Biographie

Falk, Paul Ludwig Adalbert

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: preußischer Kultusminister, Oberlandesgerichtspräsident
* 10. August 1827 in Metschkau, Kr. Striegau/Schlesien
† 7. Juli 1900 in Hamm/Westfalen

Der Vater Adalbert Falks, Ludwig Falk (1801-1872), war evangelischer Pfarrer und Konsistorialrat in Breslau und Sohn eines Pfarrers aus Hinterpommern. Er wohnte zuletzt in Waldau bei Liegnitz. Die Mutter Emma, geb. Hoffmann (1801-1869), stammte aus Breslau. Adalbert Falk heiratete 1859 Rosa, Tochter von Franz Passow (1786-1833), Professor der Klassischen Philologie in Breslau.

Nach dem Abitur auf dem Friedrichsgymnasium in Breslau begann Falk sechszehneinhalbjährig dort das Jurastudium, das er 1847 mit der Auskultatorprüfung und der Promotion abschloß. 1853 Staatsanwalt in Lyck, 1861 am Kammergericht in Berlin und Hilfsarbeiter im Justizministerium, wurde er 1862 Appellationsgerichtsrat in Glogau. 1858 ins preußische Abgeordnetenhaus gewählt, schloß er sich den gemäßigten Liberalen („Fraktion Mathis“) an. 1868 wurde er Geheimer Justizrat und Vortragender Rat im Justizministerium, 1871 zum preußischen Bevollmächtigten im Bundesrat ernannt, wo er an den großen gesetzgeberischen Arbeiten der Reichsgründungszeit mitwirkte.

Am 22. Januar 1872 wurde Falk als Nachfolger Heinrich von Mühlers zum Minister der Geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten berufen. Im selben Jahre noch brachte er das Schulaufsichtsgesetz durch, die „Allgemeinen Bestimmungen betr. das Volksschul-Präparanden- und Seminarwesen“, errichtete Simultanschulen und sorgte für eine Umformung des Lehrplans und eine Besserstellung des Lehrerstandes.

Standen die genannten Änderungen schon im Zeichen des Liberalismus, so galt dies viel mehr noch von der seinerzeitigen Neuordnung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Die damit verbundenen Auseinandersetzungen in Mitteleuropa, mit Brennpunkten in Italien, Österreich, Bayern, Baden und der Schweiz, erfuhren in Preußen eine besondere Zuspitzung. Rudolf Virchow sprach als Führer der liberalen Fortschrittspartei im preußischen Landtag von einem großen „Kulturkampf“, in dem man für die „Emanzipation des Staates“ kämpfe.

Bismarck hatte eine Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche vermeiden wollen. Das Unfehlbarkeitsdogma vom 18. Juli 1870 sah er als innerkirchliche Angelegenheit an und lehnte es deshalb zunächst ab, sich in diese Frage einzumischen. Zu dieser Zeit war er auch bereit gewesen, dem nach dem Verlust des Kirchenstaates (20.9.1870) sehr in Bedrängnis geratenen Papst in Deutschland Asyl zu gewähren, etwa in Fulda oder in Köln. Erst als den Altkatholiken, die das neue Dogma nicht anerkannten, die Lehrerlaubnis (missio canonica) von Rom entzogen wurde, sah der preußische Staat sich zum Eingreifen gezwungen. Auf dem Gebiet der katholischen Religionslehre an den Universitäten und an den Höheren Schulen mußten sich Staat und Kirche unausweichlich begegnen. In beiden Bereichen waren die Religionslehrer staatliche Beamte; sie bedurften, da sie überwiegend Priester waren, der Lehrerlaubnis ihres zuständigen Bischofs.

Was Bismarck entschieden bekämpfte, war der politische Katholizismus, die mit der Reichsgründung aufkommende Zentrumspartei. Sie wurde im ersten Reichstag mit 58 Sitzen zweitstärkste Partei, und bei der Neuwahl (1874) erhielt sie 91 Mandate. Ihr kirchenpolitisches und föderalistisches Programm übte auf Welfen (7 Mandate), Polen (14) und Elsässer (seit 1874: 15) eine besondere Anziehungskraft aus – zusammen eine gewichtige Minderheit, die dem Auf- und Ausbau des neuen Reiches oft im Wege stehen sollte. Das Zentrum galt als ultramontan, als eine aus Rom gesteuerte klerikale Partei. Die Bildung dieser Fraktion sah Bismarck „als im Lichte einer Mobilmachung der Partei gegen den Staat.“ (30.1.1872)

