Biographie

Jordanus, Thomas

Herkunft: Siebenbürgen, Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Arzt
* 1. Januar 1540 in Klausenburg/ Fürstentum Siebenbürgen
† 12. Februar 1586 in Brünn/ Markgrafschaft Mähren

Thomas Jordan wurde als Sohn des Patriziers und Bergbauunternehmers Johann Jordan am 11. Juli 1540 geboren, der  1520 aus dem oberdeutschen Sprachgebiet nach Klausenburg (Kolozsvár, Cluj-Napoca, Rumänien) zuwanderte. Thomas Jordan besuchte das ev.-lutherische Gymnasium in seiner Geburtsstadt. Die Familie stand in engem freundschaftlichem Kontakt zum Reformator Klausenburgs Kaspar Helth (ung. Heltai Gáspár). Von 1555 bis 1566 studierte er an zahlreichen Universitäten (peregrinatio academica). So inskribierte er am 23. November 1555 in Wittenberg, wo er die freien Künste (artes liberales) studierte, danach ging er nach Paris (1560), wo er neben der Philosophie, Geschichte und Mathematik auch Medizin studierte. Er nannte später unter seinen Lehrern Adrien (de) Turnèbe, Jacques Charpentier sowie die Medizinprofessoren Luis Duret und Jacques Goupyl. Am 1. Oktober 1561 schrieb er sich in Montpellier in die medizinische Fakultät ein, wo er als ein Lieblingsschüler des Universitäts­kanzlers und herausragenden Arztes und Naturforschers Guilelmus Rondelet vermerkt ist. Jordan  wohnte bei seinem ebenfalls namhaften Professor Laurentius Joubert. Vermutlich wechselte Jordan infolge des Ausbruchs des ersten französischen Religionskrieges („Hugenottenkriege“) 1562 an die Universität von Valence in der Dauphiné, wo er sich zusammen mit seinem Augsburger Kommilitonen Leonhard Rauwolf, dem späteren bekannten Arzt und Botaniker, seinen medizinischen Doktortitel erwarb. Im selben Jahr schrieb er sich auch an der Universität zu Basel ein, jedoch setzte er bald seine Bildungsreise nach Italien fort und besuchte unterwegs den Zürcher Stadtarzt und namhaften Naturforscher Conrad Gessner, in dessen Gästebuch er sich am 1. Oktober 1562 eintrug und seinen Namen in lateinischer Form als „Thomas Jordanus medicus Transylvanus“ vermerkte. Am 23. Oktober 1562 immatrikulierte er sich an der Universität Padua. Danach besuchte er Pisa und im Februar 1564  Bologna, schließlich war Jordanus 1565 an der Universität von Rom. Am Ende seiner Bildungsreise ließ er an der Universität Wien 1566 seinen Doktortitel aus Valence wurde durch Wiederholung (17. Mai 1566) von der medizinischen Fakultät nostrifizieren. Anschließend praktizierte und dozierte ei in der Kaiserstadt. Zu seinen neuen Freunden gehörten in Wien die kaiserlichen Hofärzte Johannes Crato von Krafftheim, Giulio Alessandrini, Francesco Partini und Nicolaus Biesius. Auf Empfehlung des Dekans der Wiener Medizinischen Fakultät wurde er von Kaiser Maximilian II. zu einem der Generalärzte der kaiserlichen Truppen ernannt. Der Vormarsch der Osmanen unter Sultan Süleyman II auf Wien begann bereits im Frühjahr 1566, er wurde aber durch die Überschwemmungen der Flüsse Donau, Sau und Drau aufgehalten. Das etwa 60 000 Mann starke kaiserliche Heer sammelte sich im Lager von Komorn (Komárom, Komárno) an der Donau. Hier brach eine neue Seuche aus, die damals als Lues pannonica oder Morbus hungaricus bezeichnet wurde und die sich bald nach Österreich, Böhmen, Deutschland, Burgund, Belgien und Italien ausbreitete. Anfang August 1566 ging Jordanus ins Feld ab und beobach­tete die opferreiche Seuche im Lager von Komorn und Raab (Győr). Wie er feststellte, handelte es sich dabei um Flecktyphus. Wegen der Seuche blieb eine Schlacht aus.

