Biographie

Hohenzollern-Hechingen, Joseph von

Herkunft: Ostpreußen, Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Fürstbischof von Ermland
* 20. Mai 1776 in Troppau
† 26. September 1836 in Oliva

Der letzte Fürstbischof von Ermland war ein typischer Vertreter der alten Reichskirche am Übergang zu einer neuen Zeit. Geboren wurde er 1776 in Troppau/Österreichisch-Schlesien, wo sein Vater, Friedrich Anton Reichsgraf von Hohenzollern-Hechingen, als General stationiert war. Wie dieser schlug er zunächst die militärische Laufbahn ein, absolvierte die Militärakademie in Wien und anschließend die Karlsschule in Stuttgart. Im Alter von 14 Jahren folgte der älteste Spross dieser katho­lischen Linie des Hauses Hohenzollern jedoch dem Vorbild seines Onkels Karl von Hohenzollern-Hechingen (OGT 1982), eines hohen kirchlichen Würdenträgers – Kommen­da­tar­­abt der Zisterzienserklöster Pelplin und Oliva, 1785 Bischof von Kulm, 1795 Fürstbischof von Ermland –, der den Lebensweg des Neffen in die geistliche Richtung lenkte.

Seit 1790 Inhaber einer Präbende des Domkapitels von Breslau, nahm Joseph ein Jahr später das Studium der Theologie am Akademischen Gymnasium Altschottland bei Danzig auf. Am 31.8.1800 weihte ihn sein Onkel in der Klosterkirche von Oliva zum Priester. Bald darauf wurde Joseph von Hohenzollern Mitglied des ermländischen Domstifts. Als der Onkel 1803 im Alter von 71 Jahren starb, wurde Joseph zum Abt von Oliva berufen. Anders als sein Vorgänger identifizierte sich Joseph von Hohenzollern mit diesem Amt. Er führte den Konvent durch die schwierige Phase der Säkularisation, behielt auch nach der Aufhebung der Abtei noch den Titel des Abts von Oliva auf Lebenszeit und wählte den westpreußischen Ort zu seiner Hauptresidenz. Auf Wunsch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. wurde Joseph von Hohenzollern im Juli 1808 zum Bischof von Ermland gewählt, konnte jedoch das Amt des Ordinarius infolge der napoleonischen Wirren erst zehn Jahre später antreten. Am 12. Juli 1818 empfing er im Dom zu Frauenburg die Bischofsweihe durch den ermländi-schen Weihbischof Andreas Stanislaus von Hatten. Allerdings hatte er schon 1809 die Verwaltung der Diözese als Kapitu-larvikar übernommen.

Joseph von Hohenzollern fiel die schwere Aufgabe zu, das Fürstbistum Ermland in einer Zeit des fundamentalen Umbruchs zu leiten. Bei der Ersten Teilung Polens 1772 war Ermland an das Königreich Preußen gefallen und fortan immer wieder den Übergriffen der protestantischen Staatsmacht ausgesetzt. Der Reichsdeputationshauptschluss markierte 1803 das Ende der Reichskirche mit all ihren – auch weltlichen – Herrschaftsrechten und Privilegien. In Preußen wurde die Säkularisation mit dem Edikt über die Einziehung sämmtlicher geistlichen Güter in der Monarchie 1810 vollzogen. Sie betraf auch das Hochstift Ermland, das heißt die finanzielle Basis von Bischof und Domkapitel. Wirtschaftlich lag das Ermland ohnehin am Boden, verheert durch die napoleonischen Kriege. Im geistlichen Leben des Bistums hatte die Aufklärung Spuren hinterlassen.

