Biographie

Dulk, Albert Friedrich Benno

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Schriftsteller
* 17. Juni 1819 in Königsberg i.Pr.
† 30. Oktober 1884 in Stuttgart

Um 1840 meldete sich im Geistesleben Ostpreußens eine neue Generation zum Wort. Ihre Repräsentanten in der Literatur waren fast ausnahmslos Studenten der Albertus-Universität. Um das Jahr 1820 geboren, standen sie um 1840 in ihrer „Sturm- und Drangperiode“.

„Freiheit und Verfassung“ hieß die Parole. Das Mittel zu ihrer Verwirklichung aber war den jungen Radikalen der Umsturz. In der Revolution sahen sie die einzig mögliche Lösung aller anstehenden Probleme. Barrikadenlieder, dichterische Verherrlichung der Französischen Revolution, Begeisterung für den Freiheitskampf der Polen und der Magyaren, „Völkermord und Völkermorgenrot“ waren die Themen und Motive zahlreicher Königsberger Gedichte aus dem Zeitraum zwischen 1840 und 1848.

Wilhelm Jordan (geb. 1810), Albert Dulk (geb. 1819), Ferdinand Gregorovius (geb. 1820) und Rudolf Gottschall (geb. 1823) waren die bedeutendsten literarischen Vertreter dieser Generation. In ihren Gedichten forderten sie den blutigen Kampf, in dem die Freiheit errungen werden sollte. Die Kirchenglocken sollten in Kanonen umgegossen werden, das ist Wilhelm Jordans Parole in seinem Gedichtband „Ostdeutschland – Glocke und Kanone“ (1842); auf den Trümmern der Paläste soll die Fahne der Freiheit wehen. Gregorovius singt „Polen- und Magyarenlieder“ (1849). Die Vorlagen für die verwendeten Bilder lieferte die Französische Revolution.

Auch im religiösen Bereich war der Radikalismus Mode geworden. Der Materialismus Ludwig Feuerbachs und die Göttin der Vernunft von 1791 wurden gleichzeitig beschworen. Der hochtalentierte Albert Dulk, Sohn eines Königsberger Universitätsprofessors, war nicht nur der radikalste Vertreter einer „Religion ohne Gottperson und Kultus“, er war auch in der Gestaltung seines eigenen Lebens von einzigartiger Konsequenz. Was er in seinem Drama „Orla“ (1844) dichterisch darzustellen versucht hatte, verwirklichte er selbst. Er nahm zu seiner ersten eine zweite Frau, versuchte also in aller Öffentlichkeit eine Doppelehe zu führen, versenkte sich immer tiefer in orientalische Lebensauffassungen, hauste eine Zeitlang in einer Höhle des Berges Sinai, um sich auf die Prophetenrolle vorzubereiten, zu der er sich berufen fühlte.

Am 23. Februar 1848 wurde sein Drama „Lea“ im Königsberger Stadttheater uraufgeführt. Als er an die Rampe trat, um für den großen Beifall des Publikums zu danken, sagte er: „Die Sturmglocken der Freiheit läuten. In Paris ist die Revolution ausgebrochen. Wir stehen vor einem welterschütternden Ereignis.“

Das Trauerspiel „Lea“ soll die Tragik des auf schwindelnde Höhen  emporsteigenden und dann ebenso schwindelnd tief stürzenden Süß Oppenheimer darstellen. Dem dramatischen Geschehen fehlt aber die überzeugende innere Konsequenz. Allzusehr stehen die Ereignisse ohne inneren Zusammenhang nebeneinander. „Das Beste in einzelnen, gut charakterisierenden Vorgängen stammt aus der unter dem Titel genannten Vorlage, der Novelle Wilhelm Hauffs“, urteilte schon Dulks Zeitgenosse Rudolf Gottschall.

Als Politiker war Dulk Sozialdemokrat. Sein wichtigstes Streben galt der Reform der Religion. Er war Mitbegründer des „Deutschen Freidenkerbundes“ und der Stuttgarter freikirchlichen Gemeinde. Sollte sein Buch „Die Stimme der Menschheit“ (2 Bände, 1875-1880) eine Art Bibel der von ihm geforderten neuen atheistischen Menschheitsreligion sein, so versuchte er in seinem religionsphilosophischen Hauptwerk „Der Irrgang des Lebens Jesu“ (2 Bände 1884/85), Jesus als eine menschliche Übernatur zu begreifen, die ihre Zeit zu überwinden versuchte, sich aber durch den Widerstand gegen seine Lehren beirren ließ und anstelle der von ihm ursprünglich beabsichtigten neuen Religion eine Lehre stiftete, die den Menschen auf heidnische Weise vergöttlichte. Offensichtlich sah Dulk sich selbst als die Riesennatur, dazu berufen, das von Jesus nicht geleistete Werk seinerseits zu vollbringen. Dulks bedeutendstes Drama „Jesus, der Christ“ (vollendet 1855, erschienen 1865) arbeitet in neun „Handlungen“ des vom Verfasser ausdrücklich für die Volksbühne nach Art der Passionsspiele bestimmten Stückes den Gegensatz zwischen Jesus und Judas heraus. Judas will den nationalen Befreiungskrieg der Juden gegen die Römer. Immer wieder spornt er Jesus zur Befreiungstat an. Schließlich will er ihn verraten, um ihn dann mit Hilfe der ihm gleichgesinnten Zeloten zu befreien, und ihn so zum Kampf gegen Rom zwingen. Das Mißlingen dieses Vorhabens in der sechsten Handlung bildet den Höhepunkt des tragischen Geschehens. Die Ereignisse der drei letzten „Handlungen“ gleiten dagegen ins Begriffliche, rationalisierend Belehrende des an D. F. Strauß und F. C. Baur geschulten Freidenkers ab.

Das geschlossenste Werk Dulks ist die Tragödie „Simson“ (1859). Das biblische Motiv ist ausgeweitet und verändert: Delila wird zur scheinbaren Verräterin aus der Sehnsucht heraus, Simson endlich als nur ihr alleingehörendes Eigentum in ihren Armen zu halten. Von Simson unerkannt, gibt sie ihm den Rat, die Säulen
einzureißen. Mit einem „Amen“ bekräftigt sie ihre Rache.

Das 1867 erschienene Doppeldrama „Konrad II“ ist ein historisch-belehrendes Lesedrama ohne größere Bedeutung.

Dulks Gedichte sind zum größeren Teil zeittypische politische Verse. Seine Liebesgedichte wenig verinnerlichte, gedankliche Argumentationen, die religiösen Gedichte in Verse gefügte Gedankengänge des Freidenkertums.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Dulk

Helmut Motekat