Biographie

Joseph II.

Beruf: römisch-deutscher Kaiser
* 13. März 1741 in Wien
† 20. Februar 1790 in Wien

Wie bei keinem anderen Monarchen des Habsburgerreiches provozieren Persönlichkeit und Taten Josephs II. die Historiker bis zum heutigen Tage. Schlägt ihm von der einen Seite vorbehaltlose Zustimmung entgegen, so stößt er auf der anderen auf strikte Ablehnung, preisen ihn die einen als zukunftsweisenden, aufgeklärten Herrscher, mit dem die Moderne begonnen habe, so verurteilen ihn die anderen als eine Symbolfigur des habsburgischen Zentralismus, als einen Destruktionspolitiker, der den Niedergang der Donaumonarchie nicht aufgehalten sondern beschleunigt habe. Josephs II. Reformeifer, der gerne als „Revolution von oben“ gepriesen wird, letztlich aber kein neues Gesellschaftsmodell für sein marodes Reich entworfen hat und auch darum weitgehend gescheitert ist, dürfte in diesen Jahren faszinierender Umgestaltungsversuche im östlichen Machtbereich von aktuellem Interesse sein. Von Geburt an war der Lebensweg des ältesten Sohnes von Maria Theresia und Franz Stephan von Lothringen (als Franz I. deutscher Kaiser) vorbestimmt: Er sollte Oberhaupt der Dynastie Habsburg-Lothringen und ihres Reiches sowie Kaiser des Heiligen Römischen Reiches werden. Dieser Bestimmung war seine Erziehung zum Pflichtmenschen untergeordnet, für den das „öffentliche Wohl“ oberstes Gebot sein, der sich als oberster Diener seines Staates verstehen sollte. Seine Lehrer, allen voran der Freiherr Johann Christoph von Bartenstein, der 1753 einen „Erziehungsplan“ ausgearbeitet hatte, vermittelten ihm die Ideen der gemäßigten Aufklärung, des Naturrechts, des Merkantilismus und des Populationismus. Daraus entwickelte Joseph ein eigenes, recht eklektisches und theoretisch nicht ausgereiftes staatspolitisches Konzept, in dessen Mittelpunkt die Zentralisation, die Idee des habsburgischen Einheitsstaates stand, allerdings verwirklicht nach dem Motto: „Alles für das Volk, nichts durch das Volk“.

Bereits als Achtzehnjähriger nahm er an den Sitzungen des Staats- und des Kriegsrates teil, als 24jähriger wurde er römischer Kaiser, zugleich Mitregent Maria Theresias, jedoch erst als knapp Vierzigjähriger konnte er den Thron seiner Mutter besteigen und daran gehen, die umfassenden Pläne zur Erneuerung des Habsburgerreiches in die Tat umzusetzen. Anstelle der behutsamen Reformpolitik seiner Mutter, trat nun ein schroffer und kompromißloser, fast fanatischer Reformeifer.

Durch eine aktive Außenpolitik suchte Joseph II. die Machtstellung seines Reiches zu festigen und auszudehnen. Dieser imperiale Ehrgeiz Josephs II. setzte sich noch zu Lebzeiten seiner Mutter bei der ersten Teilung Polens (1772) durch, die den Habsburgern Galizien einbrachte; ihm ist auch der Erwerb der Bukowina (1775) zuzuschreiben. Sein Plan, das benachbarte Bayern gegen die österreichischen Niederlande einzutauschen, scheiterte an Friedrich dem Großen und der Türkenkrieg, den er 1787 zusammen mit Katharina II. von Rußland begann, brachte geringe Territorialgewinne, schwächte aber seine innenpolitischen Wirkungsmöglichkeiten erheblich und läutete das Ende seines Reformwerks ein. Der Aufstand in den österreichischen Niederlanden und vor allem der Ausbruch der Französischen Revolution ließen das josephinische Reformmodell als aussichtslos erscheinen.

