Biographie

Kaps, Johannes

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Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Publizist, Kirchenrechtler, Theologe
* 12. August 1906 in Breslau
† 24. November 1959 in München

Johannes Kaps kam als Sohn eines Volksschullehrers und späteren Konrektors zur Welt, hatte zehn Geschwister und bekam, weil seine Mutter starb und der Vater erneut heiratete, zwei Halbgeschwister. Wie alle Jungen der Familie ging er nach der Volksschulzeit auf das Königliche Katholische St.-Matthias-Gymnasium zu Breslau, eine fruchtbare Saatstätte für den schlesischen Priesternachwuchs, das er Ostern 1925, von der mündlichen Prüfung befreit, mit dem Zeugnis der Reife verließ. Anschließend wandte er sich nicht, wie zuerst geplant, dem Medizinstudium zu, sondern studierte Rechts- und Staatswissenschaften, zuerst zu Königsberg i. Pr., wo er einer Korporation des Cartell-Verbandes der (farbentragenden) katholischen deutschen Studentenverbindungen beitrat, und dann in Breslau. Zwischendurch erlernte er – aus heute nicht bekanntem Grunde – das Sattlerhandwerk und legte die Gesellenprüfung ab. Im Juni 1929 folgte das erste juristische Staatsexamen, dann kamen die in Schlesien verbrachte Referendarzeit, im Juni 1930 die Promotion zum Dr. iuris utriusque an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau. Aus einer sehr religiösen Familie stammend und selber stark der katholischen Kirche verbunden, schlug Kaps als Vierundzwanzigjähriger eine neue Laufbahn ein und begann 1930 mit dem Studium der Theologie, das er nicht, wie sonst bei den Breslauer Priesterstudenten üblich, weitgehend in Breslau absolvierte, sondern bis auf eine kurze Alumnatszeit an der Innsbrucker Universität, deren kath.-theol. Fakultät von Mitgliedern des Jesuitenordens geleitet wurde, für den er große Sympathien empfand. Am 27. Januar 1935 empfing Kaps in Breslau durch Erzbischof Adolf Kardinal Bertram die Priesterweihe. Von 1935 bis 1936 wirkte der junge Geistliche anderthalb Jahre, jeweils kurze Zeit, als Religionslehrer in Münsterberg und als Kaplan in Lauban, Fellhammer und Guhrau, und danach gehörte er zu den Teilnehmern des ersten Jahreskursus des im Jahre 1936 vom Kardinal in das Leben gerufenen „Instituts für kirchliche Verwaltung und Finanzwirtschaft“ in Breslau. Obwohl er nach dessen Beendigung und aufgrund des vorhergegangenen Jurastudiums, das naturgemäß bei Klerikern eine absolute Seltenheit darstellte, in hervorragender Weise für eine Beschäftigung in der Diözesanverwaltung geeignet war, führte sein Weg zuerst in die Seelsorge, und zwar im Oktober 1937 als Kaplan in Grottkau und im September 1938 als Kaplan nach Leuthen, Kreis Neumarkt, wo einst im Schlachtenjahr 1757 die Truppen Friedrichs d. Gr. den berühmten Sieg über die Österreicher errangen und dann den heutzutage nicht nur in der evangelischen sondern auch in der katholischen Kirche beliebten „Choral von Leuthen“ („Nun danket alle Gott …“) sangen.