Der Reichskanzler, dem der neue Minister „unschätzbar als Jurist“ war, betraute Falk mit der Aufgabe, „die Rechte des Staates der Kirche gegenüber wiederherzustellen und zwar mit möglichst wenig Geräusch“. Unter seinem Vorsitz fand eine „Konferenz zur Erörterung der Frage über die gesetzliche Regelung des Verhältnisses des Staates zur Kirche“ statt (3./4.8.1872). Daran nahmen angesehene liberale Juristen teil wie Emil Friedberg, Paul Hinschius, Otto Mejer und Rudolf Gneist. Dieser definierte den Kulturkampf ähnlich wie Falk als den „Versuch, die Verhältnisse von Kirche und Staat durch spezialisierte Gesetze zu regeln und unter eine Verwaltungsrechtsprechung zu stellen.“

Unterdessen aber hatte der Streit weitere Kreise gezogen. Aus dem Kampf mit dem Zentrum wurde eine Auseinandersetzung mit der Kirche; Bismarcks Versuch, die Kurie gegen das Zentrum zu gewinnen, mißlang. Den Höhepunkt des Kampfes bildeten die vier Maigesetze von 1873: Über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen (mit der Forderung eines „Kulturexamens“); über die kirchliche Disziplinargewalt und die Errichtung eines Königlichen Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten; über die Grenzen des Rechtes zum Gebrauche kirchlicher Straf- und Zuchtmittel; über den Austritt aus der Kirche. Sie wurden ergänzt durch die Einführung der obligatorischen Zivilehe und die Beurkundung des Personenstandes (Geburten, Heiraten, Sterbefälle) durch die Standesämter in Preußen 1874, im Reich 1875.

Mit diesen Gesetzen erfolgte die Unterstellung der kirchlichen Einrichtungen und geistlichen Personen unter die Staatsgewalt, auch die Sonderrechte der Kirche wurden aufgehoben. Dagegen erhob sich der geschlossene Widerstand der Bischöfe, und diese fanden beim Klerus und beim Kirchenvolk volle Unterstützung. Maßgebliche Kreise der Altkonservativen und der protestantischen Orthodoxie lehnten die genannten Gesetze und Regelungen ebenfalls weitgehend ab. Selbst der Kaiser war dagegen, und auch Bismarck hatte Bedenken, etwa hinsichtlich der Zivilehe. Seine Einwände stellte er jedoch vor dem Widerspruch des preußischen Staatsministeriums zurück. Führend in der Kulturkampfgesetzgebung war Falk.

Papst Pius IX., Verfasser des syllabus errorum (1864), in dem er „moderne Irrlehren“ wie Rationalismus, Liberalismus und Sozialismus verurteilt hatte, erklärte die preußische Kirchengesetzgebung für ungültig und bedrohte alle, die sie befolgten, mit der großen Exkommunikation (Enzyklika „Quod numquam“ vom 5. Februar 1875). Der Staat reagierte mit Strafgesetzen; der Kampf in Land- und Reichstag, wesentlich von Nationalliberalen und Fortschrittlern getragen, erreichte seinen Höhepunkt. Geldbußen und Gefängnisstrafen wurden verhängt, 1876 waren alle preußischen Bischöfe verhaftet oder ins Ausland geflüchtet, bis 1880 über 1.000 katholische Pfarreien unbesetzt. Der geschlossene Widerstand hielt an, ohne daß ihm der Staat hätte beikommen können. Bismarck stellte rückblickend fest, daß die juristischen Einzelheiten der Gesetze nicht richtig gegriffen hatten. „Der Mißgriff wurde mir klar an dem Bilde ehrlicher, aber ungeschickter preußischen Gendarmen, welche mit Sporen und Schleppsäbel hinter gewandten und leichtfüßigen Priestern durch Hintertüren und Schlafzimmer nachsetzen.“

Der Tod des unversöhnlichen Papstes am 2. Februar 1878 ließ die Hoffnung eines modus vivendi aufkommen. Wiederannäherungsversuche Leos XIII., seines Nachfolgers, stießen bei Bismarck auf ein Entgegenkommen, das den schrittweisen Abbau der Kampfgesetzgebung ermöglichte und schließlich zur Wiederherstellung des kirchenpolitischen Friedens führte. Nach „Abänderungen der kirchenpolitischen Gesetze“ (14. Juli 1880) folgten zwei Milderungsgesetze (31. Mai 1882 und 11. Juli 1883). Die 1872 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zwischen Berlin und dem Vatikan wurden 1882 wieder aufgenommen. Kirche und Staat kamen einander entgegen, ohne daß es Sieger und Besiegte gegeben hätte. Die am weitesten gehenden Strafgesetze wurden abgebaut, die Kurie stimmte 1886 der Anzeigepflicht und dem Einspruchsrecht des Staates bei der Besetzung von Pfarreien zu. Zivilehe und staatliche Schulaufsicht blieben erhalten. Bismarck urteilte über das Ergebnis: „Wahrten wir die Herrschaft des Staates über die Schule, so behielten wir aus dem Kulturkampf beim Frieden immer einen wertvollen Siegespreis im Vergleich zu den Zuständen vor Ausbruch des Kampfes.“ Leo XIII. erklärte am 23. Mai 1887 in einem öffentlichen Konsistorium den Kampf für beendet, „welcher die Kirche schädigte und dem Staat nicht nützte.“

