Biographie

Jablonowski, Horst

Herkunft: Ostbrandenburg
Beruf: Historiker
* 31. Januar 1914 in Sonnenburg/Neumark
† 23. Januar 1970 in Bonn

Der Tod Jablonowskis nach schwerer Krankheit noch vor Vollendung des 56. Lebensjahres war nicht nur für die Familie, die Kollegen und die Schüler ein schwerer Verlust, sondern auch ein solcher an Sachkompetenz schlechthin, die er infolge seiner nüchternen Betrachtungsweise gerade bei Fragen der jüngsten ostdeutschen Geschichte in den aufgeregten späten 60er Jahren vertreten hat.

Geboren wurde er als Sohn eines Lehrers im neumärkischen Kreis Oststernberg. Jedoch stammte sein Vater aus dem ostpreußischen Kreis Neidenburg, seine Mutter aus Westpreußen. Sein Abitur bestand er 1932 am Reformrealgymnasium Berlin-Reinickendorf. An der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin studierte er dann allgemeine und osteuropäische Geschichte, Germanistik, Latein, Slavistik und Philosophie. Von seinen akademischen Lehrern haben ihn der Osteuropahistoriker Otto Hoetzsch, der allerdings bereits 1935 aus politischen Gründen aus seinem Amt entlassen wurde, und der Mediävist Ernst Perels, der später ein Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung geworden ist, besonders stark beeinflußt. Bereits 1937 wurde er mit einer Dissertation über die Außenpolitik des polnischen Königs Stephan Bathory (1576-1586) promoviert. Die politischen Verhältnisse hielten ihn davon ab, in den Archiv- oder einen anderen staatlichen Dienst zu gehen. Stattdessen nutzte er die Möglichkeit eines Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft, um an einem Werk über die Grenzen Polens mitzuarbeiten. Sein Anteil waren die polnisch-russischen Grenzen vom 11.-18. Jahrhundert. Archivstudienreisen führten ihn 1938 nach Warschau und Wilna. Krieg und kurze Kriegsgefangenschaft unterbrachen diese Arbeiten.

Hoetzsch, der seinen Berliner Lehrstuhl 1945 wiedererhalten hatte, holte kurz vor seinem Tode Jablonowski als Assistenten an die nunmehrige Humboldt-Universität, wo er unter großen Schwierigkeiten die historische Abteilung des Slavistischen Seminars aufzubauen begann. Nachdem er 1949 aus politischen Gründen seine Tätigkeit aufgegeben hatte, veranlaßte ihn der bekannte Slavist Max Vasmer, an die Freie Universität nach Berlin-Dahlem zu kommen, wo er erneut die historische Abteilung des Slavischen Seminars – im heutigen Osteuropa-Institut – aufbaute. Im Anschluß an seine Vorkriegsstudien verfaßte er eine Habilitationsschrift über Westrußland zwischen Wilna und Moskau, in der er "die politische Stellung und die politischen Tendenzen der russischen Bevölkerung des Großfürstentums Litauen im 15. Jahrhundert" untersuchte, 1954 erhielt er die Lehrbefugnis. Hinter ihm lag eine Tätigkeit, durch die er unter schweren Bedingungen an den beiden Berliner Universitäten reiche Erfahrungen gesammelt hatte. Nach sechs Dozentenjahren in Berlin folgte er 1960 einem Ruf auf den neugeschaffenen Lehrstuhl für osteuropäische Geschichte in Bonn, wo er wiederum die Lehr- und Forschungsbedingungen neu einzurichten hatte.

