Die Eltern Wolfgang Klafkis, beide aus Familien mittlerer städtischer oder staatlicher Angestellter bzw. Beamter stammend, waren 1922 in die 10.000 Einwohner zählende ostpreußische Kreisstadt Angerburg gezogen. Der Vater hatte an den Universitäten Königsberg, Greifswald und Berlin die Fächer Deutsch, Geschichte und Erdkunde studiert und 1922 in Angerburg seine erste feste Anstellung als Studienassessor erhalten. Den „Sozialisationsraum“ seines Elternhauses bezeichnet Klafki in seinen autobiographischen Rekonstruktionen als „vermutlichtypische, preußisch-ostdeutsche Beamten-, genauer ‚Studienratsfamilie‘ der 20er und 30er Jahre“.
1934 trat Klafki in die Angerburger Grundschule ein; nach nur drei Jahren wechselte er in die dortige Oberschule, bis er im Herbst 1943 zum Luftwaffenhelferdienst im Großraum Hamburg eingezogen wurde. Klafki und seine mit eingezogenen Klassenkameraden blieben formell weiterhin Schüler der Angerburger Oberschule und erhielten durch einige abgeordnete Lehrer Unterricht mit stark reduzierter Fächer- und Stundenzahl. Nach der Versetzung in die Klasse 8 und mit der Einberufung zum Reichsarbeitsdienst im September 1944 bekamen sie den sog. ‚Reifevermerk’. Der einjährigen Luftwaffenhelferzeit schloss sich ab September 1944 die Arbeitsdienstpflicht in Ostpreußen an. „Ihr folgten Anfang Januar 1945 die Einberufung zum Wehrdienst, nach kurzen Ausbildungswochen strapaziöse Rückzugsmärsche quer durch Ostpreußen, der Fronteinsatz in den Kesseln von Danzig/Gotenhafen und im Samland, dort im April 1945 – im Alter von 17 1/2 Jahren – die Verwundung und, im Unterdeck eines der letzten, total überfüllt auslaufenden Frachtschiffe, der kaum noch erhoffte Transport in ein Lazarett in Dänemark“, berichtet Klafki rückblickend. Nach einigen Monaten erfolgte die Verlegung in ein Lazarett ins südliche Niedersachsen. Nach seiner Ausheilung zu Beginn des Jahres 1946 war Klafki zusammen mit seinem Vater als Bauhilfsarbeiter tätig, bevor er im April des Jahres 1946 zum zweijährigen Volksschullehrerstudium an der Pädagogischen Hochschule Hannover zugelassen wurde.
Während seines Studiums wurde Klafki durch seine Dozenten mit den Ideen der Reformpädagogik vertraut und nahm wichtige Impulse für seinen von 1948 bis 1952 währenden Unterricht an ländlichen Volksschulen in Schaumburg-Lippe mit. Da er sein zweites Lehrerexamen mit Bravour bestand, erhielt er für sein geplantes Zweitstudium ein Adolf-Grimme-Stipendium. 1952 bis 1957 absolvierte er jenes mit dem Hauptfach Pädagogik und den Nebenfächern Philosophie und Germanistik an der Universität Göttingen. Sein wichtigster pädagogischer Lehrer in diesem Zeitraum war der geisteswissenschaftliche Pädagoge Erich Weniger; in seinem zweisemestrigen Studium in Bonn studierte Klafki bei Theodor Litt Pädagogik und Philosophie. Letztere studierte er außerdem vor allem bei Helmut Plessner und Josef König, Germanistik vorrangig bei Wolfgang Kayser. Weitere Fachstudien kamen hinzu. Seit 1956 war Klafki bereits als Assistent des Philosophen und Pädagogen Gustav Heckmann und kurz darauf als apl. Dozent an der Pädagogischen Hochschule Hannover tätig. 1957 promovierte er bei Weniger in Göttingen mit einer Arbeit überDas pädagogische Problem des Elementaren und dieTheorie der kategorialen Bildung, mit der er sich sofort innerhalb der Erziehungswissenschaft einen Namen machte. Sichtbares Zeichen der Anerkennung war der ihm verliehene Fakultätspreis. 1958 legte Klafki mit seiner bildungstheoretisch fundiertenDidaktischen Analyse ein für die Praxis wegweisendes Unterrichtsvorbereitungskonzept vor.