Nach Wien zurückgekehrt übte er ärztliche Praxis aus und wirkte an der Medizinischen Fakultät. Seine Antrittsrede (Oratio) vom 6. Juni 1567 veröffentlichte er. Die Ablehnung der unliebsamen Position eines Magister sanitatis (Pestarzt) der Stadt Wien führte zu Konflikte mit der Fakultät und veranlasste ihn im Sommer 1569, nicht zuletzt der Einladung von Ján Blahoslav und des Freiherrn Ján von Zierotin (Žerotína), führende Persönlichkeiten der ‚Böh­mischen Brüdern‘ folgend nach Brünn (Brno) zu übersiedeln. Nach einem Besuch bei seinem Gönner, dem kaiser­lichen Leibarzt Johannes Crato von Krafftheim am Hof Maximilians II in Prag und wurde er 1570 von den mährischen Ständen zum Primus medicus publicus Moraviae oder Protomedicus der Markgrafschaft Mähren gewählt. Im selben Jahr besuchte er den Kurort Karlsbad.  Er gab 1575 in Basel die von ihm erweiterte Historia Boiemica von Ján Dubravius heraus und veröffentlichte im selben Jahr in Frankfurt am Main eine wissenschaftliche Arbeit über die Heilbäder Mährens. Jordanus wurde als einer der ersten modernen Balneologen gefeiert.  Als Anerkennung seiner Verdienste wurde er 1575 in den mährischen Ritterstand mit dem Prädikat „von Klausenburg“ bzw. „z Klauznburgku2 erhoben. Ein Jahr später brach in Brunn eine Seuche aus, befiel etwa 180 Personen aus der Stadt und den Vororten, sowie viele Ortsfremde; sie ging von einer Badstube aus, wo die Besucher über skarifizierten Hautstellen geschröpft worden waren, wonach an diesen Stellen große Geschwüre entstanden. Jordanus stellte als Erster fest, dass es sich um eine extragenital übertragene Syphilis handelte, und die Epidemie erlosch, als die Badestube auf seine Anweisung hin wenige Monate später geschlossen wurde. Zu seinen Beschäftigungsschwerpunkten zählten die Seuchen­lehre (Epidemiologie) und die Botanik. 1577 veröffentlichte er eine Arbeit über den extragenitalen Übertragungsweg der Syphilis (Morbus Brunnogallicus). Als vielseitig interessier­ter Gelehrter führte er intensiven Briefwechsel mit namhaften Kollegen und Freunden wie: Johannes Crato von Krafftheim, Carolus Clusius, Joachim II. Camerarius, Conrad Gessner, Hubert Languet, Andreas Dudith etc. 1584 erlitt er eine Lähmung und starb am 16.02.1586, mutmaßlich infolge eines weiteren Apoplexes. Seine drei Söhne und zwei Töchter wurden vom zweiten Ehemann seiner Witwe, Achilles Cromerus, aufgezogen. Thomas Jordanus wurde in der Sankt-Johannes-Kirche (Minoritenkirche) zu Brünn bestattet. Nach der Rekatholisierung wurden die protestantischen Grabplatten aus der Kirche entfernt, vermutlich auch sein Grabdenkmal. Seine Nachkommen wirkten drei Jahrhunderte lang in Böhmen in gehobenen gesellschaftlichen Kreisen, bis das Geschlecht im 19. Jahrhundert erlosch.

Werke: Thomae Jordani oratio ante enarrationem libri Galeni: Quod animi mores sequantur temperamentum corporis, Wien 1567 – Io. Dvbravii Olomvzensis Episcopi Historia Boiemica á Cl.V. Thoma Jordano, Medico nouis Genealogiarum, Episcoporum, Regum, Ducum, Catalogis, necessariis quinetiam Annotationibus sic ornata & illustrata, vt nunc demunedita dicipossit, Basel 1575 (Neuauflage), 2. Auflage: Frankfurt am Main,1687. De aquis medicatis Moraviae Commentariolus. Frankfurt 1575, 2. Auflage 1586. – Thomae Iordani medici Pestis Phaenomena seu De iis, quae circa febrem pestilentem apparent, exercitatio. Ad Nob. Et Cl. V. D. Ioannem Cratonem A Craftheim Imp. Caes. Max. II. Avg. Tam Cons. Qvam Valet. Tvend.  Praes., [Das Buch beinhaltet auch: Bezoar lapidis descriptio ad Reverendiss. et Illustriss. Archiepiscopum Strigoniensem by Claudius Richardus. (Seiten 621-631), E scripto Gallico Rondeletii Praeservatio à peste (Seiten 632-637), Regimen pestis e Germanico script (Seiten 637-642) and Thomae Iordani medici Responsio ad Cl. V. D. Laurentii Iouberti medici Monspessulani Paradoxon VII, Decadis II.],Frankfurt am Main 1576. – Brunno Gallicus seu Luis novae in Moravia exortae descriptio, Frankfurt am Main 1577 – Thomae Iordani medici, Luis novae in Moravia exortae descriptio:  ad Mag. Et Clar. V. D.D. Iulium Alexandr. Trident. III. ex Ordine Imp.P.P. Aug.G.G. Archiatrum, Frankfurt am Main 1580 – Thomasse Jordana z Klauznburku doktora a lékaře zemského w Markhrabstwij Moravském. Knijha o wodách hogitedlných neb Teplicech Morawskych. Slawným Cztyřém Stawuom Markhrabstwij Moraw-ského pripsaná, Olmütz 1580 – Th. Iordani medici Brunnogallicus seu Luis novae in Moravia exortae description: ad MAG. ET CLAR. V.D.D. IV-lium Alexand. Trident. III. Ex ordine IMPPP. AVGGG. ARCHIATRVM. Editio II. Cum censura Cratoniana, Frankfurt am Main 1583 – Thomae Iordani a Clausoburgo Publici March. Moraviae Medici, De aqvis medicatis Moraviae Commentariolus. Cum Indice copiosissimo, Frankfurt am Main 1586 [Neuauflage Tübingen 1606 – Consilia medica in Laurentius Scholz:  Frankfurt 1598. – Commen­tariolus de aquis medicatis in genere, eine in der Universitätsbibliothek Olmütz vermutete, jedoch bislang nicht nachweisbare Handschrift.