Thematisch waren Jablonowskis Forschungsinteressen breit angelegt, dementsprechend war er in der Wissenschaft viel gefragt. Schon in der Vorkriegszeit war er als Rezensent – vorwiegend von fremdsprachigen Werken – und als Mitherausgeber der Jahrbücher für Geschichte Osteuropas tätig. Seine Forschungen galten sowohl der Geschichte Rußlands als auch Polens. Daneben hat er jedoch, wie eingangs angedeutet, Arbeiten zu den deutsch-polnischen Beziehungen gefördert und selbst verfaßt. Zu nennen sind seine Mitarbeit in der Senatskommission der Universität Bonn zur Erforschung des Deutschtums im Osten, deren Schriftenreihe mit einem Büchlein eines Freundes seiner Berliner Vorkriegszeit, Kurt Forstreuter, über Deutschland und Litauen im Mittelalter 1960 eröffnet wurde, weiter seine Mitgliedschaft und Vorstandsarbeit im Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrat (seit 1964/66) sowie seine Präsidentschaft und Herausgebertätigkeit bei der Copernicus-Vereinigung zur Pflege der Heimatkunde und Geschichte Westpreußens (seit 1967). Mit seinen Veröffentlichungen zur neueren ostdeutschen Geschichte nahm er auf gelassene Weise, jedoch mit klaren Worten Stellung zu Themen, die vor allem in der Publizistik jener Jahre, aber auch bei Fachkollegen in Deutschland und Polen strittig beurteilt wurden und es teilweise bis heute werden. Das gilt sowohl für Die erste Teilung Polens (1969) als auch für die nachgelassene, nicht ganz vollendete Arbeit Westpreußen und der Versailler Vertrag (1971).

Jablonowski wirkte in seiner persönlich zurückhaltenden, wenig Worte machenden Art wie eine stille Gelehrtennatur. Das hinderte ihn jedoch nicht an öffentlichen Vorträgen und Schriften für ein breiteres Publikum. Anzuführen ist sein zuerst vom Göttinger Arbeitskreis herausgegebenes Büchlein Die preußische Polenpolitik von 1815 bis 1914 (1964). Auf diesem Felde suchte er durch eine intensive Rezensionstätigkeit auch die klare Auseinandersetzung, wobei es ihm vor allem darum ging, methodische Probleme zu erörtern. Er scheute dabei, wenn es sein mußte, nicht davor zurück, einem Buch die beanspruchte Wissenschaftlichkeit abzusprechen. Nach wie vor zu beachten sind seine VeröffentlichungenDie Danziger Frage (1966), Probleme der deutsch-polnischen Beziehungen zwischen den beiden Weltkriegen (1969), Die deutsche Ostgrenze von 1937 in historischer Sicht (1967) und der AufsatzWieviel Polen hat es vor dem Zweiten Weltkrieg in Ostpreußen gegeben? (1968), in dem er in aller Sachlichkeit ein Thema abhandelt, das die Meinungen in Polen vor und nach dem letzten Krieg immer wieder erhitzt hat.

Horst Jablonowski war kein Anhänger der inzwischen modern gewordenen Mentalitäts-forschung, sondern der sichere Interpret "harter Fakten" aus schriftlichen Quellen. Das ermöglichte es ihm, gut begründete Urteile abzugeben, die auch heute noch einer kritischen Prüfung standhalten, auch wenn inzwischen bedeutende Quellen neu zugänglich geworden sind. Daher war es ein glücklicher Gedanke, daß seine Witwe und sein Lehrstuhlnachfolger gerade die oben angeführten Arbeiten in einem Nachlaßaufsatzband aufgenommen haben. In das Bedauern, daß durch seinen allzu frühen Tod – der durch die teilweise handgreiflichen Unruhen an den deutschen Universitäten seit 1968, die ihn persönlich sehr getroffen haben, mitverursacht worden sein mag – sein wissenschaftliches Werk unvollendet geblieben ist, mischen sich Genugtuung und Dank dafür, daß wenigstens die hinterlassenen Arbeiten zu weiterem Nachdenken anregen können.

Werke:Die Außenpolitik Stephan Bathorys (1576-1586), phil. Diss., Teildruck in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 2 (1937), S. 11-80. – Westrußland zwischen Wilna und Moskau (Studien zur Geschichte Osteuropas 2). Leiden 1955,21961. – Rußland, Polen und Deutschland. Gesammelte Aufsätze hg. v. Irene Jablonowski u. Friedhelm Kaiser. Köln, Wien 1972 (mit Werkverzeichnis).

Lit.: Kurt Forstreuter: Horst Jablonowski31. Januar 1914 – 23. Januar 1970, in: Beiträge zur Geschichte Westpreußens 3 (1970), S. 4-8. – Walther Hubatsch: Horst Jablonowski †, in: Preußenland 8 (1970), S. 26-28. – Gotthold Rhode: Horst Jablonowski 1914-1970, in: H. J.: Rußland, Polen und Deutschland (wie oben), S. 441-453.

Bild: aus "Rußland, Polen und Deutschland" (s.o.).

 

Bernhart Jähnig