Biographie

Hoffmann-Erbrecht, Lothar

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Musikwissenschaftler
* 2. März 1925 in Strehlen/Schlesien
† 10. Juni 2011 in Frankfurt/ Main

Lothar Hoffmann-Erbrecht ist der Sohn des Tierarztes Dr. Alfred Hoffmann und seiner Ehefrau Martha, geborene Erbrecht. Er erhielt früh Klavierunterricht und legte in seiner mittelschlesischen Geburtsstadt das Abitur 1943 ab. Er wurde zum Kriegsdienst verpflichtet und half dann etwa ein halbes Jahr als kanadischer Kriegsgefangener in Ostfriesland bei der Ernte. Er studierte zunächst an der Musikhochschule Weimar und anschließend hauptsächlich Musikwissenschaft bei Heinrich Besseler in Jena. Nach seiner Promotion im Jahre 1951 war er Oberassistent an der Jenaer Universität und ging dann in ähnlicher Eigenschaft an die Universität Frankfurt am Main, habilitierte sich dort 1961 und blieb als Professor an der Frankfurter Universität bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1990, lehrte aber weiter bis 1994. Daneben vertrat er die Musikgeschichte an der Technischen Universität in Darmstadt bis 2005 und wirkte etliche Jahre zusätzlich an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Er betreute zahlreiche Promovenden, aus denen auch später Professoren hervorgingen. Seine Tochter Gundula, verheiratete Anders, ist als Konzertsängerin tätig.

In der Forschung hat Hoffmann-Erbrecht als einer der Spezialisten für die Musikgeschichte ab der Renaissance (u. a. Stoltzer und Finck) bis zur Epoche des Barocks erfolgreich gewirkt. Auch veröffentlichte er Untersuchungen zu Leben und Werk russischer Komponisten des 19. Jahrhunderts. Zusätzlich besaß Hoffmann-Erbrecht Interesse und Gespür für die Erhellung regionaler Musikgeschichte entsprechend seinen jeweiligen Aufenthaltsorten: zunächst von Thüringen, dann des Frankfurter Main-Rhein-Raumes. Außerdem legte er viele Publikationen zur Musikgeschichte Schlesiens, dem Herkunftsland seiner Vorfahren, vor. Er schloß sich 1964 aktiv dem Arbeitskreis für schlesische Musik an und gab u. a. im Jahre 2001 das wichtige Schlesische Musiklexikon im Auftrag des Instituts für deutsche Musik im Osten e.V. in Bergisch Gladbach heraus, das mit dem Arbeitskreis für schlesische Musik als Träger seine Arbeit begann. Dieses Bergisch-Gladbacher Institut ist 1998 durch das neu begründete Institut für deutsche Musik im östlichen Europa e.V. in Bonn ersetzt worden; aber auch dieses existiert jetzt in dieser Form nicht mehr. Im Schlesischen Musiklexikon hat Hoffmann-Erbrecht die meisten Stadtartikel und die Beiträge über musikgeschichtliche Epochen selbst verfaßt.

Hoffmann-Erbrecht hat zahlreiche ältere deutsche Musikwerke herausgebracht (siehe Rubrik Ausgaben). Er betreute die Musikalienreihen: Mitteldeutsches Musikarchiv, Organum, Silesia cantat. Anzuführen ist auch seine musikwissenschaftliche Reihe: Neue musikgeschichtliche Forschungen, Wiesbaden ab 1968. Er war Vorstandsmitglied des Arbeitskreises für schlesische Musik sowie des Instituts für deutsche Musik im Osten und etliche Jahre der Arbeitsgemeinschaft für mittelrheinische Musikgeschichte. Auf Grund seines starken Einsatzes für die Erforschung und Darstellung der Musik deutscher Komponisten in Ostmitteleuropa wurde ihm 1997 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Gesundheitliche Probleme führten dazu, daß er sich zuletzt von der Öffentlichkeit mehr und mehr zurückzog.

Werke:
1. Selbständige Schriften: Deutsche und italienische Klaviermusik zur Barockzeit (Diss.) (Jenaer Beiträge zur Musikforschung 1), Leipzig-Wiesbaden 1954. – Thomas Stoltzer. Leben und Schaffen (Die Musik im alten und neuen Europa, hrsg. von Walter Wiora 5), Kassel 1964. – Die Sinfonie, Köln 1967, 2. Aufl. 1969, englische Übersetzung 1969 (Das Musikwerk 29). – Henricus Finck – musicus excellentissimus (1445-1527), Köln 1982. – Musikgeschichte Schlesiens (Die Musik der Deutschen im Osten Mitteleuropas 1), Dülmen 1986 – (Hrsg.), Schlesisches Musiklexikon, Augsburg 2001.

