Der profilierte Charakterdarsteller Otto Eduard Hasse, als O.E. Hasse bekannt, wurde am 11. Juli 1903 in Obersitzko (Kreis Samter) in der damals preußischen Provinz Posen geboren. Er besuchte Schulen in Kolmar (Provinz Posen) und in Posen und begann nach dem Abitur in Berlin auf Wunsch der Eltern ein Jura-Studium, das er nach drei Semestern abbrach.
Es folgte 1923 ein schon lange geplanter Wechsel an die Schauspielschule von Max Reinhardt. Bereits als Kind erprobte er sich im Theaterspiel. Er trat zu Schulzeiten in Kolmar und Posen als Laiendarsteller gemeinsam mit seiner Mitschülerin Bertha Drews in privaten Kreisen auf. Vor allem Aufführungen im Posener Theaterverein legten ein breites Fundament für sein späteres Schaffen.
Nach der Ausbildung unternahm er 1925 erste Theaterschritte an der „Jungen Bühne“ in Berlin, in den Münchener Kammerspielen und am Harzer Sommertheater in Thale. Weitere Stationen seiner Bühnenlaufbahn führten ihn für drei Jahre zu den Vereinigten Theatern in Breslau (1926-29) und 1929 wieder nach Berlin (Deutsches Volkstheater). In den Jahren 1930 bis 1939 trat er in den Münchener Kammerspielen auf. 1939 ging er an das neu gegründete Deutsche Theater in Prag. Im letzten Kriegsjahr 1944 wurde O. E. Hasse zum Wehrdienst herangezogen und nach kurzem Einsatz an der Westfront zur Hauptfilmstelle der Reichsluftwaffe abkommandiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg feierte O. E. Hasse Triumphe am Hebbeltheater, am Renaissance-Theater und am Schiller-Theater in Berlin, u.a. in „Wir sind noch einmal davon gekommen“ von Thornton Wilder. Gastspiele führten ihn nach Österreich (Salzburger Festspiele und Burgtheater Wien), in die Schweiz und in andere deutsche Städte.
Einige Jahre nach dem Krieg begann seine Filmkarriere. Der Steuermann in dem Hans-Albers-Film „Peer Gynt“ (1934) wird häufig als erste Filmrolle von O. E. Hasse angegeben. Längst zuvor hatte er jedoch in Streifen wie „Peter Voss, der Millionendieb“, „Kreuzer Emden“, „Muß man sich gleich scheiden lassen?“, „Fräulein Hoffmanns Erzählungen“ und „Die vertauschte Braut“ mitgewirkt. In dem Stummfilm „Der letzte Mann“ (1924) war er in der Statisterie zu finden.
Alfred Hitchcock holte ihn nach Amerika zu Dreharbeiten in „I confess/ Ich beichte“ (1952) und für Anatole Litvak spielte er in „Entscheidung vor Morgengrauen“ (1951/52).
Als O. E. Hasse 51 Jahre alt war, bekam er in Deutschland eine bedeutende Hauptrolle als Hitlers Abwehrchef Canaris in dem gleichnamigen Film (1954). Mit dieser Rolle wurde er weltberühmt und zur Identifikationsfigur des aufrechten deutschen Offiziers. Hasse verkörperte in seinen Filmrollen die Macht in der Gestalt von Königen, Ministern, russischen Großfürsten und besonders von Soldaten. Als Offizier pflegte er die sittlich-moralische Kraft und Anständigkeit zu demonstrieren.
Akzente setzte er auch in dem Streifen „Alibi“ (1955), „Der gläserne Turm“ (1957/58), „Der Arzt von Stalingrad“ (1958), „Der Maulkorb“ (1958), „Die Letzten werden die Ersten sein“ (1957), „Solange das Herz schlägt“ (1958), „Frau Warrens Gewerbe“ (1960), „Die Ehe des Herrn Mississippi“ (1961), „Lulu“ (1962) und in den 1957 in Frankreich entstandenen Filmen „Arsène Lupin/ Der Meisterdieb“ sowie „Spuren in die Vergangenheit“.
Auch als Regisseur finden wir ihn, wie in: „Hier bin ich, hier bleib ich“ (1933), „Dr. med. Hiob Prätorius“ (1936), „Blitze aus heiterem Himmel“ (1936), „Caesar und Kleopatra“ (1938) und „Der trojanische Krieg findet nicht statt“ (1947). Im Kino war er auch die deutsche Stimme von Charles Laughton, Spencer Tracy und Humphrey Bogart.
Hasse setzte die Tradition eines Heinrich George oder Emil Jannings fort und wurde Mitte der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts als einziger seiner Generation zum Topstar des deutschen Nachkriegsfilms.
Der hervorragende Rhetoriker, dessen modulationsfähige Stimme schneidend scharf und einschmeichelnd weich, lauernd gefährlich oder heiter komödiantisch sein konnte, war ein Virtuose der verbalen Differenzierung.
Zum Gesamtbild des Darstellers Hasse zählt sein Talent zur Komik und sein Komödiantentum. Im Film „Der Maulkorb“ ist er als preußischer Staatsanwalt die Inkarnation deutschen Untertanengeistes.
Zu seinem beruflichen und privaten Bekanntenkreis zählten Schauspieler wie Elisabeth Bergner, Käthe Dorsch und Ernst Schröder sowie die Autoren Friedrich Dürrenmatt und Rolf Hochhuth.
O. E. Hasse erhielt zahlreiche Ehrungen, so den Kunstpreis der Stadt Berlin (1951), den Berliner Senatspreis (1955), den Prix Fémina du Cinema (Brüssel 1958), Ordentliches Mitglied der Berliner Akademie der Künste (1961), Ernennung zum Staatsschauspieler (1964), Ernst-Reuter-Plakette (1973) und das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland (1974).
1976 erkrankte O. E. Hasse in Düsseldorf nach der Premiere des Theaterstücks „Sonny Boy“ schwer an einem Lungenemphysem. Die lange, schwere Krankheit hatte er bis zum Schluß mit Disziplin ertragen und diese Zeit genutzt, seine aufgeschobene Autobiographie zu beginnen, die er leider nicht mehr beenden konnte. Er starb am 12. September 1978 in Berlin, in der Stadt, die er so liebte.
Lit.: Otto Eduard Hasse: O. E. Unvollendete Memoiren, München 1979. – Hans Knudsen: O. E. Hasse (Bühne und Film), Berlin 1960.
Bild: Privatarchiv des Autors
Karl Bauer