Mit Wirkung vom 22. Oktober 1939, also bald nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, wurde der inzwischen zum Pfarr-Administrator Ernannte nach Breslau zurückgerufen, wo er eine der Domvikarsstellen erhielt, wenig später auch als Notar beim Erzbischöflichen Konsistorium und 1940 auch als Ordinariats-Assessor am Generalvikariat tätig wurde, aber als Domvikar nach nur halbjährigem Wirken ausschied. 1941 wurde Kaps zum Ordinariatsrat befördert. „In dieser Eigenschaft hatte er … mit Regierungsstellen und der Geheimen Staatspolizei wegen der vom Regime verfolgten und inhaftierten Priester zu verhandeln“, konnte Verhafteten zur Freiheit verhelfen oder ihnen das schwere Schicksal erleichtern, was ganz dem Wunsche Kardinal Bertrams entsprach und auch polnischen Priestern zugute kam. Er versuchte auch, Juden und „Mischlinge“ vor der Überführung in das KZ Theresienstadt zu schützen und für ausländische Arbeiter seitens der Geheimen Staatspolizei die Genehmigung zur Seelsorge in der Muttersprache zu erreichen. Hier ist manches wenig dokumentiert (Aktenverluste!). Bei der Belagerung der zur Festung erklärten Stadt Breslau gehörte Kaps zu den 40 katholischen Geistlichen, die gemäß Vereinbarung mit Gauleiter Karl Hanke in der Hauptstadt Schlesiens verbleiben durften und diente als Lazarettpfarrer.

Nach der Kapitulation Breslaus am 6. Mai 1945 bemühte sich Kaps, die Verbindung der desolaten Diözesanverwaltung mit den Geistlichen im Erzbistum wieder aufzunehmen, was nicht nur wegen der sehr schwierigen Verkehrsbedingungen nur mit viel Mühen versucht werden konnte. Im Auftrage seiner Behörde begab er sich auch zu dem vor der Front in das Schloß Johannesberg bei Jauernig ausgewichenen Kardinal Bertram, dem er über die Zerstörungen in Breslau und die Ereignisse unter der sowjetrussischen und polnischen Herrschaft Bericht erstattete. Da es erforderlich war, die anderen deutschen Bischöfe und den Vatikan über die Lage zu unterrichten, reiste er im Einklang mit Kapitelsvikar Ferdinand Piontek im August 1945 auf abenteuerliche Weise aus Breslau in den „Westen“ Deutschlands, wo er u. a. mit dem Kölner Erzbischof Joseph Frings sprach, dank dessen Hilfe er Unterlagen über die Hungersnot in Schlesien und über die Vertreibung der Deutschen sowie über die vom polnischen Kardinal Hlond getroffenen Maßnahmen dem Papst zugehen lassen konnte. Kaps fuhr dann selbst nach Rom und informierte Papst Pius XII., sicherlich als einer der ersten Überblick besitzenden Augenzeugen. Von 1945 bis 1951 arbeitete Kaps hauptamtlich als Beauftragter des amtsverdrängten Bischofs Maximilian Kaller von Ermland und des vom gleichen Schicksal getroffenen Prälaten Franz Hartz von Schneidemühl für die seelsorgerische Betreuung der katholischen Schlesier in Süddeutschland, bis er am 1. Januar 1952 die Leitung des auf Beschluß der Fuldaer Bischofskonferenz zu errichtenden Katholischen Kirchenbuchamtes und Archivs für Heimatvertriebene in München übernahm, das der Sammlung und Sicherung von z. B. für das Anfertigen von Personenstandsurkunden benötigter Materialien diente und vielen Ostdeutschen den Neustart im Westen erleichterte.

Sehr große Verdienste erwarb sich Kaps durch das Sammeln und Publizieren von Berichten über die deutsche Katastrophe im Osten. Das Aufzeichnen und Bekanntmachen von Einzelschicksalen (wie Plünderung, Vergewaltigung, Ermordung) beeindruckt meist mehr als allgemeines Behaupten. So erschienen, von ihm zusammengestellt, die Bücher „Vom Sterben schlesischer Priester“ (1950), „Die Tragödie Schlesiens 1945/46 in Dokumenten unter besonderer Berücksichtigung des Erzbistums Breslau“ (1952/53) und „Martyrium und Heldentum ostdeutscher Frauen“ (1954) – eine schlesische Trilogie, die zum Teil auch in das Englische, Französische, Italienische, Spanische und Portugiesische übersetzt wurde und dadurch dazu beitragen konnte, die Thematik aus dem nur ostdeutschen bzw. nur deutschen Bewußtsein über Ländergrenzen hinauszutragen und dort Verständnis für den besonders schwer getroffenen Bevölkerungsteil des Landes zu wecken, von dem der Zweite Weltkrieg ausgegangen war. Diese Versuche lagen ganz auf der Linie des damaligen Bundesvertriebenenministers Hans Lukaschek zur Internationalisierung des Vertriebenenproblems.

