrünn ein und erhielt den Ordensnamen Thomas. Sein Abt Cyrill Napp, der aus dem mährischen Gewitsch (Jevíčko) stammte, ließ ihn in Wien studieren, wo er Goethes Familie, nämlich die Schwiegertochter Ottilie (geborene Pogwisch) und ihre Söhne kennenlernte, zu denen er zeitlebens Kontakt hielt. Nach seiner Dissertation war Bratranek Sekretär des Abtes in Brünn und dann von 1841 bis 1843 Adjunkt bei Ignaz Johann Hanuš im galizischen Lemberg. Seine Korrespondenz mit Hanuš und seine Erfahrung in Wiener Kreisen, dazu seine Reisen im Ausland zeigen seine „Entwicklung in Anlehnung an die spekulativen Systeme des deutschen Idealismus“, wie Jaromir Loužil feststellt. In dieser Zeit des Metternichschen Absolutismus lernte er auf seinen Auslandsreisen Bücher kennen, die in Österreich verboten waren, und hatte Kontakt zu Vertretern der demokratischen Publizistik. Als die tschechische nationale Bewegung in den Jahren bis 1848 erstarkte, nahm Bratranek Kontakt zur Böhmisch-Mährischen Bruderschaft auf, der auch Hanuš angehörte, sowie weitere Persönlichkeiten wie Božena Němcova oder František Matouš Klácel. Die damaligen Zustände in Österreich ließen Bratranek 1843 sogar an eine Auswanderung aus dem Habsburgerreich und an einen Austritt aus dem Orden denken. Jedoch scheiterte sein Versuch, eine Arbeit in Berlin zu finden. In diesen Jahren veröffentlichte Bratranek neben Beiträgen in der Brünner Moravia selbständige Monographien wie Zur Entwicklung des Schönheitsbegriffes und arbeitet er am Handbuch der deutschen Literaturgeschichte, das 1850 erschien. Weitere damals entstandene Werke sind erst im 20. Jahrhundert im Druck erschienen.

Die Herkunft aus einem tschechisch-deutschen Elternhaus brachten Bratranek 1848 manche Schwierigkeiten, da seine Hal­tung in der nationalen Frage zwiespältig war. So berichtete er in Wien über das brutale Vorgehen des Militärs beim Prager Aufstand und verwahrte sich gegen Behauptungen der nationalen deutschen Presse, von der die Übergriffe und das Niederschlagen der Demonstrationen durch den Fürsten Windisch-Grätz verharmlost und entschuldigt wurden. Andererseits war Bratranek dafür, dass möglichst viele gewählte Vertreter aus Böhmen und Mähren an der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche teilnehmen sollten. Das wurde zwar in Mähren befolgt, jedoch viel weniger in Böhmen.

Seit 1851 lehrte Bratranek an der Jagiellonen-Universität in Krakau und sah dort seine wissenschaftliche Aufgabe darin, die Korrespondenz Goethes zu edieren und die deutsch-polnischen literarischen Kontakte zu bearbeiten. Als nach dem polnischen Aufstand von 1863 an der Universität Polnisch als Unterrichtssprache eingeführt wurde, zeigte sich, dass Bratranek das Vertrauen seiner polnischen Kollegen hatte, die ihn im Amt ließen und ihm gestatteten, weiterhin deutsche Vorlesungen zu halten. Von 1864 bis 1865 war er sogar Dekan der Philosophischen Fakultät; in den Jahren 1866 und 1867 auch Rektor dieser ältesten polnischen Universität. Er pflegte von Krakau aus Kontakte nach Wien, Brünn und nach Weimar zu Goethes Familie, aber auch zu Božena Němcova und zu anderen auch national gesinnten Tschechen. In seiner Krakauer Zeit entstanden Beiträge für die Österreichische Revue in Wien über Adalbert Stifter, die Sturm-und-Drang-Periode, das Mährische Volkslied und Das junge Deutschland. Als Bratranek 1881 emeritiert wurde, ging er zurück in sein Kloster nach Altbrünn. Er starb dort 1884.

In seiner Zeit in Krakau veröffentlichte er den Briefwechsel zwischen Goethe und Kaspar Graf von Sternberg (Wien 1866) und Goethes naturwissenschaftliche Korrespondenz in drei Bänden (Wien 1874-1876). In Leipzig erschien 1876 Goethes Briefwechsel mit den Gebrüdern von Humboldt. Als Beitrag zur Goetheliteratur stellte er 1870 Zwei Polen in Weimar vor, nämlich den Lyriker, Dramatiker und Übersetzer Antoni Ed­ward Odyniec und Adam Mickiewicz, der als Nationaldichter Polens gilt und 1855 in Konstantinopel starb.

Bratraneks Nachlass ist als Fond des Klosters Altbrünn im Staatsarchiv in Brünn aufbewahrt, teilweise auch in Museen in Prag.

Lit.: Der tschechische Bratranek-Fachmann Jaromir Loužil hat im „Lexikon der deutschmährischen Literatur“, einer Loseblatt-Sammlung der Forschungsstelle für deutsch-mährische Literatur der Palacký-Universität in Olmütz 2006, eine ausführliche Bibliographie der Werke und über Bratranek erstellt.

Bild: Wikipedia.

Rudolf Grulich, 2017