Biographie

Kollwitz, Käthe

Käthe Kollwitz, die sich sich in ihren Arbeiten mit den brisanten sozialen Themen des Industriezeitalters beschäftigt hat, zählt zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Sie wollte aufrütteln, verstand sich selbst als Stimme der Benachteiligten: „Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind.“

Vielleicht ist der Grund, warum sich Käthe Kollwitz ein Leben lang den sozial Benachteiligten gewidmet hat, in ihrer eigenen Familiengeschichte begründet. Zwar wuchs sie keineswegs in Armut auf, aber ihr Vater Karl Schmidt, ein studierter Jurist, erhielt wegen seiner liberalen politischen Haltung keine Anstellung beim preußischen Staat. Um seine Familie zu ernähren, sah er sich gezwungen, den Beruf des Maurers auszuüben, wobei er sich mit Fleiß und Geschick nach oben arbeitete. So ermöglichte er seiner Frau Katharina und den fünf Kindern ein Leben in solidem Wohlstand.

Käthe, die am 8. Juli 1867 in Königsberg geboren wurde, wuchs also in gesicherten Verhältnissen auf. Schon früh ließ sie eine künstlerische Begabung erkennen, die von den Eltern auch gefördert wurde. Nachdem sie bereits in ihrer Heimatstadt Privatunterricht im Zeichnen erhalten hatte, ging sie 1886 nach Berlin, um sich an der Künstlerinnenschule weiterzubilden. Aber sie wollte mehr. Nach einem Jahr bat sie ihre Eltern, die Ausbildung in München fortsetzen zu dürfen, denn die bayerische Metropole an der Isar war damals Treffpunkt einer kosmopolitischen und progressiven Künstlerszene, nach nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten suchte. Hier fand Käthe in Max Liebermann einen ausgezeichneten Lehrer und Mentor, der sich auch weiterhin für die begabte Künstlerin einsetzte. Er war es auch, der sie an Themen aus dem alltäglichen Leben und dem einfachen Volk heranführte.

Zurück an der Spree heiratete Käthe 1891 ihren Jugendfreund, den Berliner Arzt Dr. Karl Kollwitz, der am Prenzlauer Berg, dem damaligen Arbeiterviertel, eine Praxis eröffnet hatte. Hier erlebte Käthe erstmals hautnah, was soziales Elend bedeutete: ausgemergelte Frauen und Kinder, arbeitslose Männer, die nicht selten Flucht im Alkohol suchten. Für sie hatte Dr. Kollwitz stets ein offenes Ohr: „Wer dich um Hilfe ging, dem warst du bereit zu helfen, mit deinem ärztlichen Können, mit seelischem Rat, mit Geld. Da warst du nie zu müde, da war dir nie eine Treppe zu hoch, und für jeden hattest du so viel Zeit wie er brauchte.“ So würdigte später Sohn Hans, der ebenfalls den Arztberuf wählte, das großherzige Wirken seines Vaters.

Käthe und Karl Kollwitz lebten bescheiden in einer kleinen Mietwohnung. Das Geld war vergleichsweise knapp, ein eigenes Atelier konnte sich Käthe Kollwitz nicht leisten. Sie begann wieder zu zeichnen und Radierungen anzufertigen. Doch schon bekam hatte sie eine schöne neue Aufgabe: 1892 kam Sohn Hans auf die Welt, vier Jahre später folgte Peter. Doch Käthe Kollwitz blieb auch weiterhin künstlerisch tätig. Angeregt durch die Uraufführung des Dramas „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann 1894 entwarf sie den Zyklus Ein Weberaufstand, düstere Bilder über die bedrückende Armut der schlesischen Weber. Dieses Werk, dessen Entstehung sich über mehrere Jahre hinzog, wurde Käthe Kollwitz’ künstlerischer Durchbruch. Doch ihre Arbeit polarisierte. Unmittelbar nach der Präsentation des Weberaufstands auf der „Großen Berliner Kunstausstellung“ 1898 schlug Max Liebermann vor, seiner früheren Schülerin die Goldme­daille zu verleihen. Das jedoch wurde von Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich verhindert, der den Zyklus als subversiv empfand. Auch Kaiserin Auguste Victoria weigerte sich strikt, die 1906 eröffnete „Deutsche Heimarbeit-Ausstellung“ zu besuchen, weil ihr das von Käthe Kollwitz entworfene Plakat missfiel. Die darauf abgebildete Frau wirkte ihrer Meinung nach zu verhärmt.

