Biographie

Hupka, Herbert

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Journalist, Publizist, Politiker
* 15. August 1915 in Diyatalawa/Ceylon
† 24. August 2006 in Bonn

Herbert Hupkas Geburt 1915 auf der Insel Ceylon war so ungewöhnlich wie sein Tod 2006 in Bonn. Dass er weit weg von seiner schlesischen Heimat am 15. August 1915 geboren wurde, lag daran, dass seine Eltern, Erich und Therese Hupka, 1914 mit dem Schiff unterwegs waren vom Deutschen Kaiserreich nach Tsingtau in China, wo der Vater eine Professur für Physik angenommen hatte. Unterwegs wurden sie, die im Sommer 1914 im oberschlesischen Ratibor geheiratet hatten, vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht und von den Engländern, den Kriegsgegnern der Deutschen, gefangen genommen und in ein Internierungslager nach Ceylon, das seit 1802 britisches Kolonialgebiet war, verbracht. Später kamen sie in ein Internierungslager nach Australien, auf der Rückreise nach Deutschland starb der Vater an Lungenpest. Und auch Herbert Hupkas Tod am 24. August 2006 in der Bonner Lessingstraße 26 war ungewöhnlich: Er starb nach einem Sturz im Treppenhaus, neun Tage nach seinem 91. Geburtstag.

Herbert Hupkas Mutter, eine geborene Therese Rosenthal, deren Eltern vom Judentum zum Protestantismus konvertiert waren, kehrte als junge Witwe im Juli 1919 über Rotterdam mit ihrem Sohn Herbert nach Ratibor zurück, der von Ostern 1921 an die katholische Volksschule besuchte. Den Sohn katholisch zu erziehen, das war das Versprechen, das Erich Hupka noch auf dem Totenbett seiner Frau Therese abgenommen hatte. Dass Herbert Hupka unter diesen Umständen ein Verehrer des katholischen Dichters Joseph von Eichendorff (1788-1857) aus dem oberschlesischen Lubowitz werden würde, verstand sich von selbst, zumal vor dem Landratsamt in Ratibor ein Denkmal des Dichters der Mondnacht stand und Schloss Lubowitz nur neun Kilometer oderabwärts lag.

Nach der „Machtergreifung“ am 30. Januar 1933 wurde Herbert Hupka, der nach NS-Begriffen als „Halbjude“ galt, wegen seiner jüdischen Mutter, die elf Jahre später ins Konzentrationslager Theresienstadt in Böhmen verschleppt werden sollte, angefeindet, durfte aber am Evangelischen Humanistischen Gymnasium, wo er Latein und Altgriechisch lernte, 1934 noch das Abitur ablegen. Danach studierte er, wie Joseph von Eichendorff, an der preußischen Universität Halle und später in Leipzig, wo sein vom Niederrhein stammender Doktorvater Theodor Frings (1886-1968) Altgermanistik lehrte, Germanistik, Kunstgeschichte und Geografie, auch der Philosoph Hans-Georg Gadamer (1900-2002) war einer seiner akademischen Lehrer. Während er das Staatsexamen zur Lehrbefähigung an Höheren Schulen noch ablegen konnte, wurde ihm als „Halbjuden“ das Rigorosum zunächst verweigert, er konnte aber am 25. und 27. Mai 1940, während des Krieges, die Doktorprüfung nachholen.

Am 29. August 1939 war er zur „Wehrmacht“ eingezogen worden und diente als Besatzungssoldat in Frankreich, Rumänien, Bulgarien und Griechenland. Hier in Südosteuropa wurde er mit Malaria infiziert und in ein Lazarett nach Freiberg in Sachsen verlegt. Kaum genesen, wurde er verhaftet und 1943 vor ein Kriegsgericht gestellt, weil er bei der Beförderung zum Leutnant der Reserve verschwiegen hatte, durch seine Mutter „jüdischer Mischling ersten Grades“ zu sein. Deutschen „nichtarischer“ Abstammung nämlich war der Aufstieg ins Offizierskorps der „Wehrmacht“ versagt. Deshalb wurde er am 23. März 1943 zu einem Jahr Freiheitsentzug verurteilt und im Mai ins Militärgefängnis Torgau-Brückenkopf eingeliefert. Dort konnte er die Zeit nutzen und seine Dissertation Gratia und misericordia im Mittelhochdeutschen für die Veröffentlichung vorbereiten. Im Mai 1944 wurde er aus Torgau entlassen und im Sommer 1944 aus der „Wehrmacht“ ausgemustert. Er kehrte zurück in seine Heimatstadt Ratibor in Oberschlesien, von wo seine Mutter am 18. Januar 1944 als „Volljüdin“ ins Konzentrationslager Theresienstadt im „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ deportiert worden war.

Ein Vierteljahr nach Kriegsende, am 15. August 1945, gelang es Herbert Hupka, trotz der Nachkriegswirren, von Oberschlesien aus Theresienstadt in Böhmen zu erreichen, seine Mutter aus anderthalbjähriger Lagerhaft zu befreien und ins amerikanisch besetzte Bayern zu bringen. Über das im September 1945 im niederbayerischen Deggendorf errichtete Sammellager kamen Mutter und Sohn nach München, wo Therese Hupka ins Altersheim der Israelitischen Kultusgemeine aufgenommen wurde.