2. Aufsätze (zusammenfassende Auswahl): Ein ausführliches Verzeichnis bis 1987 siehe Festschrift, ferner Lexika in der Rubrik Literatur. – Er schrieb Beiträge für folgende Kongressberichte: Bamberg 1953. – Hamburg 1956. – Köln 1958. – Kassel 1962. – Bonn 1970. – III. Internationales Bach-Fest der DDR 1975. – Internationale wissenschaftliche Konferenz anläßlich des 8. Telemann-Festtags der DDR 1984. – Rastatt 1988. – Zahlreiche Aufsätze in den folgenden Fest- und Gedenkschriften: Heinrich Besseler 1961. – Helmuth Osthoff zum 65. Geburtstag 1961, diese Festschrift gab er auch heraus. – Erich Schenk 1962. – Walter Wiora 1967. – Helmuth Osthoff zu seinem siebzigsten Geburtstag 1969. – Wolfgang Schmieder 1972. – Leo Schrade 1973. – Helmuth Osthoff zum 80. Geburtstag 1979. – Heinrich Hüschen 1980. – Hermann Beck 1982. – Alfred Dürr 1983. – Helmut Rahn 1987. – Hellmut Federhofer zum 75. Geburtstag 1988. – Franz Krautwurst 1989. – Martin Just 1991. – Werner Braun 1993. – Zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften und Jahrbüchern: Acta musicologica 1955, 1956. – Archiv für Musikwissenschaft 1953, 1957, 1959. – Augsburger Jahrbuch für Musikwissenschaft 1987, 1989, 1990. – Concerto 1984, 1985. – Deutsches Jahrbuch für Musikwissenschaft 1971. – Jahrbuch der schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 1985, 1988. – Jahrbuch für schlesische Kirchengeschichte 1988, 1997. – Musica (Kassel) 1960. – Musik des Ostens 1962, 1971. – Musik und Medizin 1979-1982. – Die Musikforschung 1952, 1957, 1970, 1971, 1974, 1983. – Neues musikwissenschaftliches Jahrbuch 1993. – Schlesien 1979-1982, 1985, 1986, 1994, 1995. – Hoffmann-Erbrecht veröffentlichte weitere Beiträge in einigen Sammelpublikationen und war Mitarbeiter von folgenden Lexika und Enzyklopädien: Die Musik in Geschichte und Gegenwart ab Bd. 5 1956; 2. Aufl. Personenteil ab Bd. 8 2002. – Lexikon für Theologie und Kirche ab 1959. – Neue Deutsche Biographie ab Bd. 5 1961. – Brockhaus Enzyklopädie ab 1966. – Dictionaire de le Musique 1970. – Das große Lexikon der Musik ab Bd. 1 1976. – The New Grove Dicitionary of Music and Musicians, London 1980, 2. Aufl. 2001. – Dizionario Enciclopedico universale della Musica e dei Musicisti ab 1982. – Schlesisches Musiklexikon 2001. – Ferner die Artikel Esaias Reusner der Jüngere und Silvius Leopold Weiß, in: Josef Joachim Menzel/Ludwig Petry (Hrsg.), Schlesier des 15. bis 20. Jahrhunderts (Schlesische Lebensbilder 6), Sigmaringen 1990.

3. Ausgaben (in Auswahl): Heinrich Finck, Ausgewählte Werke, in: Das Erbe deutscher Musik 1 als Bd. 57, Frankfurt 1961; 2 als Bd. 70, ebd. 1981. – Thomas Stoltzer, Ausgewählte Werke, in: Das Erbe deutscher Musik 2 als Bd. 66, ebd. 1969; 3 als Bd. 99, ebd. 1983. Er edierte ferner u. a. Ludwig van Beethoven, Sonaten für Klavier zu zwei Händen, Urtext, hrsg. zusammen mit Claudio Arrau, Frankfurt 1973.

Lit.: In Lexika seit Riemann Musiklexikon 1959. – Zuletzt in: The New Grovel Dictionary of Music and Musicians 2001. – Schlesisches Musiklexikon 2001. Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. Aufl. Personenteil 9 2003. In diesen drei Musiklexika sind weitere ausführliche Werkverzeichnisse von Hoffmann-Erbrecht zu finden. – In Publikationen: Maria und Gotthard Speer, 20 Jahre Arbeitskreis für Schlesisches Lied und Schlesische Musik, Dülmen (Westf.) 1975. – Anke Bingmann/Klaus Hortschansky/Winfried Kirsch (Hrsg.), Studien zur Instrumentalmusik. Lothar Hoffmann-Erbrecht zum 60. Geburtstag (Frankfurter Beiträge zur Musikwssenschaft 20), Tutzing 1988, Werkverzeichnis bis 1987 ebd. S. 525-534.

Hubert Unverricht