Wer in dem Kulturkampf die Geister gerufen hatte und ihrer nicht hatte mächtig werden können, war zweifellos Bismarck gewesen, mehr aber wohl noch Falk. Bei ihm, einem liberalen Rationalisten, ging es um das Rechtsverhältnis von Staat und Kirche. Seine Ideen durchzog noch ein „praktischer Hegelianismus“ (Bornkamm), der das Recht in der Staatsautorität verkörpert sah und den Glauben an die Kraft der Gesetze hatte. Ihm fehlte jedoch der Sinn für die Tatsächlichkeiten im politischen Machtkampf, dem Bismarck um so mehr Rechnung trug, je schwieriger die Auseinandersetzungen wurden, je tiefer sie griffen und je weiter sie sich ausbreiteten. In einer abschließenden Rede bezeichnete er sie als „Bruchstücke eines breiten historischen Stromes, der sich durch unser ganzes Volksleben durch Jahrtausende hindurch zieht und dessen Wellenschlag ab und zu auftaucht, je nachdem einzelne Persönlichkeiten oder Angriffe dazu Gelegenheiten geben.“ (21.4.1887)

Im Rahmen der schrittweisen Beilegung des Kampfes war schließlich die Stellung Falks nicht mehr zu halten. Er trat am 19. Juli 1879 zurück. Das ihm angebotene Justizministerium lehnte er ab, den erblichen Adel nahm er nur für seinen Sohn an. Seit 1873 gehörte er dem preußischen Abgeordnetenhaus und dem Reichstag an, zog sich aber aus dem parlamentarischen Leben zurück, als er 1882 zum Oberlandesgerichtspräsidenten in Hamm ernannt wurde. Sein Biograph Erich Foerster charakterisiert ihn als preußischen Beamten alter Prägung: schlicht, überzeugungstreu, uneigennützig, bescheiden für seine Person, ‚fromm ohne Phrase und Salbung‘, „streng in seinen Anforderungen an seine Mitarbeiter, aber am strengsten gegen sich selbst“.

Die preußische Volksschullehrerschaft errichtete ihm in Hamm ein Denkmal – 1905, fünf Jahre nach seinem Tode.

Werke: Reden aus den Jahren 1872-1879. 3 Bde., Berlin 1880.

Lit.: Erich Foerster: Adalbert Falk. Gotha 1927. – Edoardo Graf Soderini: Leo XIII. und der deutsche Kulturkampf. Innsbruck 1935. – Renate Ruhenstroth-Bauer: Bismarck und Falk im Kulturkampf. Heidelberg 1944. – Heinrich Bornkamm: Die Staatsidee im Kulturkampf. München 1950. (Neudruck: Darmstadt 1961). – Georg Franz: Kulturkampf. Staat und katholische Kirche in Mitteleuropa von der Säkularisation bis zum Abschluß des preußischen Kulturkampfes. München 1954. – Ders.: Kulturkampf gestern und heute. Eine Säkularbetrachtung 1871-1971. München 1971. – Adelheid Constabel (Hg.): Die Vorgeschichte des Kulturkampfes. Quellenveröffentlichung. Mit einer Einleitung von Fritz Hartung. [Ost-]Berlin 1956. – Rudolf Morsey: Bismarck und der Kulturkampf. In: Archiv für Kulturgeschichte 39 (1957), 237-270. – Stephan Skalweit: Paul Ludwig Adalbert Falk. In: NDB 5 (1961), 6f. – Erich Schmidt-Volkmar: Der Kulturkampf in Deutschland 1871-1890. Göttingen 1962. – Walter Bußmann: Das Zeitalter Bismarcks. Konstanz41968. – Christoph Weber: Kirchliche Politik zwischen Rom, Berlin und Trier 1876-1888. Die Beilegung des preußischen Kulturkampfes. Mainz 1970. – Rudolf Lill: Die Wende im Kulturkampf: Leo XIII., Bismarck und die Zentrumspartei 1878-1880. Tübingen 1973. – Lothar Gall: Bismarck. Berlin 1980. – Ekkhard Verchau: Otto von Bismarck. München, Zürich21981. – Johannes Heckel: Die Beilegung des Kulturkampfes in Preußen. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanon. Abt. XIX, Bd. 50 1930.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Adalbert_Falk

 Ekkhard Verchau