Die Innenpolitik, die in weiten Teilen auf „präjosephinische“ Initiativen seiner Mutter aufbaute, war seiner absolutistischen Staatsidee untergeordnet, dem Wunsch, die als schmerzlich empfundene Zurückgebliebenheit seines Landes zu überwinden. Als Schlüssel seiner Reformbestrebungen sah Joseph II. die Eingliederung der katholischen Kirche in seinen Staat an, die seiner Meinung nach das notwendige Voranschreiten der Gesellschaft hemmte. Zugleich wurde die Unabhängigkeit der Kirche von Rom angestrebt. Das Toleranzpatent, das die freie Religionsausübung gewährleistete, das „Heranziehen fähiger Nichtkatholiken in den öffentlichen Dienst ermöglichte und auch den Juden gewisse Rechte einräumte, wurde 1781 erlassen. Unter den Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Bauern ragt die Aufhebung der Leibeigenschaft – zunächst in im böhmischen (1781), dann in den österreichischen und ungarischen Landesteilen (1785), heraus. Seine besondere Sorge galt den Beamten, die er aus Pfründenbesitzern zu Dienern des Staates umzuwandeln suchte, was langfristig auch gelungen ist, so daß der Verwaltungsapparat im 19. Jh. als „Hort des Josephinismus“ galt. Die Einführung des Deutschen als Amtssprache, gedacht als Bindeglied zwischen den einzelnen Teilen der Monarchie und utilitaristisch auf  die staatliche Einheit ausgerichtet, wurde als Germanisierungsversuch empfunden und trug, neben anderen Faktoren, zum nationalen Erwachen im Vielvölkerstaat bei. Die aufgehende Saat des Nationalismus barg den Sprengstoff, der zum Zerfall des Habsburgerreiches führen sollte. Am Ende seines Lebens mußte er seine Reformen widerrufen.

Während der Regierungszeit Josephs II. wurde im Sinne seiner „Peuplierungspolitik“ auch die deutsche Siedlung im Südosten fortgesetzt, sie erreichte unter ihm einen letzten Höhepunkt. Der sog. Schwabenzug (1782-1787) vollendete die Kolonisation des Banats und der Batschka; sie war erstmals nicht von konfessionellen Einschränkungen bestimmt, sondern sicherte, wie Joseph II. in einem Ansiedlungspatent versprach, „Teutschen Reichsmitgliedern, besonders aus dem Oberrheinischen Kreise … deren Tausende an Ackersleuthen und Professionisten benöthiget sind … eine gänzlich vollkommene Gewissens- und Religions-Freyheit“ zu. Die Aufhebung der Leibeigenschaft, die nun mögliche Freizügigkeit und das ungewöhnlich starke Anwachsen der Bevölkerung ermöglichten eine Binnenkolonisation, d.h. die Gründung zahlreicher deutscher Tochtersiedlungen im Banat, in Slawonien, Syrmien und in der Batschka. Zuwanderungen wurden auch in der Schwäbischen Türkei verzeichnet. Die neu erworbenen Provinzen Galizien und Bukowina zogen südwestdeutsche Bauern und Handwerker, aber auch Zipser Bergleute, deutsch-böhmische Glas- und Waldarbeiter, Beamte und Soldaten, Kaufleute und Ärzte an. Diese deutschen Siedler blieben bis zum Zweiten Weltkrieg geschlossen in diesen Gebieten, Teile davon bis zum heutigen Tage.

So wirkte vieles, was Joseph II. angestoßen hat, lange fort, seine Verwaltungsreform modernisierte den überkommenen Ständestaat und trug dazu bei, daß die Habsburgermonarchie bis 1918 überleben konnte. Seine „Tendenz der Machterweiterung zugleich nach Innen und nach Außen, militärisch und politisch, ohne Rücksicht auf Nationalität, entgegenstehende Berechtigungen oder das religiöse Bekenntniß, gab“ – urteilt Leopold von Ranke – „das erste Beispiel in dem neueren Europa“.

Lit: L.v. Ranke: Die deutschen Mächte und der Fürstenbund von 1780 bis 1790, 2 Bde., Leipzig 1871-1872; P. v. Mitrofanov: Joseph II. Seine politische und kulturelle Tätigkeit, 2. Bde., Wien-Leipzig 1910; F. Valjavec: Der Josephinismus. Zur geistigen Entwicklung Österreichs im 18. und 19. Jahrhundert, München 1945; F. Fejtö: Joseph II. Kaiser und Revolutionär, Stuttgart 1956; E. Winter: Der Josefinismus. Geschichte des österreichischen Reformkatholizismus 1740-1848, Berlin 1962; E. Bradler-Rottmann: Die Reformen Kaiser Josephs II., Göppingen 1973.