Als Herbert Hupka am 15. August 1945 Theresienstadt erreicht hatte, war er genau an diesem Tag 30 Jahre alt geworden und hatte bereits so viel an Leid und Verfolgung erfahren müssen, dass es für ein ganzes Leben gereicht hätte. Die Einzelheiten, die schließlich zu seinem Weg in die Politik und zu seinem unermüdlichen Einsatz für Schlesien geführt haben, kann man in der Festschrift zum 70. Geburtstag Für unser Schlesien (1985), besonders aber in seinen Lebenserinnerungen Unruhiges Gewissen (1994) nachlesen. Zunächst aber wurde er, was er schon beim Abitur als Berufswunsch genannt hatte, Journalist.

Am 16. November 1945 wurde er Redakteur bei „Radio München“, aus dem 1949 der „Bayerische Rundfunk“ hervorging. Nach zwölf Jahren, am 12. Juli 1957, wechselte er als Programmdirektor zu „Radio Bremen“, wo er bis 30. Juni 1959 blieb. Bei beiden Sendern standen Geschichte und Kultur Schle­siens immer im Mittelpunkt seines Angebots! Auf Anregung des CDU-Politikers Jakob Kaiser (1888-1961), des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen in Bonn, war am 14. Juni 1954, ein Jahr nach dem Arbeiteraufstand 1953 in Mitteldeutschland, in Bad Neuenahr/Rheinland-Pfalz das Kuratorium „Unteilbares Deutschland“ gegründet worden, das 1959 einen neuen Pressesprecher suchte. Auf diesem Weg kam Herbert Hupka in die seit 1949 bestehende Bundeshauptstadt Bonn, wo er bis zu seinem Tod 2006 blieb. Er war von 1968 bis 2000 Vorsitzender der „Landsmannschaft Schlesien“, von 1969 bis 1987 Mitglied des „Deutschen Bundestages“ und von 1982 bis 1999 Präsident der „Stiftung Ostdeutscher Kulturrat“ in Bonn.

Die Arbeitsleistung, die Herbert Hupka in mehreren Berufen erbrachte, war überwältigend, zumal er schon 54 Jahre alt war, als er als Abgeordneter in den Bundestag einzog. Bei der „Stiftung Ostdeutscher Kulturrat“ war er der erfolgreichste Präsident überhaupt, seine beiden Vorgänger, der Pommer Hans Joachim von Merkatz (1905-1982) und der Sudetendeutsche Dr. Götz Fehr (1918-1983) haben kaum Spuren hinterlassen. Ganz anders Herbert Hupka, der im Herbst 1982 auf der Jahrestagung in Lübeck zum Präsidenten gewählt worden war und der sofort unglaubliche Aktivitäten entfaltete. Innerhalb weniger Jahre verdoppelte er die Zahl der Mitarbeiter, was ohnehin schwierig war, weil die wenigen Fachleute, die sich im historischen Ostdeutschland noch auskannten, langsam wegstarben und der Nachwuchs dünn gesät war.

Unter Herbert Hupka, der Aufbruchsstimmung in die Stiftung brachte, erschien jedes Jahr ein Sonderheft der dreimal im Monat vorliegenden Kulturpolitischen Korrespondenz, so über den Widerstand in Ostdeutschland (1984), über Gerhart Hauptmann (1986) und über Ostdeutsche Autoren in Mitteldeutschland 1945-1995 (112 Seiten) unter dem Titel Verlorenes Leben, verdrängte Geschichte (1995). Auch die Anzahl der auf den Jahrestagungen zu vergebenden Kulturpreise wurde verdoppelt. Die herausragende Leistung aber, die bleiben wird, waren die zwölf Bände Vertreibungsgebiete und vertriebene Deutsche, die von 1992 bis 2005 im Münchner Langen-Müller-Verlag erschienen sind und sämtliche Gebiete abdeckten, wo einmal Deutsche gelebt hatten.

Merkwürdig war aber, dass Herbert Hupka innerhalb Deutschlands, besonders nach der Wiedervereinigung 1990, ständig angegriffen und als „Kalter Krieger“ oder „Revanchist“ beschimpft wurde. So veranstaltete die „Stiftung Ostdeutscher Kulturrat“ ihre Jahrestagung 1991 in Halle an der Saale, damit verbunden war die Ausstellung Große Deutsche aus dem Osten, zu deren Eröffnung Herbert Hupka Polizeischutz anfordern musste, weil linke Demonstranten mit Tätlichkeiten gedroht hatten. In Polen, wohin er anschließend fuhr, war das genau umgekehrt: Dort erfreute er sich nach dem Mauerfall 1989 wachsender Beliebtheit, polnische Journalisten waren glücklich über ein ihnen gewährtes Interview, in Warschau durfte er im Fernsehen auftreten, 1998 wurde er zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt Ratibor ernannt und kaufte sich dort eine Eigentumswohnung. Als im Spätsommer 2006 in Bonn die Trauerfeier für ihn stattfand, standen vor der Kirche drei Männer in oberschlesischer Bergmannstracht: Das hätte ihm gefallen!

Werke: Herausgeber, Große Deutsche aus Schlesien (1969). – Schlesisches Credo. Aufsätze und Dokumente aus zwei Jahrzehnten (1986). – Letzte Tage in Schlesien. Tagebücher, Erinnerungen und Dokumente der Vertreibung (1988). – Unruhiges Gewissen. Ein deutscher Lebenslauf (1994).

Bild: Landsmannschaft Schlesien.

Jörg Bernhard Bilke, 2017