Friedrich Hoßbach kam als Sohn von Professor Heinrich Hoßbach und seiner Ehefrau Anna, geborener Pauls, zur Welt. Mit neun Jahren trat er in die Kadettenanstalt Oranienstein ein, kam dann nach Groß-Lichterfelde bei Berlin und schließlich zur Prinzenschule Klein Glienicke und war dort Mitschüler des Prinzen Leopold von Preußen. Am Ersten Weltkrieg nahm er zuletzt als Oberleutnant teil und gelangte nach einer Dienstzeit in einem Freikorps 1921 zum Infanterieregiment 17 der Reichswehr. Danach erhielt er 1927 als Hauptmann eine „Führergehilfenausbildung“ (Tarnbegriff zur Umgehung der im Versailler Vertrag verbotenen Generalstabsausbildung).
Nach verschiedenen anderen Kommandierungen war Hoßbach zwischen 1934 und 1938, zunächst als Oberstleutnant, dann als Oberst i. G., Wehrmachtsadjutant bei Hitler. In dieser Funktion verfaßte er am 10. November 1937 nachträglich die Niederschrift zu einer Besprechung vom 5. November 1937, an der unter Vorsitz von Reichskanzler Hitler der Reichskriegsminister von Blomberg,die Oberbefehlshaber des Heeres, Werner von Fritsch, der Kriegsmarine, Dr. h. c. Erich Raeder, und der Luftwaffe, Hermann Göring, sowie der Reichsaußenminister von Neurath teilnahmen. Diese Nachschrift ist später irrtümlicherweise als „Hoßbachprotokoll“ in die Geschichte eingegangen. Zunächst einmal ging es bei dieser Sitzung um Meinungsverschiedenheiten betreffs der Zuweisung von Rohstoffen für die Rüstung der einzelnen Wehrmachtsteile, wobei Göring als „Beauftragter des Vierjahresplanes“ eine Schlüsselstellung einnahm. Hitler nahm die Sitzung zum Anlaß – und damit gewann sie eine herausragende Bedeutung -, seine außenpolitischen Ansichten anhand von Notizen ruhig und leidenschaftslos zu entwickeln. Dabei erwähnte er, daß er in absehbarer Zeit, spätestens 1943-45, die Raumfrage im Zuge einer Risikopolitik mit Gewalt lösen wolle. Bereits 1938 könne ein Vorgehen gegen Österreich und die Tschechoslowakei in Frage kommen. Es ergab sich eine heftige Diskussion zwischen Fritsch und Blomberg einerseits und Göring andererseits, an der sich Hitler vorwiegend als aufmerksamer Zuhörer beteiligte. Hitler hat die Niederschrift nie abgezeichnet. Ein Offizier schrieb das Original im Winter 1943/44 in Liegnitz, wo es sich unter ausgelagerten Wehrmachtsakten fand, ab und gab es Verwandten zu treuen Händen, die es dann aber einer der Besatzungsmächte aushändigten. So gelangte die Niederschrift in das Anklagematerial des Internationalen Militärgerichtshofes in Nürnberg.
Den Ostdeutschen ist Hoßbach, ein strategisch hervorragend begabter General, aus einem ganz anderen Grunde bekannt. Hitler persönlich beauftragte ihn am 19. Juli 1944 mit der Führung der 4. Armee in Ostpreußen. Mit ihr konnte er den ersten Einbruch der Sowjets in die Provinz im Oktober weitgehend bereinigen und Goldap zurückerobern.
Zu Beginn der russischen Großoffensive im Januar 1945 lag die 4. Armee mit 461699 Mann zwischen Bug und Gumbinnen. Durch Rücknahme der Front ging das Vorbereitungsfeuer der teilweise zehnfach überlegenen Roten Armee am 12. Januar weitgehend ins Leere. Durch aufgespeicherte Munition konnte Hoßbach die gegnerischen Angriffsspitzen zerzausen, die eigene Truppe weitgehend intakt halten und mit Genehmigung des Oberbefehlshabers der Heeresgruppe, seines ehemaligen Kriegschullehrers Generaloberst Reinhardt, den Entschluß fassen, etwa drei Divisionen aus der Front zu lösen, nach Westen durchzubrechen und den vor undin Preußisch Holland, Elbing und Marienburg liegenden sowjetischen Stoßkeilen in die Flanke zu fallen und damit Millionen ostpreußischer Flüchtlinge den Weg zum Meer und nach Westen freizuhalten. Der Plan war löblich, der Erfolg beachtlich, aber nur etwa drei Bataillone, davon zwei der 28. Schlesischen Jägerdivision, schafften den Durchbruch. Dennoch, einigen 1000 Ost- und Westpreußen wurde das Joch der roten Soldateska für eine Weile genommen. Hitler setzte seinen ehemaligen Adjutanten am 28. Januar 1945 ab. Hoßbachs letztes militärisches Verdienst ist die Umleitung zurückflutender deutscher Truppen um Göttingen, um es so vor einer Beschießung zu bewahren. Vielen Ostdeutschen wird er unvergessen bleiben.
Quellen: Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg i.Br., Akten zur 4. Armee, Januar 1945. – Sigrid Hasche-Klünder, geb. Hoßbach, Militärischer Werdegang, Brief 20.12.1992.
Werke: Friedrich Hoßbach: Von der militärischen Verantwortlichkeit, Göttingen 1948. – Ders.: Infanterie im Ostfeldzug 1941/42, Osterode/Harz 1951. – Ders.: Zwischen Wehrmacht und Hitler 1934-1938, 2. Aufl. Göttingen 1965. – Ders.: Die Entwicklung des Oberbefehls über das Heer in Brandenburg, Preußen und im Deutschen Reich von 1655-1945, Würzburg 1957. – Ders.: Schlacht um Ostpreußen, Überlingen/Bodensee 1951. – Ders.: Einflüsse Immanuel Kants auf das Denken Preußisch-Deutscher Offiziere. In: Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Preußen Bd. I, 1954.
Lit.: Hermann Gackenholz: Reichskanzlei, 5. November 1937. In: Forschungen zu Staat und Verfassung, Festschrift für F. Härtung 1958. – Kurt Dieckert und Horst Großmann: der Kampf um Ostpreußen, 3. verbesserte Auflage München 1965. – Horst Gerlach: Ein gescheiterter Ausbruchsversuch. Der Kampf der 4. Armee um Ostpreußen 1945. In: Die Rheinpfalz, Ludwigshafen, 30. Januar 1985. – Bradley F. Smith: Die Überlieferung der Hoßbach-Niederschrift im Lichte neuer Quellen. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 38 (1990), S. 329-336 (mit weiterer Literatur).
Bild: Hoßbach im Herbst 1944.