Der Bischof aus dem Haus Hohenzollern erwies sich jedoch als Glücksfall für die ostpreußische Diözese. Inspiriert von den Re­formtheologen um Johann Michael Sailer und aus dem Mün­steraner Kreis, bemühte er sich um die geistige Erneuerung von Klerus und Diözesanen, die Hebung der lange vernachlässigten Seelsorge, die Verbesserung der Volksbildung und die Förderung der Volksfrömmigkeit. Zugleich stand er im Dauerkonflikt mit dem Oberpräsidenten Theodor von Schön (OGT 1973), der im Geist des Absolutismus und Protestantismus das landesherrliche ius circa sacra gegen die bischöfliche Jurisdiktionsgewalt auszuspielen suchte. Der ermländische Ordi­narius fühlte sich persönlich von Gott in die Pflicht genommen und für den ihm anvertrauten Sprengel verantwortlich. Er wollte ein frommer, vorbildlicher Oberhirte sein. Auch litt er unter den ständigen Auseinandersetzungen mit den preußischen Staatsbehörden, wie aus seinen Tagebüchern und seiner umfangreichen Korrespondenz hervorgeht.

1821 berief ihn Papst Pius VII. zum Exekutor der Zirkumskriptionsbulle De salute animarum, die die preußischen Diözesen neu ordnete. Joseph von Hohenzollern konzentrierte sein Wirken in dieser Funktion auf die altpreußischen Bistümer, während er die Aufgabe für die rheinischen Diözesen subdelegierte. Als er 1822 in das Erzbistum Köln transferiert werden sollte, lehnte er ab. Seine Verdienste um die Reorganisation der katholischen Kirche in Preußen wurden durch diverse Auszeichnungen, darunter der Rote Adlerorden (1814) und die Ehrendoktorwürde der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn (1835), gewürdigt. Auch bei seinen Diözesanen, „die … mit ihren Lippen ihn ‚Fürst‘, mit den Herzen aber ihn ‚Vater‘ nannten“ (Hipler, Monumenta literaria Warmiensia, S. XXXIX f.), war er hoch geschätzt. Der Fürstbischof starb infolge einer Lungenentzündung am 26. September 1836 in Oliva und wurde in der dortigen Klosterkirche beigesetzt.

Obwohl noch ein Kind des Ancien Régime, erkannte Joseph von Hohenzollern die Zeichen der Zeit und ergriff die Initiative zu Reformen. So wurde er zu einer herausragenden Gestalt der Restauration der katholischen Kirche in Deutschland am Beginn des 19. Jahrhunderts.

Werke: Monumenta literaria Warmiensia. Briefe, Tagebücher und Regesten des Fürstbischofs von Ermland Joseph von Hohenzollern (1776-1836), hrsg. v. Franz Hipler, Braunsberg 1883.

Lit.: Anton Eichhorn, Geschichte der ermländischen Bischofswahlen, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 1-4, 1858-1869, hier 4, 1869, S. 595-636. – Ders., Die Ausführung der Bulle „De salute animarum“ in den einzelnen Diöcesen des Preußischen Staates durch den Fürstbischof von Ermland, Prinz Joseph von Hohenzollern, in: ebd. 5, 1870-1874, S. 1-130. – Philipp Funk, Beiträge zur Biographie Josephs von Hohenzollern-Hechingen Fürstbischofs von Ermland (1808-1836), Braunsberg 1927. – Hans Preuschoff, Ho­henzollern auf dem ermländischen Bischofsthron, in: Ermlän­discher Hauskalender 88, 1955, S. 27-51. – Otto Miller, Des Ermlands Erneuerer vor hundert Jahren, in: Unser Ermlandbuch 1966, S. 34-46. – Heinrich Reusch, Art. H., J., in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. XII, Leipzig 1880, S. 702 f. – Adolf Poschmann, Art. von H.-H., J.W.F., Prinz in: Altpreußische Biographie, Bd. I, Königsberg/Pr. 1941, Nachdr. Marburg/Lahn 1974, S. 282 f. – Brigitte Poschmann, Art. J. Prinz v. H., in: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945. Ein biographisches Lexikon, Berlin 1983, S. 326-329. – Barbara Wolf-Dahm, Art. J. W. F. Prinz v. H.-H., in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. III, Herzberg 1992, Sp. 679-683 (mit Bibliographie).

Bild: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder, a.a.O., S. 327.

Barbara Wolf-Dahm