Biographie

Creutzburg, Nikolaus

Herkunft: Posener Land
Beruf: Geograph
* 10. April 1893 in Fünfhöfen/Posen
† 1. Oktober 1978 in Freiburg/Breisgau

Nikolaus Creutzburg wurde als Sohn des Gutsbesitzers Adolf Creutzburg und seiner Frau Lina, geb. Benefeld, in Fünfhöfen bei Strelno (Reg. Bez. Bromberg), geboren; aufgewachsen ist er jedoch seit 1902 in Thüringen. Am humanistischen Gymnasium in Jena legte er im Jahre 1912 sein Abitur ab. Beide Herkunftsgebiete sollten auch in die wissenschaftlichen Arbeiten Creutzburgs Eingang finden. Ein „gewissser Drang in die Weite, nach fremden Ländern und Völkern“, wie er selbst bezeugte (Antrittsrede, S. 35), war für ihn Anlaß, sich für das Studium der Geographie zu entscheiden.

Von 1912 bis 1914, unterbrochen durch ein Sommersemester (1913) in Wien, studierte er bei dem seit seiner Antarktisexpedition (1901/03) international angesehenen Erich von Drygalski an der Universität München. Durch die zurückhaltende und Selbständigkeit fordernde Art seines Lehrers aufs nachhaltigste gefördert, wurde Creutzburg – durchaus naheliegend – von den „großartigen Phänomenen der Alpen in den Bann gezogen“ (Antrittsrede).

Weitere wichtige Lehrer waren ihm dabei August Rothpletz (Alpengeologie) und Ferdinand Broili (Paläontologie). Seine Studien- und Arbeitspläne erfuhren jedoch durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine vierjährige Unterbrechung. So konnte er erst 1920 mit einer Arbeit über Die Formen der Eiszeit im Ankogelgebiet (Berlin 1921) promoviert werden. Trotz der gültigen Antworten, die Creutzburg etwa in bezug auf die damals strittigen Fragen der Interglazialzeiten fand, blieb es bei diesem einzigen Abstecher in die noch junge (von A. Penck begründete) Disziplin der Eiszeitforschung.

Seit 1922 Assistent bei L. Mecking an der Universität Münster i.W., habilitierte sich Creutzburg 1924 ebenda mit einer Schrift über Das Lokalisationsphänomen der Industrien am Beispiel des nordwestlichen Thüringer Waldes (Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde 23/4, Stuttgart 1925), worin er den industriellen Standortfragen nachging und neue Möglichkeiten der kartographischen Darstellung ihrer Sachverhalte und Entwicklungen aufzeigte. Obgleich diese Arbeit von einigen weiteren Studien zur Kulturlandschaftsentwicklung und zur Industrieverteilung sowohl im Thüringer Wald wie auch in weiteren Regionen begleitet und fortgesetzt wurde (z.B. Kultur im Spiegel der Landschaft, 1930; Wirtschaft und Landschaft, 1930), bearbeitete Creutzburg auch dieses Gebiet, ungeachtet seiner vielfältigen Neigungen zu kulturgeographischen Fragestellungen, letztlich nicht weiter. Dagegen sollten zwei andere Arbeitsrichtungen, denen er sich ebenfalls bereits in diesen Jahren zuwandte, von Unterbrechungen abgesehen, zu seinen zentralen Tätigkeitsfeldern werden: seine kartographischen Arbeiten, die freilich bereits in direkter Beziehung zu seinen glazialmorphologischen und kulturgeographischen Untersuchungen entstanden waren, und seine intensive Beschäftigung mit der Insel Kreta. Bezeichnend für seine kartographischen Bemühungen war die methodisch klare Darstellung der Karten für viele Bereiche der Geographie, von der Darstellung der Morphologie des Ankogel-Gebiets über die Karte der Industrieverteilung im nordwestlichen Thüringer Wald und verschiedene Atlaswerke (Kultur im Spiegel der Landschaft, 1930; Meyers Großer Handatlas, 1933; Atlas der freien Stadt Danzig, 1936) bis hin zur Darstellung von Klimagürteln und Klimatypen. Der Drang Creutzburgs zur Beobachtung in der Natur hat schließlich den Ausschlag für seine Hinwendung zur Geomorphologie der Insel Kreta gegeben. Angeregt hierzu wurdeer Mitte der 20er Jahre durch Alfred Philippson, dem Pionier der geologischen und geographischen Forschung im östlichen Mittelmeergebiet. Unter geographischen Aspekten mußte insbesondere Kreta damals als völliges Neuland gelten. Forschungsreisen nach Kreta in den Jahren 1925 und 1926 folgten zwei Publikationen über Die Landschaften der Insel Kreta (1927) und Kreta, Leben und Landschaft (1928). Dieser Arbeitsstrang schien indes durch seine Berufung als außerordentlicher Professor an die Technische Hochschule in Danzig völlig zum Erliegen zu kommen. Im politischen Spannungsfeld Danzigs hatte sich Creutzburg vornehmlich Aufgaben und Verpflichtungen mehr landes- und volkskundlicher Art zu stellen. Seine Publikationen dieser Zeit, allesamt von einigem historischen Wert, betreffen vor allem die Stadt Danzig selbst, Polen und das deutsche Volkstum im Osten. Es entstanden Studien über den deutschen Nordosten (1931), Danzig und sein Hinterland (1931), die Rechtsverhältnisse im Danziger Hafen (1932) und der Atlas der freien Stadt Danzig (1936).

