Biographie

Goltz-Pascha, Colmar Freiherr von der

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: preußischer Generalfeldmarschall, kaiserlicher osmanischer Marschall
* 12. August 1843 in Bielkenfeld, Kr. Labiau/Ostpr.
† 19. April 1916 in Bagdad

Der aus einer angesehenen, wenn auch wenig begüterten ostpreußischen Familie stammende Colmar Freiherr von der Goltz trat, obgleich eigentlich mehr Neigung zur Gelehrsamkeit zeigend, 1855 in die Kadettenanstalt in Kulm (Westpreußen) ein und wechselte 1858 in die Hauptkadettenanstalt in Berlin. 1861 zum Seconde-Leutnant im 5. Ostpreußischen Infanterie-Regi­ment Nr. 41 in Königsberg ernannt, wurde er 1864 an die Berliner Kriegsakademie berufen, wo er, mit Unterbrechung für die Teilnahme am Krieg von 1866, bis 1867 verblieb.

Nach dem Abschluss wurde von der Goltz zum Großen Generalstab abkommandiert, zunächst in die Topographische, dann die Kriegsgeschichtliche Abteilung, und nahm am Deutsch- Französischen Krieg 1870/71 im Stab des Prinzen Friedrich Karl von Preußen, Kommandeur der 2. Armee, teil. Im Anschluss an eine kurze Unterbrechung als Truppenkommandeur in Gera wirkte von der Goltz von 1878 bis 1883 als Generalstabsoffizier erneut in der Kriegsgeschichtlichen Abteilung und als Lehrer an der Kriegsakademie.

Hier entstand 1883 auch sein bekanntestes Werk Von Roßbach bis Jena und Auerstedt (in der ersten Auflage noch Roßbach und Jena), in der er im militärhistorischen Kleide deutliche Kritik an den Zuständen der preußischen Armee seiner Zeit äußerte. Von der Goltz kritisierte u.a. ein stures Beharren an bislang vermeintlich erfolgreichen Methoden, ein Schwinden des kriegerisch-männlichen Geistes in der Bevölkerung und die Lähmung des Geistes der Truppe durch überbordende Militäradministation. Außerdem warnte er vor dem schleichenden Verlust der deutschen Überlegenheit gegenüber insbesondere dem auf Revanche zielenden und größte militärische Anstrengungen unternehmenden Frankreich.

Die Kombination aus militärwissenschaftlicher Berühmtheit durch die Abhandlung und Aversionen gegenüber dem jungen Offizier gerade in Kreisen der Militärbürokratie im Reich führte zur Berufung von der Goltz‘ zum Berater und faktischen Reorganisator der Armee des Osmanischen Reiches zwischen 1883 und 1895. Nachdem erste Schwierigkeiten durch enge Kontakte zum Großwesir und zum Sultan, die ihn mit umfangreichen Vollmachten ausstatteten, überwunden werden konnten, gelang es dem preußischen Offizier binnen kürzester Zeit, die osmanische Armee in Organisation und Ausrüstung grundlegend zu modernisieren.

Wieder in Deutschland zunächst zum Generalleutnant und Kommandeur der 5. Division in Frankfurt/Oder, später zum General der Infanterie und 1902 zum Befehlshaber des I. Armeekorps in Königsberg ernannt, wurde er zusätzlich als Chef des Pionierkorps und Generalinspekteur der Festungen mit landesweiten Aufgaben betraut. Von der Goltz entwickelte hier nicht nur einen später erfolgreich in die Tat umgesetzten Plan zur Abwehr eines erwarteten russischen Angriffs auf Ostpreußen, er schuf auch in der Verzahnung von Infanterie, Pionieren und dem Ingenieurkorps das Konzept einer modernen, „technisierten“ Armee.

1907 zum Armeeinspekteur der sogenannten „6. Inspektion“, zuständig für das Königsberger, Danziger und Posener Armeekorps, berufen, legte er großen Wert auf die Abhaltung realitätsnaher, d.h. nicht bereits im Vorfeld in Ablauf und Ergebnis festgelegter Manöver, und wurde 1911 nicht nur zum Generalfeldmarschall ernannt, sondern erhielt für seine kriegswissenschaftlichen Beiträge auch den Orden Pour le mérite für Kunst und Wissenschaft.

Obgleich 1913 altersmäßig verabschiedet, wurde von der Goltz mit Kriegsausbruch 1914 reaktiviert, erhielt jedoch aus Altersgründen kein Frontkommando mehr, sondern war zunächst als Generalgouverneur für die Verwaltung des besetzten Belgiens tätig, bevor er erneut, erst als militärischer Berater des Sultans, dann als Kommandierender, wieder im Osmanischen Reich wirkte. Sein Ziel, im Bündnis mit Bulgarien und Rumänien nach Niederwerfung Serbiens Russland von Süden her anzugreifen und, sich der Ukraine als „Versorgungskammer“ zu bemächtigen, eine Basis für großangelegte Operationen auf russischem Territorium selbst aufzubauen, erwies sich als strategisch weitsichtig, scheiterte jedoch zum einen an der politischen Situation (Kriegseintritt Italiens an der Seite der Entente mit dadurch verursachter Bindung größerer österreichisch- unga­rischer Verbände und deutlich russophiler Kurs Rumäniens), zum anderen an der mangelnden zur Verfügung stehenden militärischen Stärke der Mittelmächte.

Auf dem orientalischen Kriegsschauplatz gelang von der Goltz zunächst die militärische Sicherung Konstantinopels vor einem drohenden britischen Angriff von der Seeseite her, dann, als Kommandeur der 6. Osmanischen Armee, die Integration des bis dahin isolierten persischen Kriegsschauplatzes in die sonstigen Aktivitäten der Mittelmächte. Der Sieg seiner Armee über die eingeschlossenen britischen Verbände bei Kut brachte eine spürbare Entlastung der osmanischen Ostfront.

Mitten in dieses Wirken hinein verstarb Colmar Freiherr von der Goltz am 19. April 1916 in seinem Hauptquartier in Bagdad, nachdem er sich bei einer Inspektion der Lazarette mit Typhus infiziert hatte. Beigesetzt wurde er im Garten der Sommerresidenz der deutschen Botschaft in Konstantinopel.

Lit.: Pertev Demirhan, Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz. Das Lebensbild eine großen Soldaten. Aus meinen persönlichen Erinnerungen, Göttingen 1960. – Friedrich Freiherr von der Goltz/ Wolfgang Foerster (Hrsg.), Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz: Denkwürdigkeiten, Berlin 1929. – Hans von Kiesling, Mit Feldmarschall von der Goltz-Pascha in Mesopotamien und Persien, Leipzig 1922. – Carl Alexander Krethlow, Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz Pascha. Eine Biographie, Paderborn 2012. – Bernard von Schmiterlöw, Aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Freiherr von der Goltz-Pascha. Nach Briefen an seinen Freund, Berlin/ Leipzig 1926. – Herrmann Teske, Colmar Freiherr von der Goltz. Ein Kämpfer für den militärischen Fortschritt (= Persönlichkeit und Geschichte, Band 6), Göttingen/Berlin/Frankfurt 1957.

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Bernhard Mundt, 2017