Von 1961 bis 1963 war er Assistent und Oberassistent bei dem geisteswissenschaftlichen Pädagogen Ernst Lichtenstein an der Universität Münster. Von 1963 bis zu seiner Emeritierung 1992 war er – als Nachfolger der geisteswissenschaftlichen Pädagogin und Nohl-Schülerin Elisabeth Blochmann – Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Marburg, für die er sich alternativ zu Tübingen und 1969 noch einmal anlässlich eines Rufes an der Universität Göttingen entschied. Ebenfalls 1963 erschien eine erstmalige Zusammenfassung wichtiger Arbeiten Klafkis in den breit rezipierten und auch in andere Sprachen übersetztenStudien zur Bildungstheorie und Didaktik. Von 1968 bis 1970 leitete Klafki die Vorbereitung und die Sendung des – im Anschluss auch publizierten – Funk-Kollegs Erziehungswissenschaft. Es ist auf breite Resonanz gestoßen, was sich auch daran zeigt, dass es sogar ins Japanische übersetzt und im japanischen Rundfunk gesendet wurde. Klafkis Beiträge hierzu lassen die Veränderung sichtbar werden, die er – auf dem Hintergrund der „68er Bewegung“ und der Rezeption der Kritischen Theorie – vom geisteswissenschaftlichen Pädagogen zum kritisch-konstruktiven Erziehungswissenschaftler vollzog. In dem 1976 erschienenen SammelbandAspekte kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft präzisierte Klafki seine veränderte Position. Seit 1980 liegt ein neues Konzept der Unterrichtungsplanung von ihm vor, welches auf der Basis einer kritisch-konstruktiven Didaktik entwickelt wurde. Hinzuweisen ist auch auf Klafkis 1982 erschienene„kritische Vergegenwärtigung“ der Pädagogik Theodor Litts, die auf der kenntnisreichen Auseinandersetzung mit dem pädagogischen Gesamtwerk eines seiner wissenschaftlichen Lehrer beruht. Eine Zusammenfassung wichtiger jüngerer Arbeiten stellen die erstmals 1985 erschienenenNeuen Studien zur Bildungstheorie und Didaktik dar, wobei in diesem Zusammenhang vor allem auf Klafkis neues Allgemeinbildungskonzept zu verweisen ist, das eine immense Rezeption in vielen Teilen der Welt erfuhr. In den darauf folgenden Jahren hat sich Klafki außerdem der Erforschung seiner Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus unter erziehungswissenschaftlicher Fragestellung gewidmet. Von großer Wichtigkeit sind auch seine Beiträge zum Verhältnis geisteswissenschaftliche Pädagogik und Nationalsozialismus.
Klafki ist seit 1963 Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, von 1986 bis 1988 war er ihr Vorsitzender, seit 1996 ist er ihr Ehrenmitglied. Von 1965 bis 2001 war er Mitherausgeber der Zeitschrift für Pädagogik. Er hat angesichts seiner großen Verdienste um die Entwicklung der Pädagogik als Wissenschaft drei Ehrendoktorwürden erhalten.
Werke (Auswahl): Das pädagogische Problem des Elementaren und die Theorie der kategorialen Bildung, Weinheim 1959, 3./4. Aufl. 1964. – Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, Weinheim 1963, 13. Aufl. 1972; durch ein krit. Vorwort erg. Aufl. 1975. – Funk-Kolleg Erziehungswissenschaft, 3 Bde., Frankfurt/M. 1970-1971. – Aspekte kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft, Weinheim u. Basel 1976. – Die Pädagogik Theodor Litts. Eine kritische Vergegenwärtigung, Königstein/Ts. 1982. – Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, Weinheim 1985, 5. Aufl. 1996. – (Hrsg.): Verführung, Distanzierung, Ernüchterung. Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus. Autobiographisches aus erziehungswissenschaftlicher Sicht, Weinheim u. Basel 1988. – (zus. m. Johanna-Luise Brockmann) Geisteswissenschaftliche Pädagogik und Nationalsozialismus. Herman Nohl und seine „Göttinger Schule“ 1932-1937, Weinheim u. Basel 2002. – (zus. m. Karl-H einz Braun) Wege pädagogischen Denkens. Ein autobiographischer und erziehungswissenschaftlicher Dialog, München 2007.
Lit. (Auswahl): Eva Matthes, Von der geisteswissenschaftlichen zur kritisch-konstruktiven Pädagogik und Didaktik. Der Beitrag Wolfgang Klafkis zur Entwicklung der Pädagogik als Wissenschaft, Bad Heilbrunn 1992. – Karl-Heinz Braun, Pädagogische Zukunftsentwürfe. Festschrift f. W. Klafki zum 70. Geburtstag, Opladen 1997. – Chi-Hua Chu, Von der kategorialen zur politisch orientierten Bildung. Untersuchungen zur Theorie der Bildung von Wolfgang Klafki, Tübingen 2002. – Heinz Stübig (Hrsg.), Bibliographie Wolfgang Klafki. Verzeichnis der Veröffentlichungen und betreuten Hochschulschriften 1952-1992, Weinheim u. Basel 1992.
Bild:Stübig, Heinz (Hrsg.): Bibliographie Wolfgang Klafki, wie oben.