Doch all das konnte den Erfolg nicht aufhalten.1901 wurde Käthe Kollwitz Mitglied der „Berliner Secession“, einer neuen Künstlerverbindung, die als erste auch Frauen aufnahm. Hier knüpfte sie wertvolle Kontakte, die mehrere Auslandsaufenthalte zur Folge hatten. 1904 besuchte sie das Atelier von Auguste Rodin in Paris, der ihr Interesse an plastischen Arbeiten weckte.

Dieses erfüllte und glückliche Leben fand durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 ein jähes Ende. Schweren Herzens stimmte sie zu, als sich ihr noch minderjähriger Sohn Peter freiwillig an die Front meldete. Er fiel nur wenige Wochen später im Alter von nur 18 Jahren. Den Verlust ihres Kindes hat Käthe Kollwitz nie ganz verwunden. Sie versuchte, den Schock und ihre Trauer künstlerisch zu verarbeiten, was aber erst Jahre später gelang. Erst 1932 vollendete sie ihr berühmtes Werk Die trauernden Eltern, das ein Jahr später auf dem belgischen Soldatenfriedhof Eessen-Roggevelde aufgestellt wurde, wo Peter seine letzte Ruhe gefunden hatte.

Der Tod des Sohnes machte Käthe Kollwitz zur entschiedenen Pazifistin: „Es ist genug gestorben. Keiner darf mehr fallen“, sagte sie dem SPD-Organ Vorwärts. Zu den vielen sozialkritischen Plakaten, die in den 1920er Jahren entstanden, gehört auch das noch heute bekannte Nie wieder Krieg!, das sie 1924 für den Mitteldeutschen Jugendtag in Leipzig entworfen hatte.

Inzwischen gehörte Käthe Kollwitz längst zu den bedeutendsten Künstlern ihrer Zeit. 1919 wurde sie als erste Frau in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen und mit dem Professorentitel geehrt. Seither unterrichtete sie Grafik und Zeichnen an jener Berliner Künstlerinnenschule, die sie als junges Mädchen selbst besucht hatte.

Erst die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 beendete ihrer Karriere. Nachdem Käthe Kollwitz gemeinsam mit Heinrich Mann einen Appell gegen Hitler unterzeichnet hatte, musste sie die Akademie der Künste verlassen und wurde zwei Jahre später mit einem Ausstellungsverbot belegt. Trotzdem machte sie weiter, arbeitete überwiegend an Kleinplastiken. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hat die Künstlerin zutiefst erschüttert. Doch ihr Lebensende ist von weiteren Schick­salsschlägen gezeichnet: 1940 verlor sie ihren Mann nach längerer Krankheit, 1942 fiel ihr Enkel Peter in Russland. Im Jahr darauf floh sie vor der immer heftiger werdenden Bombardierung aus ihrer Berliner Wohnung, in der sie mehr als 50 Jahre gelebt hatte. Auf Einladung des Prinzen Ernst Heinrich von Sachsen, einem entschiedenen Gegner des Nationalsozialismus und großen Bewunderer von Käthe Kollwitz, fand sie 1944 eine neue Bleibe in einem Haus auf dem Parkgelände von Schloss Moritzburg bei Dresden. Hier starb sie am 22. April 1945, wenige Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Lit.: Käthe Kollwitz, Aus meinem Leben, Freiburg 1992. – Käthe Kollwitz, Die Tagebücher, Berlin 1988. – Ilse Kleeberger, Käthe Kollwitz. Eine Biografie, Leipzig 1999.

Bild: Selbstproträt 1926, Käthe Kollwitz Museum Köln

Karin Feuerstein-Praßer