Lit.: Paul Binder: Ein Buchdeckel erzählt. Karpaten Rundschau Nr. 44 vom 29. 10. 1976, S. 6. – Valeriu Bologa: Contributii la istoria medicinii in R. P. R., Bucureşti 1955, S. 134. – Costin Feneşan: Ein Sachse als mährischer Äskulap. Karpaten Rundschau Nr. 32 vom 6. 8. 1976, S. 6. – David Czvittinger: Specimen Hungariae literatae, virorum eruditione clarorum natione Hungarorum, Dalmatarum, Croatarum, Slavorum atque Transylvanorum vitas, scripta, elogia et censuras ordine alphabetico exhibens, Frankfurt-Leipzig, 1711, S. 186-188 – István Weszprémi: Magyarország és Erdély orvosainak rövid életrajza / Succincta medicorum Hungariae et Transilvaniae biographia, (Nachdruck von 1774) Band 1, (Budapest 1960), S. 148-153 – Vilmos Fraknói: Siebenbürger in Padua. Korrespondenzblatt des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde (1879), S. 74 – Gustav Gellner: Thomas Jordans epidemiographische Werke über Lues pannonia und Morbus brunnogallicus. Medizinische Zeitschrift (Hermannstadt) 12 (1938), S. 37-47. – Adolph Hirsch: Jordan, Thomas, Allgemeine Deutsche Biographie, 14. Band, Leipzig 1881, S. 520. – Constantin von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, X, Wien, 1863, S. 266-69; Alexander Rittmann: Thomas Jordanus primus publ. medicus Moraviae. (Eine biographische Skizze aus den Jahren 1540-1585.), Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 29 (1868), Juli 21, 239-240 – Alexander Rittmann: Culturgeschichtliche Abhandlungen über die Reformation der Heilkunst, Brünn, 1869, S. 16-74 – Arnold Huttmann: Die Studierenden aus Siebenbürgen und Ungarn an der Universität Basel in den Jahren 1460-1600. Az országos orvostörténeti könyvtár közleményei / Communicationes ex Bibliotheca Historiae Medicae Hungarica, 13 (1959), S. 5-20, nachgedruckt in Arnold Huttmann: Medizin im alten Siebenbürgen. Beiträge zur Geschichte der Medizin in Siebenbürgen, herausgegeben von Robert Offner, Sibiu-Hermannstadt, 2000, 147-158  – Arnold Huttmann: Grundzüge einer Medizingeschichte Siebenbürgens. Naturgeschichtliche Forschungen über Siebenbürgen I., Siebenbürgisches Archiv, Band 14, Köln-Wien 1979, S. 130-132. – Christian Wilhelm Kestner: Medicinisches Gelehrten-Lexicon, Jena 1740, S. 433. – Franz Martin Pelzel: Abbildungen böhmischer und mährischer Gelehrten und Künstler, nebst kurzen Nachrichten von ihren Leben und Werken, 3. Band, Prag, 1777, S. 20-24  – Franz Wolfgang Rieppel: Leonhard Rauwolf. Ein Beitrag zu seiner Biographie, Deutsche Medizinische Wochenschrift, 80. (1955), S. 653-655. – losif Spielmann, Arnold Huttmann: Blätter aus der Medizingeschichte der Siebenbürger Sachsen. Die (Grünenthal) Waage 7 (1968), S. 61-69 – Josef Trausch: Schriftsteller-Lexikon oder biographisch-literarische Denk-Blätter der Siebenbürger Deutschen, 2. Band, Kronstadt 1870, S. 237-238 – Béla Molnár: Kolozsvári Jordán Tamás, a 400 éves balneológus [Thomas Jordan of Klausenburg, balneologist since 400 years],Gyógyászat, 24-28 (1939), 373ff – László András Magyar, Béla Szentmártoni Szabó: Jordán Tamás (1539-1585), Magyar Művelődéstörténeti Lexikon: Középkor és kora újkor, Hsg. Péter Kőszeghi, Band 4, Budapest, 2005, S.489-490 – Robert Offner: Neue Daten zur Biographie des Arztes Thomas Jordanus (1540-1586), Epidemiologe, Balneologe und Protomedicus von Mähren, Sudhoffs Archiv, Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte / Journal for the History of Science and Medicine, 102, 1/2018, 89-112; Robert Offner, Peter Pauly: Briefe von Thomas Jordanus von Klausenburg an Carolus Clusius, Humanistica Lovaniensia, 67.2 (2018), 343-378.

Abb.: Thomas Jordanus, vergoldete Silbermedaille aus 1570 von Antonio Abondio

Robert Offner