Für die Kontaktaufnahme der am Ende der Kampfhandlungen und danach aus Schlesien geflohenen bzw. verjagten Priester untereinander und mit ihren Angehörigen sehr nützlich war, daß Kaps Anschriftenlisten und 1951 das „Handbuch für das katholische Schlesien“ veröffentlichte. Bereits 1948 gab er – der Not der Zeit entsprechend auf erbärmlich schlechtem Papier hektographiert – eine Sammelbroschüre über Kardinal Bertram heraus, und 1949 vereinte er Beiträge qualifizierter Autoren zum sehr schönen Gedenkband „Heilige Heimat“. Über eine immense Arbeitskraft verfügend, erlangte er 1953 in Salzburg die Würde eines Doktors der Theologie, habilitierte 1956 ebenda im Kirchenrecht und begann zu dozieren. Doch schon am 24. November 1959 starb der hochbegabte und bescheidene Priester, den seit 1955 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland schmückte, erst 53 Jahre alt, in München. Die Beisetzung erfolgte auf dem Haidhausener Friedhof. Der frühere Breslauer und damalige Kölner Weihbischof Joseph Ferche zelebrierte in Anwesenheit von Josef Kardinal Wendel, dem Erzbischof von München-Freising, das Pontifikal-Requiem.

Nicht nur für die Heimatvertriebenen war der frühe Tod des Juristen, der den Priesterberuf ergriffen hatte, ein großer Verlust. Kaps war nicht Rechtsanwalt geworden, aber Anwalt des Rechtes, auch des Rechtes auf die Heimat. Wahrscheinlich hätte ihm in der Kirche und/oder in der Wissenschaft eine bedeutende Zukunft bevorgestanden.

Werke: Das Testament des Geistlichen, Breslau 1938, 3. Aufl., ebd. 1941. – (Hrsg.), Erinnerungen an Adolf Kardinal Bertram, Fürsterzbischof von Breslau, vervielfältigtes Manuskript, München (1948). – Aus der Geschichte des Erzbistums Breslau. Ausschnitte aus der Kirchengeschichte Schlesiens, ohne Ort 1948. – (Hrsg.), Heilige Heimat. Von Schlesiens Gnadenstätten, Stuttgart 1949. – Vom Sterben schlesischer Priester 1945/46. Ein Ausschnitt aus der schlesischen Passion, München 1950, 3. Aufl., von Emil Brzoska, Köln 1990. – (Hrsg.), Handbuch für das katholische Schlesien, München 1951. – (Hrsg.), Die Tragödie Schlesiens in Dokumenten. Unter besonderer Berücksichtigung des Erzbistums Breslau, München 1952/53, gekürzte Ausgabe unter dem Titel „Die Tragödie Schlesiens 1945/46“, München 1962 (dtv dokumente 62). – Martyrium und Heldentum ostdeutscher Frauen. Ein Ausschnitt aus der schlesischen Passion 1945/46, München 1954. – Das Testamentsrecht der Weltgeistlichen und Ordenspersonen in Rechtsgeschichte und Bürgerlichem Recht Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, zugleich Salzburger Habilitationsschrift, Buchenhain vor München 1958. – Handbuch über die katholischen Kirchenbücher in der ostdeutschen Kirchenprovinz östlich der Oder und Neisse und dem Bistum Danzig nach dem Stande vom 8. Mai 1945, München 1962.