Seit 1933 spielten Fragen des deutschen Volkstums im Osten in seinen Arbeiten eine große Rolle, so in Die Volkstumsfrage im deutschen Ostraum(1933), Sprache und Volkstum im deutschen Ostraum (1934), Die Bedeutung des deutschen Ostens für das Schicksal unseres Volkes (1936) und Das Schicksal der deutschen Volksgruppe im Industriebezirk von Bialystok (1936). Als wichtigste Frucht seiner acht Danziger Jahre darf freilich sein Beitrag Die Weichsel im ostmitteleuropäischen Raum(in: Die Weichsel. Ihre Bedeutung als Strom und Schiffahrtsstraße und ihre Kulturaufgaben, Leipzig 1939) gelten. Aufgrund seiner Kenntnis des Ostens wurde er im März 1934 im Hinblick auf den Internationalen Geographentag in Warschau mit anderen Geographen in eine Kommission berufen, die „durch ihre Stellung am engsten mit den Ostfragen verbunden“ seien (M. Rössler, Wissenschaft und Lebensraum, S. 35). Zusammen mit C. Troll und E. Obst wurde er Mitglied im Ausschuß „Deutsche Staats- und Wirtschaftskunde“ der Deutschen Akademie in München. Neben diesen „Ehrungen“ durch den nationalsozialistischen Wissenschaftsbetrieb wurde ihm freilich 1936 mit seiner Aufnahme in die Leopoldina zu Halle auch eine hohe wissenschaftliche Ehrung zuteil. Im gleichen Jahr wurde Creutzburg als Ordinarius an die Technische Hochschule in Dresden berufen, 1940 Institutsdirektor. Seine Tätigkeit als Beirat der Nordostdeutschen Forschungsgemeinschaft (seit 1940) und als Herausgeber von Petermanns Geographischen Mitteilungen (seit 1939) stand im Schatten des Zweiten Weltkrieges, der seine wissenschaftliche Arbeit gänzlich zum Erliegen brachte, da er von 1939 bis 1945 Kriegsdienst leistete, zuletzt im Heeresvermessungswesen. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft verlor Creutzburg als ehemaliger Offizier der Wehrmacht und Parteianwärter sein Dresdner Ordinariat. Aufnahme fand er 1946 als Lehrbeauftragter bei H. Mortensen im Geographischen Institut der Universität Göttingen. Seit dem 1. Oktober 1948 war Creutzburg zunächst als Lehrstuhlvertreter, seit dem 1. Oktober 1951 schließlich als Ordinarius und Direktor des Geographischen Instituts I der Universität Freiburg tätig. Zum 1. Oktober 1961 wurde er emeritiert. Als Hommage an Freiburg darf sein Beitrag in dem Band Freiburg und der Breisgau (1954) angesehen werden. In einem weiteren wichtigen Arbeitsbereich befaßte er sich mit klimatologischen Themen (z.B. Klima, Klimatypen, Klimakarten, 1950; Eine Methode zur kartographischen Darstellung der Jahreszeitenklimate, 1957;Klimatypen der Erde, 1964), die aber durch die seit 1956 nach 30jähriger Unterbrechung wieder aufgenommenen Forschungen über Kreta immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurden. Creutzburgs zahlreiche Reisen nach Kreta – fast jedes Jahr hielt er sich zweimal für längere Zeit dort auf -, aber auch in andere Gebiete der griechischen Inselwelt und des Vorderen Orients, dienten in erster Linie der geomorphologischen und geologischen Bestandsaufnahme der Insel. 1958 erschien als erste Studie nach der langen Unterbrechung Probleme des Gebirgsaufbaues und der Morphogenese auf der Insel Kreta, deren Ergebnisse er selbst noch in manchen Punkten weiterführen und korrigieren konnte. Neben Untersuchungen zur Geologie und Landschaftsentwicklung beschäftigten ihn auch immer wieder paläontologische und siedlungs-und wirtschaftsgeographische Probleme. In mühevoller Geländearbeit und in Zusammenarbeit mit jungen Geologen aus Griechenland und Deutschland, aber auch aus den Niederlanden und Frankreich, erschien eine Reihe von Spezialuntersuchungen, die als notwendige Bausteine schließlich Eingang fanden in seine geologische Karte Kretas l :200000, die 1977 nach Überwindung vielfältiger Schwierigkeiten als Krönung und Abschluß seiner Forschungen auf Kreta mit englischer und griechischer Legende publiziert werden konnte. Die hohe Wertschätzung seiner Forschertätigkeit durch die wissenschaftliche Öffentlichkeit konnte kaum nachdrücklicher Ausdruck finden als durch seine Wahl zum ordentlichen Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse) im Jahre 1967, eine für einen Geographen wahrlich seltene Ehrung.

Werke: Vgl. die Bibliographie bei W. Weischet: Zum Tode von Nikolaus Creutzburg, in: Geographische Zeitschrift 67, 1979, S. 105 -109.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_Creutzburg

Udo Wennemuth